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Anvertraute Gaben

von Uta Liebe (Gotha)

Predigtdatum : 24.07.2016
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 8. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Philipper 3,7-11.(12-14)
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Wochenspruch:
"Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern."(Lukas 12, 48)
Psalm: 40, 9 - 12

Lesungen
Altes Testament: Jeremia 1, 4 - 10
Epistel: Philipper 3, 7 - 14
Evangelium: Matthäus 25, 14 - 30


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 168 Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied: EG 497 Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
Predigtlied: EG 210 Du hast mich, Herr, zu dir gerufen
Schlusslied: EG 324, 5 - 7 Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut

Predigttext Philipper 3,7 - 14
„Aber war mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten. Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin. Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich’s ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgestreckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“


Predigt

Liebe Gemeinde,
wir sitzen am Tisch und spielen mal wieder „Mensch ärgere dich nicht“. Es sieht gut aus für mich, zwei kleine Figuren hab ich schon drin, aber dann holen die anderen auf. Mist! Ich verliere und ärgere mich, obwohl ich mich doch nicht ärgern sollte ...

Gewinn und Verlust, darum geht es auch in meinem Leben. In diesem Spiel spüre ich was gewinnen und was verlieren ist. In meinem Leben fühlt sich Gewinnen gut und Verlieren viel schwerer, ja schlecht an.

Was ist dann wichtiger? Gewinnen oder Verlieren?
Paulus war ja ein kluger jüdischer Gelehrter, er hatte die Schriften genau studiert. Nach seiner Überzeugung wusste er, was richtig und was falsch ist. Über Jahrhunderte hatte sein Volk so geglaubt, wie die Gelehrten es ihnen predigten. Die Gesetze, einst von Gott an Mose überbracht und weiter in über 600 Gesetze und Ergänzungen ausgeführt, mussten eingehalten und peinlichst genau gelebt werden. Das führt zu einem Leben, bei dem man gegen sich selbst ankämpft bis zum Zusammenbruch.

Und jetzt gab es da so eine Splittergruppe, die vieles anders machte. Die nicht die Gesetze für die letzte Wahrheit hielten, sondern Gnade und Hingabe Gottes in den Mittelpunkt ihres Glaubens stellten.

Das konnte und wollte Paulus nicht dulden. Die göttlichen Spielregeln waren Gesetz, da musste er handeln. Er wird zu einem Verfolger für seine Wahrheit. Nach dem Prinzip: Ich weiß, was für dich richtig ist, und wenn ich Erfolg damit habe, musst du dich mir unterwerfen.

Paulus tut was er kann – so wie alle, die Erfolg und Macht haben wollen und denen eine Ideologie wichtig ist. Vermutlich war er auch wirklich erfolgreich mit seinen Maßnahmen gegen diese neue abergläubische Gruppe der Christen.
Und dann, dann kommt doch alles anders. Dann kommt das andere Prinzip. Eine neue Erfahrung, eine Kehrtwende, eine andere Haltung, neue Horizonte.

Sie kennen diese Geschichte. Paulus erlebt in der Nähe von Damaskus einen gigantischen lichtvollen Moment. Er hört eine Stimme, die ihn ruft: Saul, Saul was verfolgst du mich?!

Mich erinnert das auch an die Hirten auf den Feldern von Bethlehem als die Engel kommen. Und an Mose. Da ist Gott gegenwärtig im brennenden Dornbusch. Und auch Abraham wird in der Nacht zum Aufbruch in ein neues Land gerufen.
Ein klarer Moment ist diesen Geschichten gemeinsam, ein entscheidender Moment an dem sich zeigt: So wie bisher geht es nicht mehr. Da ist neues Land in Sicht. Da werden die Weichen anders gestellt, die Lebensfahrt nimmt eine andere Richtung. Das bisher geglaubte wird umgekrempelt.
Anders als die Hirten, Abraham oder Mose beschreibt Paulus seine innere Wandlung sehr drastisch. Alles was früher war, ist nichts mehr wert, ist aus und vorbei, ist „Dreck“ von gestern.

