Als Gottes Kinder leben
von Christoph Eichert (Halle)
Predigtdatum
:
10.01.2016
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
1. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle
:
Römer 12,1-3.(4-8)
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Wochenspruch:
"Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder." (Römer 8, 14)
Psalm: 89 i. A.
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 42, 1 - 4 (5 - 9)
Epistel: Römer 12, 1 - 3 (4 - 8)
Evangelium: Matthäus 3, 13 - 17
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 70, 1 - 3 Wie schön leuchtet der Morgenstern
Wochenlied: EG 441 Du höchstes Licht, ewiger Schein
Predigtlied: EG 268 Strahlen brechen viele
Schlusslied: EG 66, 5.8 Jesus ist kommen
Predigttext Römer 12, 1 - 3 (4 - 8)
„Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Denn ich sage euch durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied, und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Ist jemand prophetische Rede gegeben, so über er sie dem Glauben gemäß. Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er. Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er. Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er’s gerne.“
Liebe Gemeinde,
wenn man den Prognosen glauben darf, dann kommen keine rosigen Zeiten auf die Kirche zu. Auch eine jüngste religionssoziologische Studie hat das vor einigen Monaten wieder bestätigt. Es gibt kaum noch Jüngere, und die Alten sterben langsam weg. So ist das zumindest in vielen Gemeinden, gerade in ländlichen Regionen. Das zeigt sich auch im Gottesdienstbesuch. Und auch finanziell werden die Zeiten immer schwieriger: Mittelfristig nehmen die Kirchensteuereinnahmen weiter ab. Stellen müssen eingespart werden. Die Pfarrbereiche werden immer größer. Kurz und gut: Kein strahlend blauer Himmel wölbt sich über der Kirche. Eher ziehen dunkle Wolken heran.
Ein ganz anderes Bild beschreibt Paulus im Hinblick auf die Gemeinde in Rom, so um das Jahr 60 nach Christus. Da herrscht Aufbruchsstimmung. Die Gemeinde wächst rasant, und es gibt die vielfältigsten Aktivitäten. Paulus scheint sogar bremsen zu müssen: Keiner soll sich zu viel anmaßen und nur das tun, wozu er wirklich begabt ist. Man solle doch bitte „im Maß des Glaubens“ bleiben, das Gott einem zugeteilt hat.
Trotzdem hatte Paulus nicht nur damals der Gemeinde in Rom etwas zu sagen. Was er schreibt, kann auch für uns heute eine Orientierung sein. Er gibt Hinweise, wie es weitergehen kann mit unserer Kirche und in unseren Gemeinden. Und wenn wir lesen, was in der römischen Gemeinde alles geschieht, dann merken wir, dass bei uns auch eine Menge da ist, trotz aller Klagen und Schwierigkeiten. Viele Ansätze können sich weiterentwickeln und wachsen. Lassen Sie uns dazu den Text etwas genauer anschauen.
„Weil euch Gott so viel Gutes erwiesen hat, bitte ich euch nun, Schwestern und Brüder: Setzt euch selbst ganz ein – als eine lebendige, heilige, Gott gefällige Opfergabe. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.“, schreibt Paulus sinngemäß. Damals in Rom gab es verschiedene Religionen nebeneinander, und es wurden die verschiedensten Götter angebetet. Auch Tiere wurden als Opfer dargebracht. Paulus meint dazu: Ihr sollt nicht dieses oder jenes opfern, nicht irgendein Tier oder einen Gegenstand. Ihr sollt euch selbst einsetzen und engagieren mit eurer ganzen Person. Dann wächst ein gutes Gemeindeleben. Dann entsteht ein vernünftiger Gottesdienst.
Sich selbst ganz einbringen mit seiner Kraft, mit seiner Zeit, mit seinen Fähigkeiten und Erfahrungen – gewiss ist das eines der Erfolgsrezepte der Gemeinde in Rom und der jungen Christenheit in den ersten Jahrzehnten. Aber passt das noch in unsere Zeit? Sich engagieren und einsetzen, Kraft und Zeit investieren und Opfer bringen, ohne einen müden Euro dafür zu bekommen? Tun das nicht höchstens ein paar unverbesserliche Enthusiasten, die von irgendeiner Idee besessen und begeistert sind?
