Als Gottes Kinder leben.
von Volkhard Guth (Rüsselsheim)
Predigtdatum
:
07.01.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
1. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle
:
Johannes 1,29-34
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Wochenspruch:
Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
(Römer 8,14)
Psalm:
100 (EG 740)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 42, 1 – 4 ( 5 – 9 )
Epistel:
Römer 12, 1 - 3 ( 4 – 8 )
Evangelium:
Matthäus 3, 13 – 17
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 69
Der Morgenstern ist aufgedrungen
Wochenlied:
EG 441
Du höchstes licht, du ewiger Schein
Predigtlied:
EG 66
Jesus ist kommen Wege
Schlusslied:
EG 562
Segne und behüte
Johannes 1, 29 – 34
29 Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! 30 Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. 31 Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er Israel offenbart werde, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser. 32 Und Johannes bezeugte und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf wen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist's, der mit dem heiligen Geist tauft. 34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.
1. Lied EG 66, 1. 3-6 (Jesus ist kommen)
2. Eingangspsalm 89, 2-6.20-23.27-30 [alternativ: Ps.100, EG 740]
3. Schriftlesung Jes. 42,1-4 (5-9) [alternativ: Röm.12,1-3 (4-8)]
4. Lied vor der Predigt EG 288, 1-5 (Nun jauchzt dem Herren, alle Welt)
5. Predigt (Joh. 1,29-34)
Liebe Gemeinde,
man kann den Text dieses Sonntags wohl gar nicht predigen, ohne das Bild des Isenheimer Altars vor Augen zu haben.
Matthias Grünewald hat auf seinem Bild die Täufergestalt dieses Johannes unters Kreuz Jesu gestellt. Mit einem überlangen Zeigefinger weist er unübersehbar auf den Gekreuzigten hin; „Siehe, das ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.“
Und am Fuße eben dieses Kreuzes steht ein kleines Lämmchen, das eine Siegesstandarte hält.
Es geht in unserem Predigttext um Zeugenschaft. „Nicht ich, sondern dieser!“ Das zu verkündigen ist der Auftrag des Täufers. Johannes der Täufer ist der Fleisch gewordene Verweis auf den Gottessohn, auf den Gekreuzigten.
Die Kunst im Johannesevangelium besteht im Weglassen. Mit wenigen Strichen zeichnet der Evangelienschreiber sein Bild von Jesus als dem Gottessohn. In aller Kürze verweist er auf den, der immer schon war, auf den, der gekommen ist, auf den von Gott gesandten Jesus.
Indem die Täufergestalt, die ja so merkwürdig auf der Schwelle der beiden Testamente steht, zwischen altem und neuem Bund, auf den gekommenen Jesus hinweist, macht sie unübersehbar deutlich: Hier an dieser Stelle wird Gottes Plan mit dieser Welt und mit dem Menschen offenbar.
Und zu diesem Jesus von Nazareth bekennt sich Gott selbst.
Bei dessen Taufe hat Johannes den Geist Gottes in Form einer Taube auf Jesus niederkommen sehen; und mit Jesu Taufe wird sein ganzes Taufen vorläufig und bekommt endgültigen Hinweischarakter.
Zeuge sein, wie Johannes das ist, hat Hinweischarakter. „Siehe, das ist das Lamm Gottes …“ Johannes weist in seiner Sendung über sich hinaus auf den, der von Gott gesandt ist.
Zeuge sein setzt jedoch voraus, dass der Zeuge von sich selbst absehen kann. Dass er seinen eigenen Auftrag genau kennt und damit aber auch seine Grenzen. Mit dem Erscheinen Jesu wird für den Täufer deutlich, was sein Auftrag ist; wo er beginnt, aber vor allem auch, wo und wann er endet.
Johannes steht im Text für das, was unser eigener Auftrag als Christenmenschen ist und was der Dienst der Kirche überhaupt ist.
