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Als Gottes Kinder leben

von Tilmann Cremer (99991 Großengottern)

Predigtdatum : 10.01.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Römer 12,1-8
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Wochenspruch: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (Römer 8,14)

Psalm: 89,2-5.27-30

Lesungen

Reihe I: Josua 3, 5 - 11.17
Reihe II: Matthäus 3, 13 - 17
Reihe III: Römer 12, 1 - 8
Reihe IV: Jesaja 42, 1 - 9
Reihe V: Johannes 1, 29 - 34
Reihe VI: 1. Korinther 1, 26 - 31

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 71 O König aller Ehren oder 557 Ein Licht geht uns auf
Wochenlied: EG 410 Christus, das Licht der Welt oder EG 441 Du höchstes Licht
Predigtlied: EG 72 O Jesu Christe, wahres Licht oder 589 Komm, bau ein Haus
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns

Predigttext Römer 12,1-8

Wenn der Predigttext im Gottesdienst schon als Brieflesung zu hören ist, sollte bei deren Ankündigung darauf hingewiesen werden. Dann werden in der Predigt nur einzelne Abschnitte wiederholt.

Das Leben als Gottesdienst

1 Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Die Gnadengaben im Dienst der Gemeinde

3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens.
4 Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben,
5 so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied.
6 Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß.
7 Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er.
8 Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.

Predigt

Wann war Ihr/Euer letzter Gottesdienst? War es am Mittwoch (zu Epiphanias) oder am Sonntag davor, zum Jahreswechsel oder geht es doch bis Heilig Abend zurück?

Wenn man Gottesdienst so versteht, wie es Paulus im Predigttext beschreibt, braucht man für die Frage nach dem letzten Gottesdienst keinen Kalender. Denn Gottesdienst, sagt Paulus im (eben schon gehörten) Predigttext, ist nicht nur Versammlung mit Singen und Liturgie, mit Lesungen, Predigt, Gebet und Segen. Gottesdienst hat noch ganz andere Gestalt. [War der Predigttext nicht schon als Brieflesung zu hören, wird er hier vollständig verlesen.]

Ich bitte euch nun, liebe Geschwister, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euer leibliches Leben zur Verfügung stellt als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

Ich ermahne euch nun, liebe Geschwister so beginnt der Text bei Luther. Vielleicht hat mancher schon da geschluckt: ermahnen – damit ist das Klischee von Kirche ja gleich wunderbar bedient. Paulus kennt die Gemeinde in Rom noch gar nicht, als er diesen Brief dorthin schreibt, aber er ermahnt gleich mal. In anderen Übersetzungen steht hier allerdings „bitten”.

Diesen Sätzen gehen viele Briefseiten voraus, in denen Paulus seine theologischen Ansichten darlegt. Paulus macht der ihm unbekannten Gemeinde in Rom deutlich, was ihm selbst am Evangelium wichtig ist: Gott nimmt den Menschen ohne Vorleistung an. Paulus ist überzeugt davon, dass allein aufgrund des Glaubens der Mensch vor Gott gerechtfertigt ist, dass er also dem entspricht, was die Gemeinschaft braucht. Wer glaubt, wer auf Gott vertraut, lebt in Gemeinschaft mit Gott. Dafür ist nichts vorzuweisen, keine frommen Taten, kein besonderer Lebenswandel.

Das hat Paulus aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt.

Nun will er den angesprochenen Christen nahelegen, dass man auf diese Liebe Gottes doch reagieren solle, und zwar mit dem gesamten Verhalten.

Wer das hört, soll merken: was jetzt kommt ist entscheidend. Darum wählt er gewichtige Worte: „Ich ermahne euch” oder: „Ich bitte euch eindringlich”.

Wichtig ist die so eingeleitete Aussage auch deshalb, weil Paulus alles, was er vorher über die Freundlichkeit und Liebe Gottes geschrieben hat, noch einmal wiederholt. Dafür verweist er einfach kurz und knapp auf die Barmherzigkeit Gottes:  Ich bitte euch angesichts der Barmherzigkeit Gottes – und nun kommt sein Anliegen: dass ihr euer leibliches Leben zur Verfügung stellt als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer.

„Opfer” – das ist gleich der nächste schwierige Begriff. Schnell denkt man an Menschen, die sich als Selbstmordattentäter „opfern” oder an Regierungen, die ihre Bevölkerung für den eigenen Machterhalt opfern.

In der ursprünglichen Bedeutung von „Opfer” geht es freilich darum, dass etwas für Gott ausgesondert und ihm übergeben wird. Es geht darum, die Zugehörigkeit zu Gott zu markieren.

Paulus schreibt ja auch von einem lebendigen Opfer. Leben und Lebendigkeit sollen durch so ein Opfer nicht vernichtet werden, im Gegenteil: Die Lebendigkeit die in uns steckt, unser Wesen, unser individuell unterschiedliches Sein soll gelebt werden – und dabei als zu Gott gehörig erkennbar sein.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum er nicht schreibt: Stellt euch als ein lebendiges Opfer zur Verfügung, sondern er benutzt den Begriff soma. In der Regel wird das mit „Körper/Leib” übersetzt. Darüber hinaus meint soma auch das Leben im Sinne einer körperlichen Lebendigkeit.