Ein wenig bewundere ich seinen Bruch mit der Vergangenheit. Er veröffentlicht den tiefen Abgrund seiner Seele, was ihn geprägt und so gemacht hat wie er ist. Und dann wischt er alles gewesene vom Tisch und betont: Jetzt bin ich ein völlig neuer Mensch! Dabei war Paulus ein geachteter und gefragter Mann mit Bildung und Ansehen.

Und das soll jetzt alles anders sein? In wenigen Worten erfahren wir viel über das Innenleben von Paulus. Seine biographischen Daten sind sehr dürftig. Aber ahnen kann ich, dass er kein geradliniges Leben hatte. Das soll mit einem Mal nichts mehr gelten, nichts mehr wert sein? Was hat ihm, dem es zweifellos gut ging, diesen Stich in die Seele gegeben, dass sich von einem zum anderen Tag seine gesamte Lebensausrichtung ändert?
„Ich vergesse, was hinter mir ist“, sagt er, „Ich strecke mich nach dem, was vor mir liegt und laufe auf das Ziel zu - Christus Jesus“.

Hängt da einer nicht vorschnell sein Fähnchen nach dem Wind? Was hat diesen Mann so berührt, dass er mit einem Mal so völlig neue Wege einschlägt? Und wodurch kam sein Leben in eine so extreme Krise, dass alles, was früher wichtig war, nun nicht mehr gelten soll?

Einer, der seine Opfer verfolgt hat mit aller Härte, lernt seine Opfer kennen mit allem was diesen neuen Glauben aus

macht. Er, der Verfolger, wird Christ und wird selbst unter Verfolgung zu leiden haben, schlimmer als er es je tat.
„Ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist.“

So beschreibt Paulus seinen Lernweg. Was ist wichtig? Worauf kommt es an? Was ist ein Gewinn für das Leben, nicht nur für das eigene, ein Gewinn, der nicht zum Verlust wird?
Paulus gewinnt neue Einsichten. Sein Gewinn für die noch junge Kirche ist diese Gnadenzusage Gottes, die für ihn persönlich zu einem heilvollen Weg wird. Und sie wird entscheidend seine Theologie prägen. Auch Luther entdeckt sie wieder.

Auffallend ist, dass Paulus keine konkreten Angaben macht. Er sagt nicht: Dieses muss man tun und jenes muss man lassen. Er redet nicht von neuen Maßstäben fürs Handeln, nicht von Ritualen und Übungen für den Alltag. Das darf man essen und jenes nicht, das darf man sagen und jenes nicht, dies und jenes muss man glauben und weh dem, der das nicht kann ... Er macht seine persönliche Wende-Erfahrung nicht zum Maßstab für andere.

Nur das Zentrum ist wichtig, schreibt Paulus. Mit Christus verbunden sein - darauf kommt es an. In der Herzmitte mit ihm verbunden sein, aus seiner Quelle leben, das ist wichtig. Das ist meine Inspiration, das ist meine Haltung aus göttlicher Liebe, so Paulus. Dieses Neue fließt in sein Denken und in sein Verhalten. Sich mit Jesus verbunden fühlen. Das ist wichtig. So verstehe ich Paulus - den neuen Paulus.
Wie kann das gehen? Heute bei mir, bei Ihnen?

Wenn ich zurückschaue auf mein Leben, wie war es? Wer bin ich gewesen und wie bin ich geworden? Da gibt es Augenblicke, wo ich auf der Stelle trete. Lebensregeln und Weisheiten tragen nicht mehr. Krisen kommen langsam oder plötzlich. Aber in die Zukunft kann ich nur gehen, wenn ich meine Vergangenheit kenne, sie beachte und sie auch ein Teil meiner Geschichte ist.
Wie diese Frau, die sich nach 25 Jahren von ihrem Mann trennt und meint, dass an dieser Ehezeit alles furchtbar war. Sie klagt ihre eigene Dummheit, an so lange mit der Trennung gewartet zu haben und viele ihrer Freundinnen und Freunde wissen, dass sie übertreibt. Oder eben wie Paulus:“ Früher habe ich die Christen verfolgt. Das war schlimm, ich will damit nichts mehr zu tun haben.“ Ja, er will Abstand von dem, was war. Das ist hilfreich, aber wir können nicht ohne unsere Vergangenheit leben.

