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Anvertraute Gaben

von Peter Keller (60433 Frankfurt)

Predigtdatum : 09.08.1998
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 8. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Philipper 3,7-11.(12-14)
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Wochenspruch:

Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern. (Lk. 12,48)

Psalm: 40,9-12

Lesungen:

Altes Testament:
Jeremia 1,4-10
Epistel:
Phil. 3,7-11 (12-14)
Evangelium:
Matthäus 25.14-30

Liedvorschläge:

Eingangslied:
EG 450
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 497
Och weiß, mein Gott, daß all mein Tun
Predigtlied:
EG 394
oder EG 400
Nun aufwärts froh den Blick gewandt
Ich will dich lieben, meine Stärke
Schlußlied:
EG 414
oder EG 329
oder EG 171
Laß mich, o Herr, in allen Dingen
Bis hierher hat mich Gott gebracht
Bewahre uns, Gott

7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. 8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne 9 und in ihm gefunden werde, daß ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. 10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden, 11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
(12 Nicht, daß ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin. 13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, daß ich's ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, 14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.)

Liebe Gemeinde!
Wir sind ja heute einiges in der Sprache gewöhnt. Kraftausdrücke sind fast schon salonfähig geworden. Nur, eines scheint völlig klar: auf die Kanzel gehören Kraftausdrücke nicht. Undenkbar, daß man ihnen gar in der Bibel begegnen könnte. Wir geben uns ja schon leicht pikiert, wenn ein Psalmist etwa auch einmal seinen Rachegefühlen freien Lauf läßt, oder wir dort dem Ausdruck überschwenglicher Freude oder sogar erotischen Anspielungen begegnen. Alles hat in gutem Anstand und wohl dosiert zu geschehen.
Auch nur die Vorstellung, daß Jesus selbst einmal laut loslacht oder fürchterlich schimpft, mag manchem geradezu grotesk, fast gotteslästerlich erscheinen. Aber all das gehört -wie selbstverständlich- in die Welt der Bibel. Sie ist doch unser Leben!
Wenn nun Paulus hier auf sein früheres Leben zurückblickt und es mit seinem gegenwärtigen Leben vergleicht, dann läßt er sich von uns nicht vorschreiben, daß er dabei gefälligst doch cool und unterkühlt zu formulieren hat; es ist doch sein Leben, und das ist mit Herzblut geschrieben. Wen wundert es deshalb, daß er im Blick auf das Früher und Jetzt seines Lebens so emotionale Urteile spricht. Das Früher -damals von ihm als Gewinn erlebt- betrachtet er aus gegenwärtiger Sicht als Schaden, ja als Dreck, wie Luther übersetzt, was dann die Revision der Lutherbibel von 1956 mit Kot wiedergibt und sachgemäßer sicher noch stärker übersetzt werden kann.
So radikal, so leidenschaftlich ist Paulus an diesem Punkt. Und das ist auch leicht einsichtig! Denn diese Beurteilung von früher und jetzt ist ja wahrhaftig nicht äußerlich an seinem Leben abzulesen, das liegt nicht vor aller Augen. Schließlich war er nicht die unglückliche Tränenfigur, die erst durch das Salböl des Evangeliums aus tiefer Depression herausgeholt wurde. Nein, er meinte früher auf der Gewinnerstraße zu marschieren. Es ging ihm gut; er genoß Ansehen. Ja, dieser junge Pharisäer mit seiner Bildung und seinem gottwohlgefälligen Eifer, er konnte sich makelloser Lebensqualität rühmen, wie er es in den Versen vor unserem Text von sich selbst sagt: er, Paulus, „nach dem Gesetz ein Pharisäer, nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeinde, nach der Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, untadelig“(V5+6).
Dieses Leben war stimmig, äußerer und innerer Segen Gottes schien garantiert. Hier gilt doch, was etwa mit Worten des 1. Psalms allgemeine Überzeugung war und auch bis heute ist: „Wohl dem, der Lust hat am Gesetz des Herrn und sinnt über sein Gesetz Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl“ (V. 2f.). Ja, dieses Leben des Saulus, es konnte und kann imponieren und faszinieren.
Wie viele Anteile davon bilden doch auch unser Lebensrezept: eigene Leistung, eigene Gerechtigkeit und das mit Elan und Engagement umsetzen im tagtäglichen Lebensvollzug. Fast möchte man fragen: weißt du etwas Besseres? So kann man sich doch Geltung verschaffen, so muß doch auch der liebe Gott an uns sein Wohlgefallen haben!