Glauben, zu Gott gehören, das ist also nicht nur eine geistig-geistliche Angelegenheit, nicht etwas, das sich nur im Kopf abspielt oder im Innersten. Glaube in diesem Sinne ist nicht etwas, das ich unbemerkt für mich allen haben kann. In der Übersetzung „Die Gute Nachricht” heißt es daher: Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung! Oder noch anders übersetzt: Ich bitte euch..., dass ihr mit eurem ganzen Sein als zu Gott gehörig erkennbar seid. Das umfasst Denken und Handeln, Wort und Tat, Kirchgang und Arbeitsweg, Schulweg, Einkaufsweg – ja, den ganzen Lebensweg.

Und das, so setzt Paulus fort, das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

Christlicher Gottesdienst erschöpft sich weder in einer äußerlichen Veranstaltung mit Ritualen oder gar Opfern, noch in rein geistiger Gottesverehrung. Letzteres war nämlich damals mit dem Schlagwort „vernünftiger Gottesdienst” gemeint. Da wurde argumentiert: wenn du den Geist „rein” behältst, kannst du mit dem Körper machen, was du willst.

Nein, sagt Paulus, so läuft das nicht. Er will keine „Sonntags-Christen”, sondern Menschen, die alle Tage ihren Glauben leben, und zwar mit ihrem ganzen Sein.

Das ist mit einer einmaligen Entscheidung für den Glauben nicht getan, auch nicht mit 1½ Jahren Konfirmandenzeit und dem richtigen Kreuzchen auf der Lohnsteuerkarte. Das betrifft jeden Tag neu, jede Entscheidung, jedes Handeln, jedes Wort.

Darum setzt Paulus fort:

Und gleicht euch nicht den Maßstäben dieser Welt an, sondern lasst euch umgestalten durch die Erneuerung des Denkens, um prüfend zu beurteilen, was dem Willen Gottes entspricht: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene.

Am Anfang machte Paulus klar: ihr schwebt nicht mit einem vergeistigten Gottesdienst über der Welt, sondern ihr lebt und handelt ganz leiblich in dieser Welt, wie sie nun mal ist.

Jetzt wird deutlich: Wir leben, also denken, handeln, glauben in der Welt – aber nicht wie die Welt. Da klingt im Griechischen unser Fremdwort „Schema” an: Macht euch nicht dem Schema dieser Welt gleich, übernehmt nicht ihr Denk- und Handlungs-Schema.

Damit das nicht passiert, damit wir uns nicht anpassen, braucht’s einen Sinneswandel: lasst euch umgestalten durch die Erneuerung des Denkens.

In dieser passiven Formulierung „lasst euch” steckt drin, dass Gott der Urheber dieses Sinneswandels ist.

Wer sich so von Gott das Denken prägen lässt, kann dann auch prüfend beurteilen, was dem Willen Gottes entspricht: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene

Bei aller Ausweitung des Gottesdienstes auf das tägliche Handeln wird hier am Rande deutlich, dass für Paulus der Gottesdienst als gemeindliche Feier mit Gotteslob und Gebet und Schriftauslegung nicht hinfällig ist. Denn im Hören auf Gottes Wort, im Beten und Singen ereignet sich ja solch ein Sinneswandel. Das kann man, wo es sich ergibt, auch jenen sagen, die meinen ‚Ich brauche das nicht’ oder: ‚Ich habe meinen Gottesdienst in der Natur und muss dafür nicht zur Kirche gehen.’ Für den nötigen Sinneswandel braucht es das Hören auf Gottes Wort und auch die Gemeinschaft derer, die sich von diesem Wort ansprechen lassen.

Was Paulus in den dann noch folgenden Sätzen schreibt, sind Anwendungsbeispiele, Folgerungen aus den grundlegenden Gedanken der ersten beiden Verse. Die seien abschließend nur kurz angerissen.

Niemand halte mehr von sich, als sich's gebührt.

Findet euren Platz in der Gemeinschaft, in der Gemeinde, und haltet euch nicht für den Nabel der Welt oder für den Maßstab, nach dem sich alles in der Gemeinde zu ordnen hat. – Da werden die meisten wohl zustimmend nicken. Aber wenn es dann darum geht, dass doch bitteschön meine Wünsche und Vorstellungen in der Gemeinde umgesetzt werden sollen, sieht es schnell anders aus.

Wir, die vielen, sind ein Leib in Christus.

Wir sind als Christen so verschieden wie die unterschiedlichen Teile unseres Körpers. Aber in Christus, also als Christen gehören wir zusammen. 

Das heißt zum einen: wir dürfen, ja wie müssen verschieden sein, um uns nämlich gegenseitig zu ergänzen, zu unterstützen, um unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen. Zum anderen heißt das: nicht nur durch einzelne Christen wird Glaube körperlich und in der Welt sichtbar, sondern auch durch uns als Gemeinde insgesamt.

Wo Gemeinde gänzlich unauffällig wird, ist Christus für Außenstehende kaum noch wahrnehmbar. Und der schlimmste Vorwurf, den man uns als Christen machen kann, ist dann die Feststellung: „Ach, du bist Christ, das merkt man ja gar nicht.”

Wenn das meint: ‚Du bist gar nicht so verklemmt oder so weltfremd, wie ich’s von Christen immer glaubte’, wäre alles gut. Wenn es aber meint: ‚Du unterscheidest dich gar nicht’, dann sollte es uns nachdenklich stimmen.

Wann war Ihr letzter Gottesdienst? Die Eingangsfrage ist in diesem Sinne eigentlich überflüssig. Denn unser vernünftiger Gottesdienst ist immer und überall. Amen.

Verfasser: Pfarrer Tilmann Cremer, Ludolfweg 10, 99085 Erfurt


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