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Als Gottes Kinder leben

von Michael Heymel (64291 Darmstadt)

Predigtdatum : 10.01.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Römer 12,1-3.(4-8)
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Wochenspruch:

„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder (Römer 8, 14)

Psalm: 89 in Auswahl

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 42, 1 – 4 (5 – 9)
Epistel:
Römer 12, 1 – 3 (4 – 8)
Evangelium:
Matthäus 3, 13 – 17

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 66
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude
Wochenlied:
EG 441
Du höchste Licht, ewiger Schein
Predigtlied:
EG 409
Gott liebt diese Welt
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten: Komm und segne uns

Hinführung:

Die Predigt konzentriert sich auf die ersten drei Verse des Predigt-textes. Sie kreist um die Frage: Was bedeutet es eigentlich, Gott zu dienen? Die Antwort darauf wird in drei Schritten gesucht. Gottesdienst ist mehr als eine Stunde am Sonntag. Die Aufgabe für Gott da zu sein, stellt sich jeden Tag neu. Und dabei sind wir jedes Mal neu herausgefordert, Gottes Anliegen gerecht zu werden.


Liebe Gemeinde!

Wann ist der Gottesdienst zu Ende? Nach der messbaren Zeit voraussichtlich kurz vor elf Uhr.

Aber lässt sich Gottesdienst mit der Uhr messen? Wenn wir damit nur die kirchliche Feier des Gottesdienstes meinen, ja. Denn das, was wir hier gemeinsam tun, hat seine bestimmte Zeit. Es ist eine Veranstaltung, die zeitlich klar begrenzt ist. Sie hat einen Anfang und ein Ende, Glockengeläut und Orgelspiel.

Beschränkt sich unser Gottesdienst also auf eine Stunde am Sonntagvormittag? Dann würden wir Gott lediglich durch die Teilnahme an einer kirchlichen Feier dienen. Wir würden ein Pensum ableisten. Eine kleine Zeiteinheit wäre dann für Gott „reserviert“.

Und was ist mit der restlichen Zeit? Dienen wir da nicht Gott? Das wäre die weit überwiegende Zeit unseres Lebens. Sie wäre dann „gottesdienstfrei“.

Was ist das für eine Vorstellung von Gottesdienst? Wir beschränken die Sache ganz und gar auf äußerliche Teilnahme an einer Sonntagsveranstaltung. Und das war’s dann.

Aber womöglich denken wir verkehrt. Vielleicht ist das eine falsche Vorstellung, die nur am äußerlichen Vorgang haftet.

Was macht uns so sicher, dass wir in dieser Stunde hier in der Kirche wirklich Gott dienen? Woher wollen wir das wissen? Vielleicht tun wir Ihm ja damit gar keinen Gefallen. Ein Mensch, der körperlich anwesend ist, aber mit seinen Gedanken irgendwo anders spazieren geht: dient der Gott? Vielleicht dienen wir irgend jemand, indem wir hierher in die Kirche kommen, aber nicht Ihm.

Wodurch wird unsere Anwesenheit hier in der Kirche zu einem Gottesdienst? Durch die Worte, die gesprochen werden? Durch die Lieder, die wir singen? Durch Lesungen aus der Bibel? Durch das Hören der Predigt? Oder kommt es da noch auf etwas anderes an?

Das alles gehört zwar zur Feier eines Gottesdienstes der Gemeinde. Aber reicht schon das Dabeisein, um sagen zu können: „In dieser Stunde habe ich Gott gedient?“

Wenn Gottesdienst nur der äußere Vorgang wäre, wenn er nur aus den Handlungen bestünde, die nach einer bestimmten Ordnung vollzogen werden – dann könnten wir behaupten, dass schon die bloße Teilnahme daran genügt.

Engländer und US-Amerikaner gebrauchen für Gottesdienst das nüchterne Wort „service“. Das heißt einfach: Dienst, Dienstleistung. Und dabei bleibt offen, wer hier eigentlich wem dient, worin der Dienst besteht, und wie man ihn ausübt. Wer daran teilnimmt, wird schon merken, worauf er sich eingelassen hat.

Aber was ist das für ein Gottesdienst, bei dem es gar keine Rolle spielt, ob ich mit dem Herzen dabei bin? Ja, noch ärger: bei dem anscheinend sogar Gottes Gegenwart gleichgültig ist? Das wäre doch eine völlig unpersönliche Sache. Schlimmer: Das wäre Gotteslästerung, Missbrauch Seines Namens.

