Am Tisch des Herrn
von Karsten Müller (Halle /Saale)
Predigtdatum
:
17.04.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Palmsonntag
Textstelle
:
Hebräer 2,10-18
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Wochenspruch:
Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr. Psalm 111, 4
Psalm: Psalm 111
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 12, 1.3 - 4.6 - 7.11 - 14
Epistel: 1. Korinther 11, 23 - 26
Evangelium: Johannes 13, 1 - 15 (34.35)
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 161 Liebster Jesu, wir sind hier
Wochenlied: EG 223 Das Wort geht von dem Vater aus
Predigtlied: EG 87, 1 - 3 + 6 Du großer Schmerzensmann
Schlusslied: EG 93 Nun gehören unsre Herzen
Hinführung
Von den Texten, die am Gründonnerstag zu predigen sind, ist der Abschnitt aus dem Hebräerbrief wohl der am schwersten verständliche.
Darum schlage ich eine „Homilie“ vor, eine Auslegung, die den Text Abschnitt für Abschnitt erklärt. Vor der Predigt soll der Text im Ganzen gelesen werden, damit der Hörer nicht nur die Einzelstücke wahrnimmt.
Die Auslegung konzentriert sich auf den Gedanken des Menschseins Gottes in Jesus und versucht, den Kreuzestod aus dieser Perspektive her zu verstehen.
Predigt
Liebe Gemeinde,
jeder Glaube hat einen Schwerpunkt, etwas was für die Glaubenden in der Mitte steht, worin sie sich in den verschiedenen Konfessionen oder Richtungen einer Religion ziemlich einig sind.
Das ist an den drei großen Weltreligionen zu sehen. Die Juden warten auf den Messias, den Erlöser. Manche sagen, dass er kommt, wenn alle Juden in der Welt alle Gebote und Verbote der Thora halten.
Die Muslime konzentrieren sich ganz darauf, dass Gott einer ist und dass es einen Propheten gegeben hat, der den Menschen Gott – Allah – neu nahe gebracht hat.
Für uns Christen ist der Erlöser schon da: Jesus. Gott ist für uns nicht etwas fernes, sondern er ist Mensch geworden in dem Menschen Jesus aus Nazareth. Er ist in allem wie wir – nur ohne Sünde.
In allem wie wir ist er. Das gilt auch für den Tod. Juden und Muslime schütteln den Kopf: Wie kann einer Gott sein, wenn er stirbt? Auch für uns Christen ist das nicht einfach zu verstehen, vor allem, wenn wir an die Art des Todes von Jesus denken. Hätte Gott-Vater das nicht anders regeln können?
Unser Predigttext aus dem Hebräerbrief nimmt diese Fragen auf. Weil die Fragen nicht einfach sind, sind es die Antworten auch nicht. Darum wollen wir jetzt auf den Text im Ganzen hören und ihn dann abschnittsweise bedenken:
Wir lesen im Hebräerbrief im 2. Kapitel:
Hier wird der ganze Predigttext verlesen
Das sind schwere, gewichtige Gedanken. Versuchen wir ihnen nachzugehen:
10 Denn es ziemte sich für den, um dessentwillen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind, dass er den, der viele Söhne zur Herrlichkeit geführt hat, den Anfänger ihres Heils, durch Leiden vollendete.
Wir fragen: Warum “geziehmte“ es sich für Gott, seinen Sohn leiden zu lassen? Warum „gehörte sich das so“, wie wir es mit unseren Worten sagen würden?
Wir wissen es nicht. Es ist die unverständliche Seite Gottes, die uns in diesen Tagen am Ende der Passionszeit deutlich entgegentritt. Es bleibt nur die einfache Erkenntnis, dass ein Gott, der in allem erklärbar wäre, kein Gott sein kann. Natürlich kann uns das Leiden von Jesus durch die Auferstehung des Christus verständlich werden. Aber da deuten wir die Geschichte immer von ihrem Ergebnis her. Das Leben aber wird ja nie vom Ergebnis, vom Ziel her gelebt. Der dänische Theologe und Philosoph Sören Kierkegaard (sprich: Kierkegaar) hat es so ausgedrückt: „Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, dass das Leben rückwärts verstanden werden muss. Aber darüber vergisst man den andern Satz, dass vorwärts gelebt werden muss.“
Lesen wir weiter im Hebräerbrief:
11 Denn weil sie alle von einem kommen, beide, der heiligt und die geheiligt werden, darum schämt er sich auch nicht, sie Brüder zu nennen,
12 und spricht (Psalm 22,23): »Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen.«
13 Und wiederum (Jesaja 8,17): »Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen«; und wiederum (Jesaja 8,18): »Siehe, hier bin ich und die Kinder, die mir Gott gegeben hat.«
In Jesus wird Gott Mensch. Wir nennen Jesus oft Gottessohn, die Bibel, Jesus selbst, spricht vom Menschensohn. Schnell wird aus dem Zimmermannssohn Jesus aus Nazareth so eine Art Übermensch.