Die pharisäische Frömmigkeit mit ihrem hohen moralischen Ernst, dieser pharisäische Lebensvollzug -oft genug auch von uns diffamiert- wie oft denken wir doch heute: solche pharisäische, moralisch hochstehende und engagierte Lebenshaltung, die genau ist es, die bringt’s, ja, die genau ist es. Ja, wir sind insgeheim versucht zu fragen: stünde es nicht besser, viel besser, mit unserer Welt, wenn wir solche Menschen mit solcher moralischen Integrität hätten? Wäre das nicht der große Gewinn für uns und unsere Welt?
Denn was ist denn das andere? Wie ging es denn mit diesem Saulus, der nach der Wende seines Damaskuserlebnisses zum Paulus wurde, wie ging es denn mit ihm weiter? Schlecht! so muß man doch zunächst ganz einfach sagen. Der äußere Glanz ist dahin. Kennzeichen seiner veränderten Daseinsform wird das Leiden: der Pfahl im Fleisch, wie Paulus das nennt, seine Krankheit also, dazu nun Verfolgungen seinerseits; jetzt muß er um sein Leben fürchten; da sind Anschläge, Schiffbruch, Gefängnis, ihm droht um dieses Glaubens willen nun gar die Todesstrafe.
Und auch in den neuen, eigenen Reihen der christlichen Gemeinde erlebt er nicht nur eitle Harmonie. Da sind Mißverständnisse, Machtkämpfe, Konkurrenz; und seine wirtschaftliche Situation, die ist auch nicht so toll, er, der Teppichknüpfer. Und all diese negativen Erfahrungen zusammen genommen, sie galten damals doch als deutliche Zeichen der Strafe Gottes.
Aber Paulus -und das ist neu- Paulus hält das ihm begegnende Unglück für Segen; er fragt nicht etwa: Womit habe ich das verdient, daß es mir auf einmal so schlecht geht? Jetzt erst, wo er statt von Leistung nur von Leiden reden kann, glaubt er wirklich von Gott angerührt und vor ihm gerecht zu sein.
Ja, im folgenden Kapitel ruft er der Gemeinde und so auch uns selbst zu: „Freut euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich euch: freuet euch!“ Das also ist jetzt das bestimmende Element seines Lebens: die überschwengliche Freude der neuen, lebendigen Gottesbeziehung, der gegenüber alles andere als letzter Dreck erscheint. Deshalb ist all sein Sinnen einzig und allein darauf gerichtet, Christus zu gewinnen, in ihm gefunden, ihm gleichgestaltet zu werden auch in seinem Leiden und Tod, und so gänzlich in Christus zu sein.
Das also ist es nun, was ihn, was sein Leben bewegt, erfüllt, voran bringt. Paulus beschreibt diesen Vorgang, diese Wandlung, die da mit ihm geschehen ist mit immer neuen Worten und Begriffen. Aus dem kaufmännischen Bereich nimmt er den Sachverhalt der Gewinn-Verlust-Rechnung. Jetzt ist alles bei ihm umgebucht; sein Haben gerät auf die Soll-Seite, und auf der Gewinn-Seite steht nun allein das Christus-Zeichen, das Christus-Monogramm, welch ein Reichtum nun auf seiner Haben-Seite.
Juristisch faßt er seinen Wandel im Begriff der Gerechtigkeit, die nun allein Christus für ihn schafft, die im Glauben angenommen allein vor Gott gilt und Leben verheißt in alle Ewigkeit. Philosophisch bezeichnet er seinen Wandel mit dem Begriff der Erkenntnis, die ein tiefgreifendes Erlebnis in sich faßt, das Erkennen des Christus, der Kraft seiner Auferstehung und der Gemeinschaft seiner Leiden. So ist ihm das „solus Christus“, Christus allein groß geworden.
Und wenn wir deshalb in letzter Zuspitzung fragen: wovon also lebt der Mensch?, dann ist klar: nicht von sich selbst, nicht von seinem Tun, nicht von seinen Taten und Werken, nicht von seinem Wirken, von seinen Erfolgen und Leistungen. Nein, es ist alles Geschenk und Gabe. Alles von Gott, er umgreift unser Leben. Können wir nun verstehen, wie leicht Paulus alles wird. Er kann abgeben, er muß sich selbst nicht mehr festhalten. Die Kraft der Auferstehung umgreift sein Leben jetzt und in alle Ewigkeit. Das Ziel der Auferstehung von den Toten ist ihm gesetzt, und nichts, nichts kann ihn mehr trennen von diesem Christus. Er ist zu Hause, geborgen in Zeit und Ewigkeit.
So ordnet sich sein Leben ganz neu. Die Prioritäten sind klar. Eine eindeutige Entschiedenheit kennzeichnet nun sein Leben. Das gibt ihm Kraft, Souveränität und Gelassenheit. Ja, in dieser Eindeutigkeit gewinnt er in Christus eine große Freiheit, die seinem Leben eine ungeheure Kraft und überschwengliche Freude gibt, komme, was da wolle. So kann er nur den Kopf schütteln über sein früheres Leben mit seiner Wertordnung und allem, was ihn bewegte und umtrieb. In Christus ist er eine neue Kreatur, er lebt, leben dabei verstanden in einem tiefen und erfüllten Sinn und zu diesem Leben lädt er uns ein im Namen Jesu Christi.
Gott gebe, daß wir diesen Ruf hören, und in Christus diese Freiheit, diese Freude, diese Gelassenheit und Souveränität gewinnen. Da kann uns nichts mehr umhauen. Christus ist da! Amen.

Verfasser: Pfr. Peter Keller, Neumannstr. 18, 60433 Frankfurt

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