Wochenspruch:
Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr. (Psalm 111, 4)
Psalm: 111
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 12, 1.3 - 4.6 - 7.11 - 14
Epistel: 1. Korinther 11, 23 - 26
Evangelium: Johannes 13, 1 - 15 (34.35)
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 213 Kommt her, ihr seid geladen
Wochenlied: EG 223 Das Wort geht von dem Vater aus
Predigtlied: EG 345 oder
EG 358 Auf meinen lieben Gott
Es kennt der Herr die Seinen
Schlusslied: EG 93 Nun gehören unsre Herzen
Kurze Hinführung:
Der Predigttext liefert die biblische Begründung für das Passafest. Die in Ägypten versklavten Hebräer werden durch Gottes Handeln befreit. Die Handlung Gottes, die die Befreiung nach sich zieht, ist die Tötung der erstgeborenen Kinder und Tiere der Ägypter. Die Hebräer werden verschont, weil sie ihre Türpfosten mit dem Blut der geschlachteten Lämmer bestrichen haben. Die Tötung der Erstgeborenen der Ägypter ist die zehnte einer Reihe von Plagen durch die der Pharao bewogen werden soll, die hebräischen Sklaven frei und ziehen zu lassen.
Die Schwere und Unbarmherzigkeit dieses Vorgangs ist, wenn man ihn sich vor Augen führt, nur schwer auszuhalten. Gott zeigt sich von einer nur mühsam auszuhaltenden Seite.
Aber es vollzieht sich auch ein Vorgang, der für viele Menschen bis heute nachvollziehbar ist: Was für die einen Tod und Verderben bringt, ist für die anderen die Befreiung. Betroffen vom Vorgang der Tötung der Erstgeborenen sind alle ägyptischen Familien, auch die, die keine Sklaven hielten. Durch die ganze Geschichte hindurch sind immer wieder Menschen in unverschuldete Schicksale verstrickt und müssen unter ihnen leiden.
Am Abend vor seinem Tod hat Jesus mit seinen Jüngern das Mahl des Passafestes gefeiert. Dort hat er die auf die Befreiung deutenden Speisen auf sich selbst bezogen und umgedeutet. Das ungesäuerte Brot, das an den unverhofften Aufbruch aus der Sklaverei erinnert, wird zum Leib von Jesus. Jesus wird so zum Sinnbild für das geschlachtete Lamm.
Die hier vorgeschlagene Predigt, die den gesamten Abschnitt 2. Mose 12, 1-14 in den Blick nimmt, setzt am Vorabend des Karfreitags ihren Schwerpunkt auf das Handeln Gottes, das uns manchmal sofort einleuchtet und manchmal völlig unverständlich ist.
Der Bibeltext wird in der Predigt abschnittsweise ausgelegt
Liebe Gemeinde,
die Geschichte, über die wir heute Abend nachdenken, fängt ganz unspektakulär an: Der HERR aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland: Dieser Monat soll bei euch der erste Monat sein, und von ihm an sollt ihr die Monate des Jahres zählen.
Wir werden daran erinnert, dass Kalenderfragen bis heute Glaubensfragen sind. Seit Christi Geburt zählen wir unsere Jahre, die Feste des Jahres sind in unseren Breiten bis heute christlich geprägt.
Gott legt den Beginn des Jahres für sein Volk fest. Ein besonderes Volk ist das: Hervorgegangen aus Abraham, Isaak und Jakob, von Gott erwählt und nun von den Ägyptern versklavt. Für dieses Volk hat Gott eine Weisung:
Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus. Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er's mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können. Ihr sollt aber ein solches Lamm nehmen, an dem kein Fehler ist, ein männliches Tier, ein Jahr alt. Von den Schafen und Ziegen sollt ihr's nehmen.
Ein Lamm für jedes Haus soll in dem ersten Monat des Jahres beschafft werden. Wozu? Das bleibt zunächst offen. Das Lamm zu beschaffen, ist nicht schwierig, damals, als unsere Geschichte entstand. Lämmer waren billig, auch für Sklaven nicht unerschwinglich. Das Teilen des Lammes mit der Nachbarschaft ist möglich. Gott denkt sozial. Niemand soll durch seine Weisung überfordert werden. Aber wozu das Ganze?
