Wochenspruch: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (Römer 8,14)
Psalm: 89,2-5.27-30
Reihe I: Josua 3,5-11.17
Reihe II: Matthäus 3,13-17
Reihe III: Römer 12,1-8
Reihe IV: Jesaja 42,1-9
Reihe V: Johannes 1,29-34
Reihe VI: 1. Korinther 1,26-31
Eingangslied: EG 66, 1-3 Jesus ist kommen
Wochenlied: EG 441 Du höchstes Licht
Predigtlied: EG+ 75 Wo Menschen sich vergessen
Schlusslied: EG 66, 7+8 Jesus ist kommen
13 Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe.
14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?
15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's ihm zu.
16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen.
17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Liebe Gemeinde,
ein Mann reitet durch die Wüste. Er sieht drei Menschen, die sehr traurig sind, und steigt von seinem Kamel. Sie erzählen, ihr Vater sei gestorben. Der Mann tröstet sie und sagt, der Vater habe ihnen doch sicher etwas hinterlassen. Die drei antworten: Ja, aber gerade darin liege das Problem: Er habe Ihnen 17 Kamele hinterlassen – und genaue Angaben, wie sie unter die drei Brüder aufgeteilt werden sollen: Der Älteste der drei bekomme die Hälfte. Der Zweitgeborene ein Drittel und der Jüngste ein Neuntel. Mit 17 Kamelen aber sei das unmöglich! 1
Ja, das Erbe der Väter kann zum Problem werden – auch in den Religionen: „Fundamentalismus“ nennen wir das Problem, wenn das Gesetz der Väter um jeden Preis und wortwörtlich erfüllt werden muss. Auch mit Gewalt. Koste es, was es wolle. Vermeintlich Ungläubige werden dabei oft schnell identifiziert. Manchmal betrifft dies Menschen außerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft, manchmal sind auch Personen innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft damit gemeint. Unsere jüngste Geschichte ist voll von solchen Beispielen, die dann eine verheerende Blutspur hinter sich herzogen.
Für die drei Brüder ist es noch fraglich, wie sie das Erbge-setzt ihres Vaters erfüllen sollen. Sie sind Rat-los.
Szenenwechsel: Weihnachten ist noch nicht lange vorbei – aber wir springen heute sozusagen zum erwachsenen Jesus. Gehen zu der Zeit, als auch Johannes der Täufer unterwegs ist. – Der ruft: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet seine Pfade!“ Archaisch tritt er auf: Kamelhaarmantel und Lendenschurz aus Leder, Heuschrecken und Wildhonig als Nahrung. Ein Prophet, wahrhaftig! Die Menschen laufen ihm nach – sie bekennen ihre Sünden und lassen sich von ihm im Jordan taufen.
Aber wehe, wer nur mit den Lippen bekennt und nicht mit der Tat (V 7 b f.10): „Ihr Schlangenbrut“, ruft Johannes der Täufer den Menschen entgegen, „Ihr Schlangenbrut - wer hat euch auf den Gedanken gebracht, ihr könntet dem kommenden Gericht entgehen? Bringt Frucht, die zeigt, dass es euch mit der Umkehr ernst ist. Die Axt ist schon an die Wurzel der Bäume gelegt, und jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen!“
Ein „richtiger“ Prophet ist das! Einer, der den Menschen ins Gewissen redet, Umkehr verlangt, die alte, wahre Ordnung Gottes mit Macht und Charisma anruft. Dann heißt es [Predigttext Mt. 3, 13 - 17 lesen]:
13 Auch Jesus kam aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen.
14 Johannes wehrte sich entschieden dagegen: »Ich hätte es nötig, mich von dir taufen zu lassen, und du kommst zu mir?«
15 Aber Jesus gab ihm zur Antwort: »Lass es geschehen! Es ist richtig so, denn wir sollen alles erfüllen, was Gottes Gerechtigkeit fordert.« Da willigte Johannes ein.
16 In dem Augenblick, als Jesus nach seiner Taufe aus dem Wasser stieg, öffnete sich über ihm der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.
