Wochenspruch: Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. (Epheser 2,8)
Psalm: 73,1-3.8-10.23-26
Reihe I: Matthäus 9,35-10,1(2-4)5-10
Reihe II: Lukas 5,1-11
Reihe III: 1. Korinther 1,18-25
Reihe IV: 1. Mose 12,1-4a
Reihe V: Johannes 1,35-51
Reihe VI: 2. Korinther (11,18.23b-30); 12,1-10
Eingangslied: EG 503,1.7-9 Geh aus, mein Herz, und suche Freud
Wochenlied: EG 313 Jesus, der zu den Fischern lief
Predigtlied: EG 395 Vertraut den neuen Wegen
Schlusslied: EG 347 Ach bleib mit deiner Gnade
1 Der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm.
Vorbemerkung: Neben dem Evangelium (Lk 5,1-11) ist 1. Mose 12,1-4 (Bitte den ganzen Vers 4 lesen!) die einzige weitere Lesung im Gottesdienst.
Endlich waren sie wieder möglich, liebe Gemeinde, die großen Feiern zum Schulabschluss. (Anmerkung: Sollten auch 2022 keine Abschlussfeiern möglich sein, müsste der Anfang entsprechend angepasst werden. Z. B.: Auch in diesem Jahr konnte es keine große Abschlussfeier geben. Dabei hatten sie sich schon so darauf gefreut. Denn der Abschluss der Schulzeit sollte doch würdig begangen werden. Doch gab es wenigstens ein Foto, auf welchem sie als Schulklasse noch einmal zusammen kamen.) Auf den Lokalseiten einiger Zeitungen konnte man die jungen Menschen auf so manchem Bild lachen sehen. Fröhlich und stolz schauten sie in die Kamera. Die letzten zwei Schuljahre unter den Bedingungen der Pandemie stellten ja auch eine zusätzliche Herausforderung dar. Doch nun war es geschafft. Auch manche Tradition war wieder möglich. So trugen einige der Absolventen einen Lorbeerkranz auf dem Kopf.
Und im Kopf? Da werden Pläne geschmiedet. Der eine will für ein Jahr ins Ausland. Eine andere beginnt ein Praktikum ganz in der Nähe. Einer beginnt ein freiwilliges soziale Jahr, während eine andere gleich zur Uni wechselt. Für die jungen Leute von heute sind das ganz selbstverständliche Optionen. [Hier könnte die Predigerin von ihren eigenen Erfahrungen reden. Für mich, der ich mein Abitur 1987 in der DDR ablegte, bleibt diese Vielfalt an Möglichkeiten immer noch ein großes Geschenk.]
Nun könnten ältere Generationen auch sagen: „Ja, die jungen Leute von heute haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Da kann noch manches begonnen und in die Wege geleitet werden. Doch jetzt, mit Anfang 50 oder 60 oder gar Mitte 70. Was soll da noch möglich sein?
Die gerade gehörte alttestamentliche Lesung zeigt uns, dass Aufbrüche zu jeder Zeit des Lebens erfolgen können. Auch wenn die hier genannten 75 Jahre nicht unbedingt wörtlich zu verstehen sind, so war Abraham, der damals noch Abram hieß, kein junger Mann mehr.
Abraham brach mit einem großen Gottvertrauen auf. Deshalb wird er vom Apostel Paulus auch Vater des Glaubens genannt. Und in der Tat wird in dem gehörten Abschnitt nichts davon berichtet, dass Abraham Bedenken oder Widerspruch angemeldet hat. Doch ist das Alte Testament viel zu ehrlich, um auszublenden, was eben doch da ist. Denn wenn wir einige Verse weiterlesen, hören wir schon von den Zweifeln, die auch Abraham kannte. Momente, wo er sich nicht mehr ganz so sicher war, ob Gott noch seine Zusage und seine schützende Hand über ihn hält. Besonders heraus ragt sein Lachen und das seiner Frau, als ihm im hohen alter die Geburt des versprochenen Sohnes angesagt wird. Und das zu einem Zeitpunkt, als sie schon längst nicht mehr damit gerechnet hatten.
Es ist, liebe Schwestern und Brüder, schön, wenn es im Leben glatt und ohne Umwege voran geht. Doch dürfte das die große Ausnahme sein.
Gerade hier bei Abraham, dieser so wichtigen Person, wird ein sehr realistischer Blick auf das Leben und auf das Leben im Vertrauen auf Gott wiedergegeben. Ein Leben mit Momenten der Freude und der Angst.
Haben Sie noch die Worte im Ohr, welche an Abraham gerichtet werden? Es heißt hier: „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen.“ Mit anderen Worten sagt Gott hier: „Mein lieber Abraham, es werden dir Menschen begegnen, die es gut mit dir meinen und dir Frieden wünschen. Und es werden dir Menschen begegnen, die es böse mit dir meinen.“
Beides gibt es im Leben, liebe Schwestern und Brüder. Beides begegnet auch uns. Und auch wir begegnen anderen Menschen mal freundliche und mal ablehnend.
Diese Erfahrungen des Lebens sind keine Beweise für die Abwesenheit oder Anwesenheit Gottes.
Eine Frau wurde während ihrer Krebserkrankung mitunter auf ihren Glauben angesprochen. Da wurde ihr z.B. gesagt: „Wie kannst du noch an Gott glauben, wenn du so krank bist?“ Worauf sie erwiderte: „Mein Glaube hilft mir, diese Krankheit durchzustehen. Und all das wird nicht sinnlos sein.“
[Hier können weitere Beispiele von Glaubenstreue auch in Krisen angeführt werden.]