Ihr sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend. Und sie sollen von seinem Blut nehmen und beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle damit bestreichen an den Häusern, in denen sie's essen, und sollen das Fleisch essen in derselben Nacht, am Feuer gebraten, und ungesäuertes Brot dazu, und sollen es mit bitteren Kräutern essen. Ihr sollt es weder roh essen noch mit Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten mit Kopf, Schenkeln und inneren Teilen. Und ihr sollt nichts davon übriglassen bis zum Morgen; wenn aber etwas übrig bleibt bis zum Morgen, sollt ihr's mit Feuer verbrennen.
Ein Festmahl soll das Lamm sein. Ein Festbraten soll es werden. Merkwürdig mutet die Weisung an, die Türpfosten des Hauses mit dem Blut des Lammes einzustreichen. Das ungesäuerte Brot und die bitteren Kräuter erinnern an die Bitternis der Sklaverei in Ägypten und die Befreiung aus eben dieser Sklaverei. Aufmerksame Kenner der biblischen Geschichte merken auf: Das ungesäuerte Brot – hat es nicht erst am nächsten Morgen seinen Platz? Beim überstürzten Aufbruch?
Deutlich wird hier: Die Bibel erzählt Geschichten, aber keine Geschichte im historischen Sinn. Mehrere Traditionen vereinigen sich hier: Das Lamm, die Befreiung und das ungesäuerte Brot. Der überstürzte Aufbruch aus der Sklaverei, er deutet sich schon im nächsten Vers an:
So sollt ihr's aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen; es ist des HERRN Passa.
Bereit sollen sie sein, die Israeliten. Bereit für einen ungeheuerlichen Vorgang. Es fällt schwer, ihn sich vorzustellen. Es fällt auch schwer, ihn zu rechtfertigen, auch dann, wenn Gott selbst handelt. Unsere Geschichte geht weiter:
Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter, ich, der HERR. Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage.
Man möchte sich diese Nacht nicht vorstellen, vor allem nicht aus der Sicht der Ägypter. Natürlich: Die Strafe bricht über sie herein wegen der Versklavung des Gottesvolkes. Undankbar haben sich die Ägypter erwiesen gegenüber den Nachfahren Josefs, der das Land einst vor der Hungersnot bewahrte. Neun (!) Anläufe hat Mose beim Herrscher der Ägypter unternommen, das Volk freizubekommen. Jetzt reicht es, jetzt kommt der harte aber notwendige Befreiungsschlag.
Aber was haben einfache Ägypter mit der Unfähigkeit oder Halsstarrigkeit ihres Königs zu schaffen? Warum hält sich Gott nicht an die Mächtigen? Warum müssen auch die einfachen Leute ihre Erstgeborenen Kinder und Tiere hergeben? Auf diese Frage gibt es leider keine Antwort. Es gibt nur die unbefriedigende Erfahrung, dass das schon immer so war und bis in unsere Tage hinein so ist: Die politisch Mächtigen treffen ihre Entscheidungen. Ausbaden müssen es oft die anderen, die sogenannten „kleinen Leute“ – also wir.
Das Unheil nimmt am nächsten Morgen seinen Lauf. Man kann die Geschichte vom überstürzten Aufbruch der Israeliten im Anschluss an unseren Predigttext zu Hause einmal weiter lesen. Die Israeliten sind frei, wenn auch um einen hohen Preis. Aber auch das ist nichts wirklich Neues: Für die Freiheit muss oft ein hoher Preis bezahlt werden.
Im Gegensatz zu dem, was geschieht, endet unser Text fast lakonisch: Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.
Der Tag des Unheils für das Volk der Unterdrücker – die einzelnen Menschen seien nun schuldig oder nicht – wird zum Festtag für die Befreiten. Israel kann den Weg in die Freiheit antreten. Es wird kein einfacher Weg sein. Das wissen wir aus den biblischen Geschichten.
