Anvertraute Gaben
von Karsten Müller (39104 Magdeburg)
Predigtdatum
:
05.08.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
8. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Matthäus 13,44-46
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Wochenspruch:
Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern. (Lukas 12,48)
Psalm: 40,9-12
Lesungen
Altes Testament:
Jeremia 1,4-10
Epistel:
Philipper 3,7-11 [12-14]
Evangelium:
Matthäus 25,14-30
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 168,1-3
Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied:
EG 497
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
Predigtlied:
EG 302
Du meine Seele, singe
Schlusslied:
EG 168,4-6
Wenn wir jetzt weitergehen
Christus spricht: 44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. 45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, 46 und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Liebe Gemeinde
da hat einer das große Los gezogen! Das hören wir manchmal, das lesen wir manchmal in der Zeitung. Dieser und jener hat im Lotto den Jackpot gewonnen und kann sich nun über so und soviel Millionen freuen.
Da hat einer das große Los gezogen! Das sagen wir auch dann, wenn einer bei einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent Arbeit findet. Oder wenn eine junge, allein erziehende Mutter eingestellt wird, obwohl der Arbeitgeber damit rechnen muss, dass sie oft ausfallen wird, weil ihr Kind krank ist.
Wir hören heute auch von Leuten, die das große Los gezogen haben: Bedienstete, die mit anvertrautem Vermögen gut umgegangen sind. Etwas weniger elegant könnte man auch sagen: Leute, die mit anvertrautem Vermögen gut spekuliert haben. Wir haben von einem Apostel gehört, der mit seinem Glauben das große Los gezogen hat. Alles, was Paulus bisher etwas wert war, ist ihm ein Dreck geworden, weil er nun Christus kennt. Auch so kann man das große Los ziehen.
Tatsächlich? Kann man mit Christus das große Los ziehen? Ist das nicht sehr an den Haaren herbeigezogen? Das große Los: Das ist doch eher der Sechser im Lotto, der Arbeitsplatz, eine glückliche Bekanntschaft, die manche Tür öffnet. Aber Christus und das große Los? Ist das nicht vielleicht etwas mehr für ganz fromme Menschen, zu denen sich die meisten nicht rechnen?
Uns begegnen heute in den Texten Menschen, die das große Los gezogen haben. Aber in den beiden Gleichnissen, die wir in unserem kurzen Predigttext gehört haben, geht es um solche Menschen nicht.
Es geht in den beiden kurzen Geschichten nicht um den Finder des Schatzes im Acker und es geht auch nicht um den Perlenhändler. Es geht um den Schatz im Acker und es geht um die kostbare Perle.
Das Himmelreich gleicht diesem Schatz und dieser Perle. Wir fragen uns: Worum geht es hier? Was bedeutet das?
Zuerst bedeutet das: Das Himmelreich, Gottes unmittelbare Welt ist verborgen, versteckt. Auf die Frage: Wo ist denn nun Gottes Welt? kann man eben nicht antworten: An der nächsten Ampel rechts oder links ab oder gerade aus. Gottes Reich ist versteckt. Und man muss eben nicht nur nach ihm suchen, man muss es auch finden.
Das einzusehen, fällt uns heute schwer. Aber es ist Menschen immer schon schwer gefallen. Moderne Zeiten stehen immer im Verdacht, besonders oberflächlich und vordergründig zu sein. Das werfen ältere Generationen den jüngeren oft vor. Medien scheinen diesen Trend auch zu befördern. Hauptsache eine reißerische Schlagzeile, eine gute Story, die Hintergründe interessieren doch keinen.
Aber schon im Alten Testament können wir lesen: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ (1. Sam 16,7) Es ist ein ganz altes Phänomen, dass wir gern schnelle Lösungen haben wollen, die schnell Wirkung zeigen. Wer hat denn schon die Zeit, genauer hinzusehen?
Wir nehmen uns die Zeit dazu. Man könnte auch sagen: Christen sind Menschen, die Zeit haben, nach Gott zu fragen. Wie ist das mit Gott und mit seiner neuen Welt. Was muss man machen, um sie zu finden?
