Wochenspruch: "So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." (Epheser 2, 19)
Psalm: 107, 1 - 9
Reihe I: Johannes 6, 1 - 15
Reihe II: Apostelgeschichte 2, 41 a. 42 - 37
Reihe III: Johannes 6, 30 – 35
Reihe IV: Philipper 2, 1 - 4
Reihe V: Lukas 9, 10 - 17
Reihe VI: 2. Mose 16, 2 - 3. 11 - 18
Eingangslied: EG 502 Nun preiset alle, Gottes Barmherzigkeit
Wochenlied: EG 326 Sei Lob und Ehr
Predigtlied: EG 420 Brich mit den Hungrigen dein Brot
Schlusslied: EG 216 Du hast uns Leib und Seel gespeist
Predigttext Philipper 2, 1 – 4 (5 – 11)
1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit,
2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.
3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst,
4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.
5 Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
6 Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
10 dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Liebe Gemeinde,
fremd sein ist schlimm. In unseren Kindergärten erleben es Flüchtlingskinder, die von zuhause aus nur wenig Deutsch mitbringen. In den ersten Tagen verstehen sie kaum ein Wort. Das ist ein mieses Gefühl, wenn du nicht verstehst, was die anderen wollen oder wenn du dich nicht verständlich machen kannst. Mit Liebe, Zuwendung und Humor ändert sich das ganz schnell.
Manche dieser Kinder erleben dann dieselbe Situation, wenn sie wieder dorthin abgeschoben oder zur Ausreise gedrängt werden, von woher ihre Familien geflohen waren. Dort ist es nicht nur schwierig mit der Liebe, Zuwendung und dem Humor. Vielen Kindern fehlt dann dort die Sprache, weil sich ihre Familien im Bemühen um Integration zuhause auf Deutsch verständigten. Wieder ist Fremdsein schlimm.
Andererseits. Fremdsein muss auch was haben, sonst würden nicht Millionen von Deutschen freiwillig und manchmal jedes Jahr ins fremdsprachige Ausland fahren. Und womöglich können auch Sie es nicht leiden, keinen Menschen zu verstehen und haben in der Volkshochschule oder im Netz angefangen, ihre Urlaubssprache zu lernen.
Das öffnet dort Türen, die ungeahnt weit aufgehen, wenn sich Touristen mit ihrem Sprachwillen als Menschen zu erkennen geben, die ein ehrliches Interesse an den Menschen und ihrer Art zu leben haben. Sprache öffnet Welten und ist auch der Schlüssel in schwierigen Situationen, wenn sie sich etwa im Urlaub verlaufen haben. Oder wenn sie etwas brauchen oder nicht verstehen, wie sich die anderen verhalten.
Wenn Sie aber im Touristennest mit Ihrem Italienisch, Spanisch oder Mandarin anfangen wollen, Eis oder Essen zu bestellen, ist es frustrierend, immer nur deutsche Antworten zu bekommen. Wie fremd du dich fühlst hängt auch davon ab, wo du bist, und wo du im Leben stehst.
Nicht alle Mitbürgerinnen erleben hier Heimat und ein Zuhause. Manche unserer Freunde sind hierher geflüchtet, weil ihre Geschwister, Eltern und Verwandten in ihrer Heimat umgebracht wurden und kein Frieden in Aussicht steht. Für sie ist hier vieles fremd, was für uns selbstverständlich ist, auch wenn sie sich größte Mühe geben, unsere Sprache schnell zu lernen.
Es gibt aber auch unter unseren deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen, etliche, die kein wirkliches Zuhause haben, weil sie dort von ihren Verwandten oder Eltern missbraucht und misshandelt wurden oder werden. Das hat ihnen das Gefühl von Sicherheit genommen. Andere schämen sich für ihr Zuhause, weil ihr Vater krank, süchtig oder arbeitslos ist. Sie fühlen sich zuhause fremd.
Es gibt Kinder und Jugendliche, die fühlen sich fremd in ihrem eigenen Körper. Sie fühlen sich nicht wohl, können sich selbst kaum spüren, es sei denn, sie verletzen sich selbst oder werden von anderen verletzt.
Andere verlieren ihre Heimat, weil sich ihre Eltern trennen und mit dem Auseinanderziehen Heimat und Vertrauen verloren gehen. Wer nimmt schon einen 17-jährigen auf, der plötzlich ohne Familie dasteht? Wer betet für ihn, wer lädt ihn zum Mittagessen ein, damit er wenigstens ein bisschen Familie spüren kann; wenn wir es nicht tun, wer dann?
In den antiken Königreichen ließen es sich die Könige in ihren Palästen sehr gut gehen. Sie fühlten sich nicht wie normale Menschen, eher wie Halbgötter, hatten tausende Bedienstete, von denen keiner mit ihnen reden durfte. Und wenn sich solche Herrscher einmal doch herabließen, ihren Thronkomfort zu verlassen, dann nicht, um sich die Landschaft anzuschauen, zu wandern oder um Menschen zu besuchen, sondern nur um in der Fremde Kriege zu führen, Beute zu machen, zu rauben und zu plündern.