In der Stadtkirche von Wittenberg ist das Bild des predigenden Martin Luther zu sehen. Lukas Cranach hat es gemalt. Da steht Luther auf der Kanzel und mit ausgestrecktem Arm und dem Zeige- und Mittelfinger zusammen haltend, weist er auf den Gekreuzigten hin. Genau das ist der Auftrag einer reformatorischen Kirche. Nicht mehr - aber auch nicht weniger. „Solus Christus“ – Christus allein zu bezeugen!
Gegenwärtig jedoch erleben wir landauf landab eine Kirche, die ganz vehement nach ihrem Auftrag sucht. Eine Kirche in einer Gesellschaft, die in all ihrer Ausdifferenzierung und Segmentierung durchaus ihr Interesse an Kirche neu entdeckt.
Wir erleben, wie in Gemeinden und Dekanaten – freilich unter dem Druck immer geringerer finanzieller Zuweisungen - an einem erkennbaren Profil gearbeitet werden soll. Das Wort der Prioritätendiskussion geistert in diesem Zusammenhang durch die kirchliche Landschaft. Lobbygruppen machen mit Vehemenz und möglichst hoher öffentlicher Präsenz auf sich aufmerksam, immer darum bemüht aufzuzeigen, warum ihr Arbeitszweig in Kirche auch in Zukunft unverzichtbar sein wird. (– Und das ist auch ihr gutes Recht. Im andern Fall dürfte es sie nämlich schon heute gar nicht mehr geben … -)
Oft gewinne ich jedoch den Eindruck, dass bei diesen Gesprächen und Argumentationsketten der Zeigefinger derer, die über Kirche und Gemeinde reden sich immer wieder auf sie selbst richtet. Immer bemüht, eigene Interessen durchzusetzen.
Da wird auf Interessengruppen und –verbände hingewiesen, da wird das Augenmerk auf öffentliche Erkennbarkeit gerichtet und notwendige politische Ansprechbarkeit gepredigt.
Da werden Aufträge an Kirche und Gemeinde definiert mit Blick auf Randgruppen und Kerngemeinde, da wird Bildung gegen Gemeindepädagogik oder Ökumene gegen gesellschaftliche Verantwortung abgewogen.
Nicht dass wir uns missverstehen: Es ist eine große Chance für Kirche und Gemeinde, wenn sie diese Diskussion führen kann und überlegen darf, was ihr Auftrag ist und wie sie ihn erfüllen kann. Dies kann zur Vergewisserung führen und im besten Fall auch zu einer höheren Effizienz.
Aber sie darf nicht darüber hinweggehen, dass wir mit dem Erscheinen des Gottessohnes bereits einen klaren Auftrag haben, dem sich alle anderen Felder unseres Kircheseins, des eigenen Glaubens und Handelns unterzuordnen haben und an dem wir uns auszurichten haben: Das Bezeugen des von Gott gesandten Jesus von Nazareth.
Es geht also um die Zeugenschaft unseres eigenen Glaubens und der Kirche überhaupt. In ihrem Lichte sind alle (anderen) Prioritäten zu bewerten und einzuordnen, weil das Zeugnis von Jesus unser Auftrag ist und weil die Welt dieses Zeugnis braucht!
Es ist Johannes, der gegen eine Welt der Macher und Selbstverwirklicher und in eine Gesellschaft der Vereinzelung und der Ich-Gefälligkeiten das Bild des Gotteslammes stellt.
Dass ich für alles verantwortlich sein und alles selbst gestaltend leisten soll, das setzt mich unter einen nicht zu ertragenden Druck und verlangt nicht selten Opfer. Opfer, die der Glaube an den Gott der Bibel ablehnt und nicht will.
Und das macht auch vor Kirche und vor unseren Gemeinden nicht halt:
- Da ist der Dauerarbeitslose, der aufgrund seines Alters keinen Job mehr findet, obwohl unsere Gesellschaft dies von ihm doch erwartet.
- Da ist die Rentnerin, die am Ende ihres Arbeitslebens eine Armutsrente bezieht und sich alleine nicht traut, Hilfe in Anspruch zu nehmen,
- Da ist der junge Mensch, der immer wieder gesagt bekommt, private Vorsorge zu treffen sei für die Zukunft wichtig. Dabei weiß er heute nicht einmal, wie es nach seinem Studium überhaupt weitergeht.
