Wochenspruch: "So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." (Epheser 2, 19)
Psalm: 107, 1 - 9
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 16, 2 - 3.11 - 18
Epistel: Apostelgeschichte 2, 41 a.42 - 47
Evangelium: Johannes 6, 1 - 15
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 502 Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit
Wochenlied: EG 320, 1 - 5 Nun lasst uns Gott dem Herren
Predigtlied: EG 324,12-15 Ich singe dir mit Herz und Mund
Schlusslied: EG 222 Im Frieden dein
Liebe Gemeinde,
wir alle kennen die Bilder aus dem Fernsehen nur zu gut: Kinder mit großen Augen und aufgeblähten Bäuchen stehen da und schauen sehnsüchtig nach einer Handvoll Reis. Erwachsene Menschen prü-geln sich um die Rationen, die ihnen von einer Hilfsorganisation ausgeteilt werden sollen. Auf der Straße liegen Menschen herum und sterben, weil sie nichts zu essen haben.
„Hunger“ - das ist eine Plage, die Millionen Menschen auf unserer Erde zur Flucht treibt. „Hunger“ - das ist eine Erfahrung, die in den Gesichtern von Eltern und Kindern in Afrika, Asien und Südamerika steht.
„Hunger“ - das stellt Mütter vor die Frage: Welches meiner Kinder bekommt heute zu essen und welches muss hungern. Das stellt Fa-milien vor die Frage: Wer ist wichtiger für uns, der alte Großvater oder der Jugendliche, der vielleicht noch arbeiten kann; die alte, kranke Tante oder das junge Mädchen, das das Leben noch vor sich hat.
„Hunger“ - das ist brutale Wirklichkeit in vielen Ländern der Erde. Da geht es nicht um Diäten zum Schlankwerden, nicht um die Qual, ob ich heute zum Italiener oder zum Griechen zum Essen gehe - da geht es um ein Stück Brot zum Überleben. Brot ist Leben - das weiß man in diesen Ländern.
Was ich bis jetzt beschrieben habe, das ist für die meisten von uns nur noch Erfahrung aus dem Fernsehen. Die Älteren haben noch Hunger-Erfahrungen im eigenen Leben, haben es noch miterlebt,
wie Lebensmittel nur auf Karten ausgegeben worden sind, wie es Zuteilung gab. Aber diese Erfahrungen sind weit weggerückt in unserem Land, in dem es alles gibt, wenn man nur das Geld dafür hat.
Und doch: es gibt Hunger auch bei uns. „Hunger“ - das ist die Wirk-lichkeit in den Suppenküchen und Tafeln in unserer reichen Bundes-republik Deutschland. Man kann es in Frankfurt, in Gießen, in Mainz und den anderen Städten unserer Umgebung sehen, wie Männer und Frauen die Mülltonnen nach Essensresten absuchen. Man kann es se-hen, wie Männer und Frauen vor den Türen großer Kaufhäuser bet-teln - um ein Stück Brot, um ein Stück Käse. Diesen Hunger nach Brot gibt es auch bei uns - und wir dürfen nicht an ihm vorüberge-hen.
Aber es gibt noch einen anderen Hunger, den Hunger nach dem Leben. Wir sagen manchmal von einem Menschen: er ist lebens-hungrig. Wir sagen von einem Menschen, der ständig auf der Jagd nach neuen Erlebnissen ist: er ist unersättlich.
Lassen Sie mich beschreiben, wie das aussehen kann:
Mein Auto, das ich heute fahre, ist ein Gebrauchtwagen. Der Vorbe-sitzer hat ihn mit 13000km verkauft, weil er sich noch einmal ein richtig schnelles Auto kaufen wollte - statt der lumpigen 90PS eines mit 160PS. Aber es war beileibe kein Zwanzigjähriger, der das tat, sondern ein alter Herr von 73 Jahren. „Solange ich noch kann, will ich noch einmal ein richtig schnelles Geschoss fahren.“ Sein Lebens-hunger zeigte sich am schnellen Auto.
Das wichtigste Gerät für manchen Fernsehbesitzer ist die Fernbedie-nung. Da kann man von einem Sender zum anderen hüpfen. So geht es von einem Filmhöhepunkt zum anderen und man zieht sich nicht nur einen, sondern gleichzeitig zwei oder drei Filme rein. Oder Jugendliche machen eine „Video-Nacht“ - nach dem ersten Film kommt der zweite und dann der dritte - je mehr Filme, desto mehr „Leben“ heißt die Gleichung.
Oder: Wissen Sie, was Party-Hopping ist? Im Lauf eines Abends wandern junge Leute von einer Veranstaltung zur nächsten. Disco in hier, Disco dort, weiter zu einer Geburtstagsparty und irgendwann noch ein letzter Stopp in einem In-Lokal. Je mehr, desto besser.
Hinter alledem steckt eine Angst: es könnte irgendwo etwas „abge-hen“ und ich bin nicht dabei. Es könnte irgendwo Leben geben und ich habe es verpasst.
Hunger nach Brot, Hunger nach Leben - solange es Menschen gibt, gibt es diesen Hunger. Und solange wir leben, sind wir hungrig nach dem Leben. Und alle Nahrungsmittel und alle Erlebnisse können diesen Hunger nicht stillen.
In diesem Hunger meldet sich eine Sehnsucht, die ganz tief in uns verwurzelt ist: Die Sehnsucht nach der Ewigkeit, die Sehnsucht nach dem Leben, das ganz erfüllt ist und in dem aller Mangel überwunden ist. In uns ist eine Sehnsucht nach dem Leben, in dem wir uns wirk-lich mit anderen verstehen, in dem unsere Bedürfnisse erfüllt sind und in dem Frieden herrscht. In uns ist Sehnsucht nach dem Leben, in dem es kein Leid mehr gibt, keine Krankheit mehr, keinen Verlust von Menschen mehr, keinen Streit, keine Miss-Verständnisse und Missachtungen, keinen Abschied für immer, keinen Tod. Dieses Le-ben, nach dem wir uns sehen nennt die Bibel das „ewige Leben“.