17 Und aus dem Himmel sprach eine Stimme: »Dies ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude.«“
[Neue Genfer Übersetzung]
Ein kurzer Wortwechsel, hinter dem sich viel verbirgt: „Du kommst zu mir? – Ich sollte zu Dir kommen“! „Lass es geschehen, mach einfach – denn so erfüllt sich das, was Gottes Gerechtigkeit fordert!“
Eine heftige theologische Auseinandersetzung im 1. Jh. steckt hinter diesen Sätzen: Welcher Weg ist der richtige Weg zu Gott? Auf welchen Gott dürfen, ja müssen wir bauen und hoffen:
Wie gesagt: Eine heftige theologische Auseinandersetzung steckt hinter dieser kleinen Szene, in der das Matthäus-Evangelium die Taufe Jesu erzählt: Ist Gott ein strafender, eifernder Gott, der Taten verlangt und am besten alles Heidnische ausmerzt? Oder ist Gott ein Gott der Gnade, der Leben aus seiner Gnade und Zuwendung heraus schenkt?
Im Christentum des 1. Jh. setzt sich die Jesus-Jünger-Fraktion durch, wie wir gehört haben: Jesus stellt sich in die Reihe der Sünder, die die Taufe begehren – er macht deutlich: „Ich bin einer von euch: Einer, der Umkehr, Vergebung und Neuanfang braucht!“ Doch dann öffnet sich der Himmel: Das Christentum bleibt nicht im Ruf nach Umkehr stecken. Die Vorzeichen ändern sich: Noch bevor der zur Umkehr bereite Jesus fromm und treu das Gesetz der Väter ganz befolgt, noch bevor sein Leben ganz zur Tat wird und sich so selbst rechtfertigt, öffnet sich schon der Himmel und die Stimme Gottes nimmt ihn an, den demütigen Sünder, der in der Reihe der Unvollkommenen steht: „Dies ist mein lieber Sohn, an ihm habe ich Freude“!
Gottes Gnade steht über aller Vollkommenheit! Gottes Gnade gilt der Demut – vor aller Leistung, vor allem Kampf, vor allem „Recht haben“, vor allem „Gottes Gerechtigkeit mit aller Gewalt selbst herbeiführen“. Gottes Gerechtigkeit ist schon da: Mitten unter uns! „Liebe und Zuwendung haben Vorrang bei Gott“ – das ist der Botschaft der Taufe Jesu, wie sie Matthäus im 3. Kapitel seines Evangeliums festhält. Für Jesus und für alle, die in seinem Namen getauft werden sollen: „Liebe und Zuwendung haben Vorrang bei Gott“!
Ob ein „Kamel“ sterben muss, um den Willen des Vaters zu erfüllen? Ob vermeintlich Ungläubige in Paris, in Berlin, in London, … 2 - und anderswo sterben müssen, damit der Gott der Väter zu seiner Gerechtigkeit kommt?
Der Mann in der Wüste ist offenbar kein Fundamentalist mit dem Schlachtermesser im Gürtel. Er ist gnädig gegenüber den 3 Söhnen mit ihren 17 Kamelen, die sie nicht nach dem Willen des Vaters aufgeteilt bekommen. Es heißt: „Der Mann überlegt und meint lächelnd: »Nehmt mein Kamel dazu, dann wird es funktionieren.« So bekam von den 18 Kamelen der älteste Bruder die Hälfte, also neun. Der mittlere Bruder bekam ein Drittel, also sechs, und der jüngste ein Neuntel, also zwei Kamele. Ein Kamel blieb übrig - das Kamel des fremden Mannes. Er grüßte, stieg auf und ritt seines Weges.“ 1
Ich weiß nicht, wie das mathematisch funktioniert – aber ich merke staunend, dass es funktioniert! Es ist wie eine andere Wirklichkeit, die funktioniert! So begegnet mir Gott: Er gibt sich, ohne sich dabei zu verlieren. Wunder-bar ist das. Jesus sagt in Demut „Lass es geschehen“ – und der Himmel öffnet sich: Ohne Axt und Worfschaufel – aber voller Liebe und Zuwendung zu dem, der seine Nähe sucht! Eine Wunder-bare andere Wirklichkeit ist das, die funktioniert!
Und der Friede Gottes …
Verfasser: Pfarrer Theo Günther, Bantzerweg 1, 36304 Alsfeld
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Anmerkungen:
1 nach Paul Watzlawick, gefunden in Andere Zeiten, 1/2015, 24
2 [hier ggf. eigene Erinnerungen an ein fundamentalistisches Attentat der näheren Vergangenheit erinnern. Ich erinnere verkürzt an den Anschlag auf Charly Hebdot in Paris oder die Attentate am Ber-liner Breitscheitplatz oder die Amokfahrt in London, die vielen Menschen noch in böser Erinnerung sind – auch an eins der zuletzt mehrfach verübten Attentate amerikanisch-nationalistischer Rechtsextremisten könnte erinnert werden.]
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