Warum erzählen wir uns diese Geschichte heute am Gründonnerstag(abend)? Weil Jesus mit seinen Jüngern auch dieses Festmahl gefeiert hat, am Abend vor seinem Tod? Weil Jesus auch hin und wieder als das Lamm bezeichnet wird, das geopfert wurde?
Ja, das alles spielt sicher mit hinein, wenn wir uns am Gründonnerstag an das Passafest erinnern. Aber es geht um mehr als um ein paar Anknüpfungspunkte und Erinnerungen.
Eine auffallende Parallele zwischen Passa und Passion ist, das Opfer von Unschuldigen gebracht werden. Beim Passa sind es auf der einen Seite die Sklaven, die ohne persönliche Schuld, sondern nur wegen ihrer Herkunft (Hebräer) in ihre schlimme Lage gerieten.
Auf der anderen Seite kann man sicher aus die Ägypter nicht alle in einen Topf werfen. Auch die, die die Sklaverei nicht richtig fanden, die den Sklaven vielleicht einmal ein wenig Brot zusteckten oder ein bisschen Milch für die Kinder – Auch sie sind betroffen von der schrecklichen Strafe der Tötung der Erstgeburt. Wenn wir nun einen Moment an unsere ältesten Kinder denken, steht uns die Härte diese Gottesstrafe vor Augen...
Es ist auch schwer auszuhalten, dass ein Mensch wie Jesus, der Zim-mermannssohn aus Nazareth, am Kreuz sterben musste. Als alles vorbei war mit den Qualen, der Erniedrigung und dem Sterben, wird die Wahrheit ausgerechnet von einem Menschen ausgesprochen, den wir heute wahrscheinlich für religiös nur wenig sprachfähig halten würden. Der römische Hauptmann sagt, als Jesus gestorben ist: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen.“
Dieser Mensch, ein unschuldiger, wird geopfert für eine Laune des Volkes, für das Sicherheitsbedürfnis der Herrschenden, für die Interessen der Mächtigen – und für uns.
Das macht erst recht Mühe zu begreifen. Jesus als Vorbild, als Begleiter, als Mensch, der viel Gutes getan hat und der bis heute Menschen begeistern kann. Ja, das kann man verstehen. Das leuchtet auch Menschen ein, die nicht an Jesus glauben.
Aber dass dieser Jesus damals im Jahr 30 auch für uns an das Kreuz geschlagen wurde, das leuchtet nicht einmal Menschen ein, die an Jesus glauben. Dass die Passionszeit langsam auch bei den Protestanten zur Fastenzeit wird, ist nicht nur eine Wortverschiebung.
Warum hat Gott seinen Sohn am Kreuz sterben lassen. Warum wurde er zum Opfer gemacht für Untaten, die er nicht begangen hat. Warum brauchen wir dieses Opfer, um unsere Schuld loszuwerden?
Es gibt auf diese Fragen keine Antworten. Bei der Frage nach der Tilgung der Schuld – unserer Schuld – am Kreuz kann man höchstens weiterfragen: Wie sonst können wir vor Gott gerecht werden, unsere Schuld tilgen? „Reicht es, wenn ich meinem Bruder sieben mal vergebe?“, wird Jesus einmal gefragt und er antwortet: „Nein, sieben mal siebzigmal.“ – man kann auch sagen: Es reicht unser Leben nicht, aus der Schuld vor Gott und den Menschen wieder heraus zu kommen.
Man kann fragen, warum es des Kreuzes bedurft, um uns frei zu machen. Aber darauf gibt es keine Antwort, jedenfalls nicht in dieser Welt.
Viel wichtiger ist für uns die Frage: Wie nutzen wir die uns von Gott geschenkte Freiheit? Wie die Israeliten sie genutzt und auch verspielt haben, können wir in der Bibel lesen. Wie wir unsere Freiheit nutzen sollen auch: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: Nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6, 8). Die Liebe ist dabei das wichtigste.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Karsten Müller
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