Aber Jesus ist kein Prometheus. In ihm ist Gott Mensch, ist Gott zu uns gekommen, hat er sich zu uns „herabgelassen“. Diesen Vorgang kann man gar nicht dick genug unterstreichen: Gott selbst lebt als Mensch unter Menschen. Nicht als erkennbarer Über-Mensch, sondern als Mensch, nicht als mehr aber auch nicht als weniger. Ein Bruder unter Brüdern – oder eben auch eine Schwester unter Schwestern.
Auf der anderen Seite: Wo Gott ist, da ist ein besonderer Ort. Ein Heiligtum, ein Bereich der sich abgrenzt von dem sonstigen Einerlei der Welt. Aber dieser Bereich der oder des „Geheiligten“ entsteht nicht durch dicke Kirchenmauern. Er entsteht, wenn sich Menschen als Brüder und Schwestern annehmen, wenn sie sich erkennen als Kinder Gottes.
Da können wir uns fragen, inwieweit wir wirklich so leben. Das Verhältnis von Brüdern und Schwestern in einer Familie kann ja auch problematisch sein und in der Gemeinde ist es das auch. Aber liegt das vielleicht daran, dann wir eben nicht als Kinder Gottes leben, sondern eher als „Erwachsene Gottes“. Der Vater ist zwar da, aber eben schon alt. Nicht mehr so ganz ernst zu nehmen. Wir müssen doch die Dinge in die Hand nehmen, der Alte schafft es doch nicht mehr.
Vielleicht würden sich manche Probleme oder Fragen in einem kindlichen Urvertrauen zum himmlisch-menschlichen Vater auflösen. Wir sollten unsere Kindheit eben nicht ablegen wie einen alten Mantel.
Auch der Hebräerbrief denkt weiter über das Kindsein nach:
14 Weil nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er's gleichermaßen angenommen, damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel,
15 und die erlöste, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mussten.
16 Denn er nimmt sich nicht der Engel an, sondern der Kinder Abrahams nimmt er sich an.
Es gibt die Vorstellung, dass die Engel im Himmel auf die Menschen neidisch sind, weil Gott Mensch geworden ist und nicht Engel. Zum Menschsein gehört der Tod.
Das ist eine einfache und schwere Wahrheit zugleich. Jeder, der einen Menschen durch den Tod verloren hat, weiß das. Und unsere Angst vor dem Tod ist groß. Manche Menschen sagen, dass der ganze Auferstehungsglaube nur aus der Angst vor dem Tod entstanden ist.
Wenn Gott wirklich Mensch ist, muss er sterben. Eine ungeheuerliche Vorstellung. Die zweite Strophe des Liedes „O Traurigkeit, o Herzeleid“ (EG 80) beginnt in unserem Gesangbuch mit dem Vers: „O große Not, Gotts Sohn liegt tot“. In der Urfassung des Liedes aus dem 17. Jahrhundert heißt sie: „O große Not, Gott selbst liegt tot.“ Unfassbar ist das.
Kann Gott wirklich sterben? Ja, als Mensch kann er wirklich sterben. Aber der Tod Gottes kann kein Ende sein. Gott wäre dann nicht Gott. Gottes Tod ist der Anfang. Vielleicht müsste unser Kalender nicht nach „Christi Geburt“ gerechnet werden, sondern eher nach „Christi Auferstehung“.
Mit der Auferstehung beginnt eine neue Zeit. Die Zeit ohne Furcht vor dem Tod. Sicher, wir haben mehr oder weniger Angst vor dem Sterben. Vor dem Tod müssen wir uns nicht mehr fürchten, weil Gott als Mensch für sich den Tod auch nicht ausgespart hat. Einen bitteren Tod ist Jesus am Kreuz gestorben. In Gethsemane hat er darum gebeten, dass ihm dieser Weg erspart bleiben möge. Wir lesen aber am Ende unseres Briefabschnittes:
17 Daher musste er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes.
18 Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden.
Vielleicht kann man sagen, dass das Christentum die Stufe zwischen Gott und den Menschen einebnet. Zwar ist der Mensch, wenn auch nur ein wenig, aber eben doch niedriger gemacht als Gott. Aber eben dieser Gott erniedrigt sich als Mensch und zwar im wörtlichen Sinn.
Führt eine solche Einebnung nicht zum Ende des Glaubens? Muss man vor Gott nicht Respekt haben? Ist Gott nicht etwas, zu dem man aufsehen muss?
Der Mensch gewordene Gott gibt dem Glauben einen neue Richtung. Glaube, Gebet, Liebe ist keine Bewegung mehr von oben nach unten. Sie bekommt eine horizontale Dimension.
Wo ist Gott? Schau nach rechts und links! Der im Himmel thront, ist bei dir, bei uns. Das ist keine religiöse Formel, sondern einfache Wahrheit, spürbare Wahrheit in Brot und Wein an diesem Abend.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Karsten Müller An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)
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