Die biblischen Texte heute sagen: Du musst dafür deine Talente einsetzen, deine Gaben, vielleicht auch dein Geld. Du musst die Fähigkeit entwickeln, die Dinge der Welt zu relativieren. Du musst Geduld haben und wohl auch eine Portion Glück. Wer einen Schatz findet, braucht dazu Glück und auch zu einem guten Geschäft gehört Glück.
Um Gott zu finden muss der Mensch auch Glück haben, etwa das Glück, dass er durch andere Menschen, seine Eltern etwa, auf Gott aufmerksam gemacht wird. Andere wiederum haben das Glück, dass ihnen eine Bibel in die Hände fällt und sie von einer bestimmten Bibelstelle angesprochen werden, die sie nie mehr loslässt.
Wir wissen, wie viele Menschen dieses Glück nicht haben, wie viele Menschen nichts von Gott wissen.
Aber es wäre natürlich völlig verkürzt, würden wir sagen: Der Glaube, unser Leben mit Gott, sei eine Glückssache, die der eine eben hat, der andere nicht.
Ein Schatz lässt sich nur finden und heben, wenn man auch nach ihm sucht. Erfahrene Schatzsucher aber suchen nicht einfach drauf los, sie wissen in etwa, wo das Suchen lohnt.
Aber all das reicht in unserem Gleichnis noch nicht aus. Der Finder des Schatzes muss den Acker kaufen, in dem er den Schatz gefunden hat. Er muss also etwas einsetzen, um in den Besitz des gefundenen Schatzes zu gelangen. Alles, was er hat, setzt er ein. Auch der Händler, der die kostbare Perle findet, muss alles verkaufen, was er hat, um die Perle erwerben zu können.
Hier wird wohl nicht davon gesprochen, dass nur Besitzlose Anteil am Himmelreich haben können. Dann wäre für uns die Sache wohl erledigt. Es darf nicht übersehen werden, dass es sich hier um ein Gleichnis handelt, das in die Wirklichkeit unseres Lebens übersetzt werden muss.
Das Gleichnis macht deutlich, dass das Finden des Himmelreiches eben nicht nur das Suchen und ein Quäntchen Glück voraussetzt, sondern auch den Einsatz des Suchers, wenn er denn fündig geworden ist.
Hinter dem „... und er verkaufte alles, was er hatte“ steckt die Tatsache, dass das Finden des Himmelreiches das Leben von Menschen verändert. Wer mit Gott im Bunde ist, kann sein Leben nicht lassen, wie es war. Nicht nur, dass sein Leben nun von einer großen Freude geprägt ist, diese Freude fordert geradezu heraus, dass etwas im Leben neu wird.
Manche Menschen erleben das ganz existenziell. Der eine kann sein vermeintlich kleines Leben in den größeren Zusammenhang des Willens Gottes einordnen. Bei der kirchlichen Trauung wird gefragt: „Wollt ihr eurer Leben nach Gottes Gebot und Verheißung führen?“ Wenn Menschen bejahen, das machen, können sie eine Befreiung erleben, weil sie die beglückende Erfahrung machen, wie Gott uns durch seine Gebote ein Leben in großer Freiheit ermöglicht.
Andere Menschen werden fähig, ihr Leben in das Verhältnis zu anderen zu setzen, ohne dass dieses Verhältnis nur von Konkurrenz geprägt sein muss. Weil ich diesen Schatz habe, muss ich doch nicht in jedem Fall auf meine Rechte pochen, eifersüchtig über die Zuneigung von anderen wachen und sie um jeden Preis haben wollen.
Nein, ich kann offen auf andere zugehen, mich mit ihnen freuen, mit ihnen lachen, reden, aber auch weinen und schweigen. Denn ich habe ja den Schatz und die Perle- und was ich dafür einsetzen muss, um den Besitz zu erwerben und zu behalten, ist, dass ich meine Mitmenschlichkeit weitergebe. Die Freude, die uns Gott schenkt, weitergeben und nicht damit angeben, wir seien vielleicht besser als die andern, das ist die christliche Tugend.
Merkwürdig einsilbig bleiben die beiden kurzen Gleichnisse bei der Frage nach einem Ergebnis. Was konkret bringt denn nun der Besitz des Schatzes und der Perle?