Es passiert schnell, dass ich mich wegen früher selbst nicht mehr lieben kann, dass es mir peinlich ist, einmal so gewesen zu sein. Die Versuchung, dass zu vergessen, ist groß. Denn es ist schwer zu sagen: Das war ich. Jetzt bin ich anders, meine Haltung ist eine andere, ich durfte andere Erfahrungen machen. Damals, das war ich, das war mein Leid und mein Glück, auch wenn da Irrtümer waren, die noch nicht sehen konnte. Aber ich wäre heute nicht die Person, die ich – Dank einer Krise - geworden bin.

Mit welchem Blick schaue ich mich an? Könnte ich nicht auch überheblich werden und sagen: Ich bin doch so toll geworden!

Zurückschauen auf mein Leben geht nur mit einem liebevollen Blick. Denn dann kann ich andere, die vielleicht ein wenig so sind wie ich früher, besser verstehen. Diese liebevolle Haltung hilft mir, andere wahrzunehmen, weil ich einen inneren Weg gehen konnte, um zu reifen.

Und eine liebende Haltung kommt aus Gott, denn Gott ist die Liebe. Mich und andere im Licht Gottes sehen, dass ist heilsam. Vielleicht erhellt dieses göttliche Licht auch meine Lebenszeit, die mir in der Vergangenheit so dunkel erscheint. Von vorne leuchtet dieses Licht wie eine Laterne, die Kinder zum Martinstag vor sich her tragen. Das Licht ist immer schon weiter! Es wärmt mich und leuchtet mir. Das strahlt auch in meine Vergangenheit, auch wenn sie das bleibt was sie ist.
Was ist wichtig? Was ist Gewinn und was ist Verlust?

Paulus hat eine schwere Krise und einzigartige Erfahrungen gebraucht, um das zu begreifen. Krisen kommen auch wieder, Schmerz und Leid bleiben, auch im neuen Leben. An all dem kann ich zerbrechen und ins Bodenlose versinken. Paulus trägt dennoch in sich eine neue Stärke: Christus. Mit ihm bekommt er wieder Boden unter die Füße. Ein wenig vielleicht, aber doch so viel, dass Halt spürbar ist. Nachher, nicht vorher wird jemand erfahren, wo er Halt gefunden hat. Halt, der ihn zum Leben zurück finden lässt.

Wenn wir diesen Weg leben, dann ist klar, dass da mehr im Spiel ist als unser eigenes Tun und Können. Verborgene Gnade wirkt wie das Licht am Ostermorgen.
Amen

Schaffe in mir gott ein neues herz
das alte gehorcht der gewohnheit
schaffe mir neue augen
die alten sind behext vom erfolg
schaffe mir neue ohren
die alten registrieren nur unglück
und eine neue liebe zu den bäumen
statt der voller trauer
eine neue zunge gib mir
statt der von der angst geknebelten
eine neue sprache gib mir
statt der gewaltverseuchten
die ich gut beherrsche
mein herz erstickt an der ohnmacht
aller die deine fremdlinge lieben
schaffe mir Gott ein neues Herz
Und gib mir einen neuen geist
dass ich dich loben kann
ohne zu lügen
mit den Tränen in den augen
wenns denn sein muss
aber ohne zu lügen
Dorothee Sölle


Verfasserin: Pfarrerin Uta Liebe
Werner-Sylten-Str. 1, 99867 Gotha

Herausgegeben vom

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