Und nun sagt Jesus: Ich bin das Brot, das euch dieses Leben gibt.
Was ist das für ein – damals wie heute - unerhörter Anspruch! Ich bin die Antwort auf den Lebenshunger, der in euch steckt. Ich bin die Antwort auf die Sehnsucht, die in euch brennt. Ich bin der, bei dem sich euer Leben erfüllt, bei dem es ganz wird und heil und gültig für Zeit und Ewigkeit.
Jesus will uns unsere Suche nach dem Leben nicht mies machen, aber er will uns vor einem gefährlichen Missverständnis bewahren: Wer das Leben in den Lebensmitteln dieser Welt sucht - ob das das Brot ist oder die Luxusverpflegung, der tolle Schlitten oder Erlebnis pur in Disco und Urlaubsclub - der wird immer neu hungrig werden. Wer aber das Leben bei Jesus sucht, der wird satt werden, weil Jesus unser Leben in die Ewigkeit Gottes anbindet.
Wenn Jesus von sich selbst sagt: ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht mehr hungern - dann meint er dies: bei mir wird eure unstillbare Sehnsucht nach dem bleibenden Leben ge-stillt. Bei mir ist nicht nur ein wenig Brot, für ein paar Jahre leben,
sondern bei mir gibt es das Leben, das bleibt und das den Tod über-windet.
Wie kann Jesus so etwas von sich sagen? Die Wahrheitsprobe auf diese Worte ist die Auferstehung Jesu. Mit dieser Wahrheitsprobe stehen und fallen alle Worte Jesu. Ist er nicht auf-erstanden, dann hat er den Mund zu voll genommen, dann ist seine Lebenshoffnung auf Gott und die Ewigkeit am Tod zerbrochen. Ist Jesus aber auferstan-den, dann ist er der, der den Tod durchbrochen hat. Dann haben wir allen Anlass, ihm zu glauben, dass er das Leben in Zeit und Ewigkeit gibt. Dann haben wir allen Anlass ihm zu glauben, der uns ver-spricht: wer zu mir gehört, der hat die ganze Ewigkeit Gottes als seine Zukunft, der muss nicht in ein paar Jahre hineinziehen, was
nur hinein geht.
Merken Sie, dass das eine ganz große Befreiung ist? Wenn das wahr ist, dass mir die ganze Ewigkeit gehört, dann muss ich nicht auf der Jagd nach Lebenserfolg und Lebensgenuss außer Atem sein, dann darf ich gewiss sein, dass ich mit meinem Lebenshunger bei Gott gut aufgehoben bin. Dann darf ich gewiss sein, dass er für mich sorgt - auch durch meiner Hände Arbeit und dass er mich nicht zu kurz kommen lässt - auch nicht in Zeiten, in denen es knapp zugeht.
„Ich bin das Brot des Lebens.“ sagt Jesus - wie komme ich an dieses Lebensbrot, wie “esse“ ich es?
1. Ich lasse es mir gesagt sein und schenke seinen Worten Vertrauen. Wenn ich jemand Vertrauen schenke, dann folge ich ihm. So halte ich es, wenn ich in einer fremden Stadt nach dem Weg frage. Ich ver-traue dem Menschen, den ich gefragt habe. Anders als im Vertrauen auf die Worte Jesu erfahre ich nicht, dass er vertrauenswürdig ist.
2. Ich lasse mir den Zuspruch seiner Vergebung gefallen. Nichts belastet mich so sehr, wie Schuld, die ich mit mir herumschleppe. Irgendwann bringt sie mich zu Boden. Aber da steht dieser Jesus und sagt: Deine Schuld ist Dir vergeben - Du kannst sie weggeben an mich. Das nehme ich immer wieder in Anspruch und erfahre dabei:
mir werden schwere Lasten und kleine Lasten von den Schultern und von der Seele genommen.
3. Ich erfahre seine Nähe durch das Gebet. Im Gebet kann ich alles mit Jesus verhandeln, was mir am Tag begegnet. Da ist Platz für die Freude und die Klage, für die Überforderung und für den Spaß. Und in diesem Reden mit Jesus gewinne ich Kraft meine Arbeit zu tun und meine Zeit zu teilen. Ich erfahre bei ihm, dass ich nicht hinter allem her sein muss und dass es viele kleine Erfahrungen und Momente gibt, die mir einfach Freude bereiten.
Eine Geschichte zum Schluss: ein Italiener in New York war voller Heimweh nach Italien. Er konnte kein Englisch und fühlte sich ein-fach fremd. So fing er an zu sparen und sein Brot aufzuheben für die Überfahrt. Schließlich schenkte ihm jemand eine Fahrkarte und so nahm er seinen großen Sack mit in-zwischen trockenem Brot mit aufs Schiff. Doch nach einigen Tagen war das Brot alle und der Hunger plagte ihn. Er ging zum Steward und bettelte um Essen. Der ließ sich die Fahrkarte zeigen und sagte dann: `Du hast eine Fahr-karte, auf der steht, dass dein Essen auf dem Schiff bezahlt ist. An der Tafel des Schiffes ist ein Platz für dich frei.'
Ich bin das Brot des Lebens - sagt Jesus uns zu - an meiner Tafel ist ein Platz für dich frei.
Verfasser: Pfarrer i. R. Paul-Ulrich Lenz
Am Litzenau 17, 63679 Schotten-Einartshausen
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Pfarrer Dr. Matthias Rost
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