Allerdings, ein solches Engagement passte auch damals schon nicht richtig ins Weltbild. Denn sonst würde Paulus nicht sinngemäß schreiben: „Und passt euch nicht den Maßstäben dieser Zeit an. Sondern lasst euch verwandeln, damit euer Denken erneuert wird.“ Ein erneuertes, verwandeltes Denken, was den Maßstäben der Leute um uns herum manchmal auch widerspricht – gerade das kann sich lohnen, meint Paulus. Es stimmt: Wir bekommen nichts für unser Engagement in der Gemeinde, keinen Lohn und keinerlei Vorteile. Aber wenn wir mit unserer Kraft und unserem Einsatz etwas zum Blühen bringen, dann empfangen wir auch. Wir sehen, was wir Gutes bewirkt haben und freuen uns darüber. Wir merken, dass wir wichtig sind und gebraucht werden.
Und Paulus hat noch weitere Tipps für die Gemeinde in Rom. Er schreibt: „Niemand soll sich über andere erheben und höher von sich denken, als es angemessen ist. Haltet euch an das Maß des Glaubens, das Gott einem jeden zugeteilt hat.“ Dass sich einer über den anderen erhebt, mag in manchen Gemeinden ein Problem sein. In der Kirche gibt es aber auch oft das Gegenteil: Dass sich einer unter den anderen stellt. Dass wir uns kleiner machen, als wir sind. Vielleicht schossen die Christen in Rom vor lauter Enthusiasmus über‘s Ziel hinaus. Deswegen mahnt Paulus zu Zurückhaltung und Besonnenheit. Aber ob unser „Maß des Glaubens“ schon ausgeschöpft ist? Ob wir unsere Gaben, die Gott uns zugeteilt hat, schon voll entfaltet haben? Vielleicht gibt es hier noch manchen verborgenen Schatz zu heben!
Paulus gebraucht nun ein Bild, um das Leben der Gemeinde zu beschreiben: Sie ist wie ein menschlicher Körper, dessen einzelne Glieder unterschiedliche Aufgaben erfüllen müssen, wenn der ganze Organismus funktionieren soll. Entsprechend schlussfolgert er (etwas moderner übersetzt): „Durch Gottes Gnade haben wir Gaben empfangen, die ganz verschieden sind: Manche können prophetische Weisungen erteilen, sie sollen es in Übereinstimmung mit dem Glauben tun. Andere können praktische Aufgaben übernehmen, dem sollen sie sich widmen. Wer die Gabe hat, die Gemeinde als Lehrer zu unterweisen, der soll das tun. Wer andere trösten und bestärken kann, der tue das. Wer mit anderen teilt, der tue das mit aufrichtigem Herzen. Wer der Gemeinde vorsteht, soll das mit Hingabe tun. Wer Notleidenden hilft, tue das mit Freude.“ - Diese Fülle kann einen erschlagen, und sie kann auch neidisch machen. Trotzdem glaube ich, wir alle, Sie und ich, können vieles von dem auch.
„Manche können prophetische Weisungen erteilen.“ – Bestimmt hat der eine oder die andere ein Gespür, was in einer konkreten Situation besprochen oder angepackt werden muss. Dann ist es gut, mit seiner Meinung nicht hinter’m Berg zu halten, zum Nutzen von uns allen.
„Andere können praktische Aufgaben übernehmen“ – den Christbaum besorgen und aufstellen zu Weihnachten. Die Kirche schmücken oder saubermachen. Den Kuchen backen für’s Gemeindefest. Manche Reparaturarbeiten. Da kann man nicht auf den Pfarrer warten oder auf’s Kreiskirchenamt. Viele Gemeindeveranstaltungen gelingen nur, wenn wir das selbst in Hand nehmen.
„Wer die Gabe hat, die Gemeinde zu lehren“ – auch das ist nicht etwa nur die Aufgabe des Pfarrers. Wenn Sie eine Meinung haben in Fragen des Glaubens, dann ist es wichtig, die zu äußern. Das macht das Gemeindeleben reicher. Und die Gespräche während der Bibelwoche und in Gesprächskreisen werden tiefer. Sie alle haben eine Menge Lebens- und Glaubenserfahrung, und es ist gut, die zu teilen.