- Da ist die alleinerziehende Mutter, deren finanzielle Situation es nicht zulässt, dass ihr Kind mit auf die Konfirmandenfreizeit fährt.
Der Ruf, sich selbst verantwortlich zu kümmern und für sich zu sorgen wird in Zeiten immer stärkerer Individualisierung und zu Zeiten immer kleiner werdender Spielräume für nicht wenige Menschen zum Fluch und zur Last ihres eigenen Lebens.
Und sie empfinden das auch so und sprechen es aus.
Diese Welt braucht das Zeugnis vom gekommenen Gottessohn und sie braucht die Zeugen, die auf das Opfer des Lammes Gottes hinweisen; die absehen von sich und die hinweisen auf den, der schon längst gekommen ist.
Natürlich fragen wir heute: Wer sollte es sich leisten können, wie ein Johannes zurückzustehen in einer Zeit, in der man das eigene Leben immer wieder neu entwerfen und gestalten muss?! Aber Johannes ist einer, der seinen Auftrag sieht im Hinweis auf einen anderen und der dessen Opfer den Menschen seiner Zeit entgegenhält!
Und wie entlastend ist auch für unsere Gesellschaft das Zeugnis, das er uns damit vor Augen stellt: Jesus ist im Kommen!
Wie gut das zu hören in einer Welt, in der sich so viel verändert und vergeht und in der so viel vom Einzelnen erwartet wird - auch an Opfern.
In einer Kirche, die viel von dem, was wir gewohnt waren mit ihr zu verbinden, sein lassen muss oder in anderes überführt.
In einer Gemeinde, in der die verbleibenden Mitarbeiter sich aufopfern um leisten zu können, was sie sich zu leisten vorgenommen haben ...
Über all dem steht und gilt: Jesus ist im Kommen!
Ich muss es gar nicht immer leisten. Ich brauche gar nicht alles selbst zu bringen. Die Forderungen, die an mich gestellt werden und die ich häufig selbst an mich richte, muss ich weder stellen, noch sie erfüllen. Wie Johannes darf ich es lernen, von mir abzusehen und auf „den Anderen“ hinzublicken. Nicht ich, sondern der andere – der Gottessohn!
Die Reformatoren haben dieses Lebens- und Glaubensprinzip das „extra nos“ des Evangeliums genannt. Was zum Leben notwendig ist, hat schon ein anderer für mich erwirkt: Dass Gott sich um mich und um mein Heilsein, um meine Bedürfnisse und mein Leben schon längst außerhalb meiner und vor meiner Lebenszeit gekümmert hat, das ist die Botschaft und das Zeugnis unseres Glaubens für die Kirche und in der Welt.
Und das alles in dem Gotteslamm, das Johannes in dem gesandten Sohn Gottes erkennt.
Johannes der Täufer weicht dem nicht aus. Er nimmt seinen – begrenzten - Auftrag ernst und bezeugt den, „der eher war, als ich“ (1,15).
Sein ausgestreckter Zeigefinger deutet mit dem Predigttext auf den Mann hin, der mich und diese Welt schützt vor jeder Selbstüberforderung und Selbstanbetung. Er weist auf den, der mit dem Heiligen Geist tauft, weil er der ist, der frei macht.
Johannes weist mit dem Erscheinen Jesu unübersehbar mit geradezu überlangem Zeigefinger auf IHN hin. Sein Zeugnis in der Kirche und für die Welt: „Hier ist der Mann, der helfen kann!“ (EG 346,2) Amen
6. Lied nach der Predigt EG 346, 1-3 (Such wer da will ein ander Ziel
7. Schlusslied EG 441, 1-5.8 (Du höchstes Licht, du ewger Schein)
8. Abkündigungen
9. Segen - Gem.: Amen
10. Musik zum Ausgang
11.
Pfarrer: Volkhard Guth Böllerseeplatz 13 65428 Rüsselsheim
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).