Das ist eben nicht eindeutig zu beantworten und es ist wohl auch von Mensch zu Mensch verschieden. Gehen wir von dem Gleichnis aus, dann können wir wohl vermuten, dass die Ahnung vom Himmelreich uns Freude bringt, so wie der Besitz eines Schatzes oder einer anderen Kostbarkeit Freude bringt.
Aber wir merken auch, dass hier der Vergleich hinkt, denn das verborgene Himmelreich können wir nicht wie den verborgenen Schatz und die kostbare Perle besitzen. Wir können nicht sagen: Wir haben das Himmelreich, nun kann uns nichts mehr passieren.
Das Himmelreich, Gottes neue Welt ist für uns kein Besitz, sondern eine Verheißung.
Das Ende der Zeit ist für den Menschen nicht das Ende, sondern die Verheißung einer neuen Zeit. Das bedeutet nicht, dass man sich in die Zeitläufte und Ungerechtigkeiten des irdischen Lebens ergeben hineingeben soll nach dem Motto: Im Himmel werden wir es schon besser haben. Nein, die Verheißung des Reiches Gottes kann wohl ein Trost sein, aber sie ist keine Vertröstung. Sie ist eine Befreiung, eine Befreiung für das Leben von uns Christen zum Handeln.
Oder anders gesagt: Die Verheißung des Reiches Gottes gibt uns Christen eine große Chance. Wir sind mit einem Fuß schon herausgelöst aus den Zwängen dieser Welt. Durch Gottes Wort sind wir schon aufmerksam auf diesen Schatz, der im Acker unseres Lebens verborgen liegt. Gottes Wort macht uns sensibel für diese Perle, die es irgendwo auf dem Markt unseres Lebens schon gibt und die wir nur noch finden müssen.
Der Zins dieses Besitzes, dieses Geschenkes Gottes ist keine Weltferne, sondern die Freiheit zur Weltnähe; kein Abgehobensein sondern die Freiheit, auf dem Boden zu stehen; ist keine Flucht vor den Fragen und Problemen, sondern die Freiheit, nach Antworten und Lösungen zu suchen. Es ist eine ganz alte Einsicht, dass mit der Frage nach dem Himmelreich für uns auch immer die Frage nach unserer Verantwortung zusammenhängt. Wir haben diese Frage oft als Drohinstrument verstanden oder missbraucht: Wenn du das und das nicht tust, dann kommst du nicht in den Himmel.
Dabei wird ein wesentliches Moment im Gleichnis übersehen und ausgeblendet. Wir als Gemeinde von Christinnen und Christen müssen uns auch selbstkritisch fragen, inwieweit wir es manchmal ausblenden. Es geht um die Freude. „In seiner Freude“ geht der Schatzfinder hin und verkauft alles, was er hat und kauft den Acker und damit den Schatz. „In seiner Freude“ nicht in seiner Resignation, in seiner Verbitterung - auch nicht nach seiner Gewohnheit und erst recht nicht in irgendeiner Form von Überheblichkeit. Nein: in seiner Freude!
Strahlen wir diese Freude aus? Oder ist sie bei uns noch besser verborgen als der Schatz im Acker oder die Perle auf dem Markt und muss da jemand schon großes Glück haben, um sie zu finden?
Es geht dabei nicht um ein aufgesetztes Sonntags- oder Kirchenlächeln, das erstirbt, wenn es sich unbeobachtet weiß oder glaubt. Es geht um die Lebenshaltung der Menschen aus dem Gleichnis: Eine Freude, die aus dem Innern kommt, die auch dann trägt, wenn Leid ins Leben einfällt, die Zuversicht gibt, wenn die Lage schwierig ist oder erscheint. Diese Freude wird uns mit der Hoffnung auf Gottes neue Welt, so verborgen sie auch manchmal sein mag, geschenkt.
Sie ist das Pfund, das Talent, mit dem wir wuchern dürfen und sollen. Amen.
Verfasser: Provinzialpfarrer Karsten Müller, Leibnizstraße 4, 39104 Magdeburg
Email: karsten.mueller@ekmd.de
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).