Und auch das andere, was Paulus aufzählt in unserem Predigttext und an anderen Stellen: Menschen trösten und ermutigen, manchmal auch ermahnen und auf einen guten Weg bringen. Vom Eigenen abgeben und teilen, wo Not herrscht. Sich für Benachteiligte einsetzen. Kranke besuchen. Der Gemeinde vorstehen im Gemeindekirchenrat. Das alles sind wichtige Aufgaben, die zu einer lebendigen Gemeinde gehören.
Eines gefällt mir an dem Bild, das Paulus von der christlichen Gemeinde entwirft, besonders gut: Mit unseren Eigenarten und besonderen Fähigkeiten sind wir wie ein Organismus mit vielen Körperteilen. Da ist keins besser oder schlechter als das andere. Da ist keiner mehr oder weniger wichtig. Jeder ist gleich viel wert und kann seinen Teil beitragen. Auch die Pfarrerin, der Kirchenmusiker, der Gemeindepädagoge ist nicht etwa der Chef des Ganzen, sondern nur ein (wenn auch hauptamtlicher) Teil des Leibes.
Liebe Gemeinde, das ist auf der einen Seite die junge, aufblühende Gemeinde in Rom. Paulus muss sie sogar zur Mäßigung auffordern. Auf andere Seite ist unsere Kirche und sind unsere Gemeinden – weniger jung und weniger aufblühend. Im Gegenteil, wir kämpfen mit manchen Problemen. Doch uns verbindet dies: Wir sind wie ein Leib mit vielen Gliedern. Und jeder hat besondere Fähigkeiten und Möglichkeiten, die er, die sie einbringen kann. Wenn wir das von Paulus und der Gemeinde in Rom lernen, dann wird der Himmel über unserer Kirche nicht gleich strahlend blau sein. Doch er wird immer wieder aufreißen und neue, helle Horizonte zeigen.
Amen.
Tagesgebet
Du, unser Gott,
bist uns in Jesus Christus erschienen.
Sein Licht strahlt hell in unserem Leben.
Deshalb bitten wir Dich:
Belebe uns mit Deinem Geist,
dass wir ihm jetzt begegnen,
ihm folgen,
mit ihm Menschen froh machen
und Dich ehren
in Ewigkeit.
Amen.
Fürbittengebet
Gott unseres Lebens,
Du schenkst uns Gaben und Fähigkeiten,
die jeden von uns zu etwas Besonderem machen.
Hilf, dass wir diese Gaben entdecken und einsetzen –
zu unserem eigenen Wohl
und zum Wohl unserer Mitmenschen.
Gib uns ein Gespür dafür,
wenn Menschen unser Mitgefühl brauchen:
Dass wir zuhören.
Dass wir ein aufmunterndes Wort
oder ein freundliches Lächeln übrighaben.
Gib uns einen wachen Blick,
dass wir wahrnehmen,
wenn unsere Energie,
wenn unsere Tatkraft
und unsere Ideen gefragt sind:
Damit wir tun, was nur wir tun können.
Damit wir beitragen zu einer schöneren
und lebenswerten Welt.
Zeige uns auch,
wenn es wichtig ist,
von unserem Wohlstand abzugeben
und mit anderen zu teilen:
Dass wir die Ärmsten der Armen nicht übersehen.
Dass wir helfen, Not und Elend zu lindern.
Gott unseres Lebens,
Du schenkst uns Gaben und Fähigkeiten,
die uns zu etwas Besonderem machen.
Vielleicht sind bei manchen von uns
diese Gaben verschüttet.
Manche haben nur wenig Zutrauen zu sich selbst
und zu dem, was sie können.
Wir bitten Dich:
Lass uns entdecken und zur Entfaltung bringen,
was Du uns mitgegeben hast,
damit wir im Vertrauen auf Dich wachsen können.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Christoph Eichert
Robert-Blum-Str. 11a, 06114 Halle
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