Womöglich beginnt der eigentliche Gottesdienst erst nach dem Segen, wenn wir alle aus der Kirche wieder nach Hause gehen. Wie, wenn Gottesdienst etwas wäre, womit man überhaupt nicht fertig wird? Etwas, was sich nicht einfach zu Ende bringen lässt? Womit man zu tun hat, so lange man lebt?

Der Apostel Paulus, den wir heute zu uns reden lassen wollen, hat mehr im Sinn als nur den Sonntagvormittag, wenn er vom Gottesdienst spricht. Dazu gehört der Sonntag, der Feiertag wohl auch, aber es geht dabei doch um sehr viel mehr. Paulus nennt nämlich drei Schritte, die jeder zu gehen hat. Erst dadurch, dass wir diese drei Schritte gehen, erfassen wir, was Gottesdienst ausmacht:

1. Die Hingabe des Leibes zu einem lebendigen, heiligen und Gott wohlgefälligen Opfer.
2. Die Erneuerung des Denkens durch das Gute, Gott Wohlgefällige und Vollkommene. Und:
3. Die Rückkehr zum menschlichen Maß.

Liebe Gemeinde, gehen wir diese drei Schritte einmal nacheinander in Gedanken mit! Womöglich fangen wir dann an, zu verstehen, was das heißt: Gott zu dienen.

Gottesdienst fordert den lebendigen Menschen mit allen seinen Kräften: mit Herz, Sinn und Verstand. Der erste Schritt ist also, dass wir mit unserem ganzen Leben, mit unserer Lebendigkeit für Gott da sind. Ein heiliges Opfer kann nur eines sein, das der Heiligkeit Gottes entspricht. Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott, heißt es im 3. Buch Mose (19,2).

Hier wird ein Anspruch auf das ganze Leben erhoben, nicht nur auf besondere Lebensbereiche, sondern ungeteilt und alles um-fassend. Gott erwartet, dass wir uns Ihm ganz hingeben, uns mit unserem Leib Ihm überlassen, damit Er mit uns tun kann, was Er will. Er will nicht nur etwas von uns, sondern Er will uns selber.

Angenehm und wohlgefällig kann dieses Opfer für Gott nur dann sein, wenn es gerne gegeben wird, also in Freiheit dargebracht wird. Wenn jemand meint: „Ich muss zum Gottesdienst gehen“, oder: „Ich muss für Gott etwas Gutes tun“, dann ist das nicht nur für den Menschen unangenehm. Es ist auch kein Dienst, der Gott gefällt.

Der erste Schritt, um wirklich Ihm zu dienen, heißt: Frage dich selbst, ob du aus freien Stücken und gerne für Gott da sein willst! Nur das ist ein Opfer, das dem Leben dient und dem Schöpfer allen Lebens gefällt. Ein „vernünftiger“ oder besser: ein dem göttlichen Wort entsprechender Gottesdienst kann nur in freier, ungezwungener Hingabe erfolgen.

Jetzt versuchen wir es mit dem zweiten Schritt. Gott zu dienen erfordert, dass wir unser Denken erneuern. Und zwar ständig, immer wieder. Stellt euch nicht dieser Welt gleich! Das heißt: Passt euch nicht an! Unterwerft euch keinem Schema, das euch vorschreibt: „Nur so ist es richtig! So haben wir’s schon immer gemacht.“ Schwimmt nicht mit dem Strom, heult nicht mit den Wölfen! Lasst euch nicht beeindrucken von der Masse der Leute, die für oder gegen etwas ihre Stimme erheben!

Liebe Gemeinde, nicht wahr, das ist eine Forderung, die sehr schwer zu erfüllen ist. Im Grunde schaffen wir es nicht unser Denken aus eigener Kraft ständig zu erneuern, unabhängig von Trends und Denk-gewohnheiten zu denken. Wir hängen an manchen liebgewordenen Ansichten, wir haben von bestimmten Din-gen feste Vorstellungen, die wir nicht leicht aufgeben.

Wenn wir unser Denken ändern wollen, kommen wir immer wieder an Grenzen. Aber viele Menschen trauen sich gar nicht ihr Denken zu ändern. Sie haben Angst davor, von den Denk-weisen und anerkannten Meinungen der Mehrheit abzuweichen. Das hindert sie daran zu erkennen, was Gott von ihnen will.