Paulus erzählt von einem noch größeren König. Dessen Himmelsthron ist derart prächtig, dass er es gar nicht mehr nötig hätte, Krieg zu führen, um andere Länder auszurauben. Und doch verlässt er sein himmlisches Königreich:
„Jesus Christus war in göttlicher Gestalt, hielt es aber nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein und dennoch sein königliches Zuhause im Himmel zu verlassen, sondern ließ alles hinter sich und nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“
Der größte König der Schöpfung, der gottgleiche Jesus Christus brach aus seinem himmlischen Palast auf, nicht um Krieg zu führen, sondern um Mensch zu werden. Er hätte sich als König und ewiger Popstar feiern lassen können, doch er hatte eine andere Mission. Er will Dir nahe sein. Da wo Du Dich fremd fühlst, will er bei Dir sein, damit du nicht mehr alleine bist. Er lässt sich misshandeln, um mit Dir zu schreien. Er lässt sich kreuzigen, um mit Dir zu leiden. Er lässt sich kreuzigen und begraben, um Dich selbst in den schrecklichsten Stunden menschlichen Lebens nicht hängen zu lassen.
Er erniedrigte sich selbst bis in den Tod, ja zum Tode am Kreuz. Er feiert auch, lebt und lacht, um Dich an den schönen Tagen deines Lebens zu begleiten. Der König des Lebens geht in die Fremde, um Dich aus dem dunkelsten Loch rausholen zu können. Er weint mit Dir, um noch in Deinen Niederlagen zu Dir zu stehen.
Seinen Vater ließ das nicht kalt. Der hat diese 30 Jahre durchgeheult und mitgelitten. Der war verängstigt und besorgt um seinen lieben Sohn. Und als dessen Mission unter der Erde begraben erfüllt war, holte er ihn zurück zu sich. Er überrumpelte die Wachen, wälzte den Stein vom Grab und holte ihn neu ins Leben. Er, der Schöpfer allen Lebens, vollbrachte das Wunder und ließ Jesus von den Toten auferstehen. Dabei hielt Jesus an Dir fest. Er ließ Dich nicht los, und sein Vater staunte nicht schlecht, wen Jesus da alles mit sich in den Himmel gerissen hatte. Dich, Dich, Dich, Euch alle.
Ja ich weiß, ihr sitzt gerade in der Kirche und nicht im Königspalast des Lebendigen. Aber was Jesus getan hat, ist wirklich. Er hat Dich aus Deiner Fremde in seine Heimat gezogen. Ganz gleich, wo Du bist, ob über der Erde oder unter der Erde, ist es nicht mehr Deine Bestimmung, ein Mensch zu sein, der leidet, sich fremd und falsch fühlt und irgendwann vergeht.
Die einzige Bestimmung, die Dir nun lebenslänglich bleibt, ist es, bei ihm eine Heimat zu haben und mit ihm heute schon zu leben und zu lachen. Und wenn es Dir schlecht geht, ist es Deine Gabe, das Böse nicht mehr ernst zu nehmen, sondern angesichts all der todbringenden Mächte zu singen. Du lässt den heilsamen Herrn anfangen, Dich zu heilen: zuerst Dein Herz.
Dieser Trost der Liebe in der Gemeinschaft des Geistes, diese herzliche Liebe und Barmherzigkeit, werden vollkommen, wenn wir sie nicht für uns behalten wie einen Raub, wie Beute. Sie werden vollkommen, indem wir die anderen um uns herum mit hineinholen: aus der Fremde in die Freude, aus der Verschiedenheit in die versöhnte Vielfalt. Gott ging fremd, um uns eine neue Heimat zu gehen. Da sollten wir alle, die sich heute noch unter uns fremd fühlen, ebenso besuchen. Das ist die Gesinnung, die der Jesus-Gemeinschaft entspricht.
Du stehst an seiner Seite, ihm zu helfen. Dir ist neue Heimat gegeben, um anderen zu helfen, ihrer Fremde zu entkommen und hier eine Heimat zu finden. Denn Jesus hat hier ein neues Zuhause gefunden hat: hier unter uns. Er sitzt hier unter uns und feiert mit uns. Er feiert, dass er Dich befreit hat. Und hier unter uns baut er seine neue, heile Stadt und seine neue Schöpfung. Er liebt Dich, Dein Leben und Deine Nächsten viel zu sehr, um Dich und sie verloren zu geben.
Oder vielleicht war es doch ein Raubzug Gottes und Du bist seine Beute? Und der weinende Verlierer ist der Tod mit seinen fiesen Freunden. Sollen wir ihm eine Träne nachweinen? Aber Beute passt nicht wirklich. Denn Jesus macht keine Gefangenen. Er setzt sie nur frei.
Amen
Jesus Christus,
hilf uns, so gesinnt zu seinen, wie es Dir entspricht:
entfache unter uns herzliche Liebe und Barmherzigkeit,
hilf uns, eines Sinnes zu sein und aufeinander achtzugeben, dass niemand in unserer Stadt verloren geht.
Hilf uns, auf uns Acht zu haben, damit wir uns nicht überfordern und alleine losziehen,
sondern fördere auch unter uns und darüber hinaus Ökumene, gleiche Liebe, gemeinsamen Mut und Solidarität.
Wir bitten Dich für die Fremden unter uns, dass sie Heimat finden.
Wir bitten Dich für die von uns Verschiedenen, dass sie mit uns versöhnte Vielfalt erleben dürfen.
Jesus, zieh uns immer mehr in Einheit, wie auch du eins bist mit Deinem Vater und dem Heiligen Geist.
Amen
Verfasser: Pfarrer Klaus-Peter Lüdke, Kirchstraße 9, 72213 Altensteig
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Pfarrer Dr. Matthias Rost
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