Die Kraft des Segens, liebe Gemeinde, kann darin beruhen, die vielen Seiten des Lebens für sich annehmen zu können. In der Gewissheit, dass da noch einer da ist, der mit mir hindurchgeht.
In Abrahams Leben ist ganz viel von dieser Kraft zu spüren. Es wird von ihm berichtet, dass er alt und lebenssatt gestorben. Er hat in seinem Leben, so, wie es sich ihm gezeigt hat, Erfüllung gefunden. Und das, obwohl er das verheißene Land nicht in Besitz genommen hat. Was er besaß, war das Grab seiner Frau Sara und dann sein eigenes Grab.
Später wurden dort auch sein Sohn Isaak mit Ehefrau Rebekka, sowie der Enkel Jakob mit seiner Frau Lea begraben. Diese Gräber befinden sich in Hebron. Heute liegt diese Stadt im palästinensischen Autonomiegebiet. Über den Gräbern wurde später ein Gotteshaus errichtet. Die eine Hälfte ist eine Synagoge, die andere Hälfte ist eine Moschee. Man kann an diesem Ort heute noch spüren, wie die an Abraham ergangene Verheißung von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Und das bis zum heutigen Tag. Bei Juden und Muslimen.
Ein Aufbruch im Leben, ein Aufbruch im Glauben, liebe Schwestern und Brüder, ist keine Frage des Alters. Er kann mit 18 genau so geschehen wie mit 75. Ich kann mit Gedanken und Ansichten, mit dem Herzen oder auch mit den Händen und Füßen neue Wege beschreiten. Das Kriterium für einen Neuanfang ist doch nicht allein davon abhängig, dass da danach noch viele Lebensjahre folgen. Nicht die Quantität der Jahre ist entscheidend, sondern die Qualität.
Wie oft passiert es, dass jemand im fortgeschrittenen Alter in die Situation kommt, sich nicht mehr selbst versorgen zu können. Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus, nach einer Operation kann jemand nicht mehr in die eigene Wohnung zurück, sondern muss ins Seniorenheim. Wie schön ist es, wenn da noch einmal neue Kontakte entstehen, eine Teilnahme am Leben möglich ist.
Für nicht wenige ist eine erstmalige oder neuerliche Hinwendung zum Glauben in der Lebensmitte ein solcher Aufbruch. Einer ließ sich mit 40 taufen und singt heute voller Begeisterung im Kirchenchor mit. Eine andere hat ihren Mann verloren; er ist an Krebs gestorben. Sie hat lange getrauert, aber seit ein paar Jahren ist sie Lektorin und feiert mit großer Freunde Gottesdienste.
[Hier können eigene Beispiele für solche Aufbrüche eingefügt werden.]
Am kommenden Mittwoch ist es 78 Jahre her, dass Menschen einen ganz anderen Aufbruch wagten. Sie waren so etwa 40 Jahre alt. Claus Schenk Graf von Stauffenberg war einer von ihnen. Lange Zeit hatten sie mit der Frage danach gehadert, ob ein Christ töten und ein Offizier seinen Eid brechen darf. Ganz selbstverständlich fühlten sie sich an das 5. Gebot und an ihren Treueschwur gebunden. Aber was ist, wenn durch den Tod eines Menschen Millionen andere Menschen vor dem sicheren Tod bewahrt werden könnten? Eine Gewissensfrage, die nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Egal, was ich hier tue, ich werde schuldig.
Ich denke, dass die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 sich dieser Schuld bewusst waren. Und dennoch wagten sie den Aufbruch, um diesen fürchterlichen Krieg und das unvorstellbare Leid in den Konzentrationslagern zu beenden.
Dieser Aufbruch, dieses Attentat, ist misslungen. Und doch war es ein Impuls zum Umdenken, auch für unsere evangelische Kirche. Vergeblich war es bestimmt nicht. Fünf Jahre später gab sich Deutschland ein Grundgesetz, in dem sich Lehren aus dieser Diktatur widerspiegeln. Das Vorhaben der Verschwörer des 20. Juli kam doch noch zur Erfüllung. Auch wenn Graf Stauffenberg und die meisten seiner Mitstreier das nicht mehr erlebt haben, so war ihr Aufbruch doch mit ein Grundstein für den späteren Umbruch in Deutschland.
Es ist eine Gnade, die Erfüllung von Aufbrüchen zu erleben. Zuversicht und Gottvertrauen zeigen sich dennoch schon im Moment des Aufbruchs, bei dem die Erfüllung ja noch nicht sichtbar ist. Und es ist auch völlig egal, ob jemand bei dem Aufbruch 18 oder 75 Jahre alt ist.
Gott schenke uns immer wieder Zuversicht und Vertrauen, neue Wege zu wagen. Amen.
Lebendiger Gott,
du traust Menschen zu,
dass sie umdenken und neu aufbrechen.
Hilf uns aufmerksam hinzuhören, wenn du uns rufst,
um neue Wege mutig zu gehen.
Das bitten wir dich durch Jesus Christus,
unseren Herrn und Bruder.
Amen.
(Nach Tagesgebet im Ev. Gottesdienstbuch, S. 410)
Verfasser: Pfarrer Ronny Hillebrand, Schönebecker Str. 17, 39104 Magdeburg
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