Nun fordert Paulus aber, richtig verstanden, nicht von uns, dass wir etwas leisten sollen, was über unsere Kräfte geht. Denn er sagt wörtlich: L a s s t e u c h umgestalten durch Erneuerung des Denkens!

In der Begegnung mit Gott werden wir erneuert! Die Chance des Gottesdienstes besteht genau darin, dass ich hier das eigene Leben mit Gott in Kontakt bringe und etwas erfahre, was ich selber von mir aus nie gedacht hätte. Und dadurch ermöglicht mir die Feier des Gottesdienstes nach dem Willen Gottes für mein Leben heute zu fragen. Was das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene ist, weiß ich nicht allgemein im Voraus. Aber ich kann es erkennen, wenn ich etwas von Gott zu hören bekomme, was mich zu einem neuen Fragen und Nachdenken herausfordert.

Nun wird diese Chance des Gottesdienstes nicht von jedem wahrgenommen. Viele sagen: „Ich muss nicht unbedingt in die Kirche gehen, um Gott zu dienen. Das kann ich auch auf andere Weise tun.“ Was ist davon zu halten? Natürlich beschränkt sich Gottesdienst nicht auf eine kirchliche Feier. Es stimmt auch, dass man auf verschiedene Arten Gott dienen kann.

Das kann aber auch eine Ausflucht sein, mit der man sich den Anspruch Gottes auf das eigene Leben vom Leibe hält. Viele wollen einfach selbst bestimmen, wie sie leben. Sie sind gar nicht darauf vorbereitet, sich mit Gott einzulassen. Ganz für Ihn da sein, sich von Ihm zu völlig neuen Gedanken herausfordern lassen? Davor scheuen viele eher zurück.

Lieber benutzt man die Kirche als eine Art ALDI-Laden. Man nimmt die interessantesten Angebote mit, lässt die Gebote beiseite, bezahlt an der Kasse und erwartet dafür eine prompte Dienstleistung. Dann guckt man im nächsten Laden, was die Astrologie so anbietet und was es bei der Psychotherapie oder beim Buddhismus gibt – und entscheidet sich nächste Woche wieder neu.

Darin mag ein gewisser Reiz und eine Verlockung liegen: sich selber seine Religion zusammenzubasteln, so wie man sie gerade braucht. Aber sich Gott hingeben – das ist etwas anderes. Da verändern sich die Maßstäbe.

Der dritte Schritt, den ich zu gehen habe, wenn ich wirklich Gott dienen will, ist die Rückkehr zum menschlichen Maß. In der modernen Form von Religion – nennen wir sie der Einfachheit halber: ALDI-Religion – geht es nur um die Frage: „Was brauche ich diese Woche aus dem Angebot?“ Wenn aber Gottesdienst darin besteht, dass ich mich mit meinem ganzen Leben Tag für Tag von Gott beanspruchen lasse, dann sind meine Bedürfnisse nicht das Wichtigste. Die moderne Religion beruht auf einer maßlosen Selbstbeschätzung. Sie schmeichelt mir, indem sie mir einflüstert: „Deine Bedürfnisse sind das Allerwichtigste auf der Welt.“

Wir sind auf den Namen eines Gottes getauft, der sich aller Menschen erbarmt. Ihm liegt an meinem Nächsten genauso viel wie an mir. Das Wichtigste in unserem Leben soll Gottes Anliegen sein.

Wer das beherzigt, der meint nicht, dass er mit hochfliegenden Gedanken Gott dienen könnte. Der dritte und letzte Schritt verlangt im Gegenteil Bodenhaftung. Er verlangt Besonnenheit. Ich bin besonnen, wenn ich mir nichts anmaße, was über die Kraft meines Glaubens hinausgeht. Wenn ich meine Verantwortung wahrnehme. Dann werde ich auch von meinem Mitmenschen nicht mehr erwarten, als dass er verantwortlich handelt, nach dem Maß seines Glaubens.

Je mehr du verstehst, was es heißt, Gott zu dienen, desto beschei-dener und maßvoller wirst du mit Forderungen an andere. Du fragst dich jeden Tag neu: „Wie kann ich Gottes Anliegen gerecht werden?“ Wer von uns will behaupten, dass er damit jemals an ein Ende kommt?


Verfasser: Pfarrer Dr. Michael Heymel, Schulzengasse 9, 64291 Darmstadt

Herausgegeben vom

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