Alles leicht?
von Regina Eske-Keller (Prädikantin)
Predigtdatum
:
22.02.2009
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Estomihi
Textstelle
:
Markus 8,31-38
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Liebe Gemeinde,
„Wer hat Ihnen denn gesagt, dass im Leben immer alles leicht sein muss?“ – So hat es einmal eine –in meinen Augen - sehr weise, ältere Frau zu mir gesagt, als ich damals als Studentin wieder einmal am Klagen war, warum alles so kompliziert, so mit Zweifeln, Scheitern und Gewissensentscheidungen verbunden ist. – Ja, sie hatte Recht, die Frau, deren Leben wirklich nicht gerade und einfach verlaufen war. Nach einem abgebrochenen Musikstudium, einer gescheiterten Ehe im Ausland, allein zurück in Deutschland mit drei farbigen Kindern hat sie ihren Lebensunterhalt mit Klavierunterricht und Schreibarbeiten verdient. Nein, leicht hatte sie es nicht, aber sie konnte und kann viel geben. Sie konnte und kann lieben, ihren Mitmenschen das Gefühl geben: Ja, du bist wichtig. Sie war und ist fröhlich und zuversichtlich, sie hat das angenommen, was ihr aufgegeben war, und ist daran gewachsen.
An diese Frau denke ich, wenn ich die Worte Jesu aus dem Markusevangelium (Mk 8,31-38) höre: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? Sie hat sich selbst verleugnet, hat das getan, was notwendig war um ihrer Kinder willen. Ihr Studium wieder aufnehmen? Ihrer Herkunft entsprechend leben? – Das ging nicht. Wer hat denn gesagt, dass es im Leben immer leicht sein muss? Sie hat den Weg genommen, den ihr die Liebe gebot, den Weg, der ihr und den Kindern ein möglichst liebevolles Miteinander gewährte. Die Welt war damit nicht zu gewinnen, aber sie fand Freunde, Gemeinschaft, auch und vor allem in der Gemeinde. Sie blieb nicht allein.
Sehen wir uns noch einmal die Situation an, in die hinein Jesus diese Worte sagte: Die Welt war aufmerksam auf ihn geworden. Er hatte fünftausend Menschen gespeist, einen Tauben und einen Blinden geheilt. Die Wundergeschichten machten die Runde. Die Leute spekulierten, welcher Prophet in Jesus zurückgekommen wäre. War er gar der Messias? – Da hinein sagt Jesus seinen Jüngern das ganz andere: Leiden sind da, Ungerechtigkeit, ja, auch der Tod. Ganz Mensch muss er es erdulden. Klar, dass diese Aussage seinen Freunden nicht gefiel! Natürlich wollen sie ihn schützen. Aber das will Jesus nicht zulassen. Nein, den Problemen aus dem Weg gehen, Beziehungen nutzen, soziale Systeme in Anspruch nehmen, Besitzstand wahren – das war für ihn korrupt. Das, was Petrus ihm anbietet, weist er als teuflisch zurück. Er muss da durch. Nur so kann er der Welt zur Rettung werden.
Im Evangelium steht dieses dann ganz eng im Zusammenhang mit der neuen Welt, dem Reich Gottes. Es beginnt immer dort, wo Menschen den Weg verlassen, neu beginnen, auch wenn es schwer ist. Himmel und Erde begegnen sich da, wo die Liebe eigene Wünsche in den Hintergrund treten lässt und den anderen sieht. Jesus ist ein anderer geworden. Der Zimmermann wurde zum Prediger, Lehrer, Wundertäter. Petrus ist ein anderer geworden, vom Fischer zum Menschenfischer. Ihm ist klar, dass er alles zurücklassen muss, wenn er diesem Jesus nachfolgen will. Und da hat sich auch seine Sicht auf die Welt verändert. Seit er unterwegs ist, hat er begonnen vieles in Frage zu stellen. Ist die Welt, so wie sie ist, wirklich so, wie sie aus Gottes Sicht sein sollte? Sind die Verhältnisse so unabänderlich? Für die Hoffnung auf eine neue Welt hatte Petrus sein altes Leben aufgegeben. Gerechtigkeit und Frieden, das sind die äußeren Zeichen dieser neuen Welt, auf die er hoffte, auf die wir hoffen, aber sie wird nicht kommen, wenn wir nicht annehmen, was uns ganz persönlich als Auftrag auferlegt wird. Dies zu erkennen ist manchmal ein schmerzhafter Weg, aber es ist ein Weg, der sich lohnt.
Jesus ist den Weg durch Leiden zum Kreuz für uns vorausgegangen. Und: Er ist auferstanden. - Übrigens geht es auch der Frau, von der ich anfangs erzählt habe, gut. Alle Kinder stehen erfolgreich im Beruf und versorgen ihre Mutter. Sie selbst ist durch die Schreibarbeiten zur Mitarbeiterin eines Professors – und schließlich Mitautorin eines theologischen Werkes geworden. Die Wirklichkeit von Leiden und Kreuz hat bei Jesus – und in unserem Beispiel - nicht das letzte Wort behalten. Dies zu bekennen ist Grundlage unseres Glaubens. Es stärkt uns, auch wenn wir mit diesem Bekenntnis meist nicht sehr cool dastehen. Jesus sagt ganz klar: Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln. Wir dürfen und wir sollen für unseren Glauben einstehen. Wir sollen es weitersagen und vorleben: Glauben bedeutet, die Welt so zu sehen, wie sie ist, und dabei zu wissen, dass das Reich Gottes im Kommen ist. Glauben heißt auch, sich selbst so zu sehen, wie man ist – mit allen Schwächen, Fehlern und Ängsten, und dabei darauf zu vertrauen, dass Gott auch uns ins wahre Leben führt. Das lernen wir am Vorbild derer, die im Leben sozusagen ihr Kreuz wirklich auf sich nehmen und Jesus nachfolgen. Sie lehren uns trotz vieler Schwierigkeiten aus allen Situationen das Beste zu machen und möglichst wenig zu jammern.
Das, was Jesus da von seinen Jüngerinnen und Jüngern abverlangt, ist viel. Es ist zu viel, dass es ein einzelner trägt, so wie er es letztlich allein getragen hat. Wir sind aber nicht allein. Keiner muss seinen Glauben allein leben. Das ist das Wesentliche, das uns in den Gemeinden trägt. Das Bekenntnis, das doch so schwer zu verstehen ist, ist es gerade, das uns in eine Gemeinschaft stellt. Es gibt unserem manchmal schweren Weg einen Sinn. Wir sind als Christinnen und Christen beieinander im Gottesdienst. Wir treffen uns, kennen einander. Im Abendmahl erleben wir die Gemeinschaft miteinander und mit unserem auferstandenen Herrn Jesus Christus. Wir können einander vergeben, so wie Gott uns in Jesus Christus vergeben hat. In der Liebe nehmen wir unsere Nächsten an, ihr Leiden ist unser Leiden, ihre Zweifel sind unsere. Unterschiedslos sind wir für den Nächsten da, der uns braucht. Und da ist keiner gerade zu schwach, keiner zu wenig oder zu dumm. Manchmal kann man mit ganz kleinen Dingen, scheinbar unbedeutenden Worten helfen. So wie mir dieser eine Satz, diese eine Frage, die ich am Anfang genannt habe: Wer hat Ihnen denn gesagt, dass im Leben immer alles einfach sein muss?“ schon so oft geholfen hat, die kleinen und großen Schwierigkeiten im Leben anzunehmen und zu meistern.
Und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.