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Apostel und Propheten

von Tilmann Kron (65428 Rüsselsheim)

Predigtdatum : 22.06.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Trinitatis
Textstelle : Lukas 16,19-31
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Wochenspruch:

Christus spricht zu seinen Jüngern: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich. (Lukas 10,16)

Psalm: 34,2-11 (EG 718)

Lesungen

Altes Testament:
5. Mose 6,4-9
Epistel:
1. Johannes 4,16b-21
Evangelium:
Lukas 16,19-31

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 451
Mein erst Gefühl sei Preis und Dank
Wochenlied:
EG 124
Nun bitten wir den Heiligen Geist
Predigtlied:
EG 398
In dir ist Freude
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott

Was, liebe Gemeinde,
muss passieren, damit ich mein Leben überdenke und neu an Gott und seinem Wort ausrichte? Ich weiß, manchmal berichtet jemand davon, dass er die Zeit einer schweren Krankheit oder einen Krankenhausaufenthalt dafür genutzt hat, eine andere, dass eine große Lebenskrise diesen Prozess bei ihr in Gang gesetzt hat. Doch gibt es etwas, was alle Menschen gleichermaßen anzusprechen und zu überzeugen vermag?
Vielleicht haben Sie dazu das folgende Gedankenexperiment schon einmal gemacht: Stellen Sie sich vor, da kommt ein Mensch wieder, der vor drei Wochen begraben wurde, und der berichtet von seinem Geschick und spricht etwa so: „Tut den Armen Gutes und vergesst die notleidenden Menschen zu Lebzeiten nicht. Sonst wird es ganz schlimm für euch nach dem Tod, und keiner kann etwas daran ändern.“ Und was würde wohl daraufhin passieren? Ich stelle mir vor, dass Spiegel, Bildzeitung, SWF 3 und ZDF berichten. Es gibt Diskussionen und Talkshows, Sonderausgaben von Illustrierten und Fernsehspecials ..., das ja. Nur - würde jemand sein Leben überdenken, gegebenenfalls verändern und dann seine Beziehung zu Gott und den Mitmenschen neu leben?
Ich halte es nicht für wahrscheinlich. Viel eher wird man versuchen, Irrtum oder Betrug nachzuweisen, oder sich beruhigen und sagen, dass es so doch nicht gemeint war und vielleicht eher „symbolisch“ zu sehen sei; in einem Wort: es wird zerredet, man redet sich heraus, und es bleibt, wie es vorher war.
Schade, der Anfangsgedanke war gar nicht schlecht. Trotzdem, in dieser Phantasie ist übersehen, dass es das objektiv gültige Argument eben nicht gibt, aufgrund dessen man umkehren, sein Leben ändern müsste.
Glaube und mein Leben entsprechend einzurichten, dies sind Entscheidungen von mir aufgrund von Einsicht und Überzeugungen. Und die reifen - was in meinen Augen sinnvolles, gutes, erfülltes Leben betrifft - in mir, wenn ich Bibel lese, bete und mit anderen Christen über den Glauben spreche, wobei das erstgenannte das Grundlegende ist.
Gott spricht zu mir durch die Bibel. Das ist ganz wunderbar. Das darf mich beschäftigen, und erfreuen! Neben diesem Wunder, dass Gott mit uns redet: in der Bibel, daneben verblassen alle anderen ‚Wunder’, meine Phantasie vom wiedergekommenen Verstorbenen eingeschlossen. Ich denke, dass es tatsächlich so ist: Wer nicht anfängt, sich Gedanken zu machen, wenn er die Bibel liest, und dann beginnt, sein Leben zu überdenken, gegebenenfalls zu verändern, und seine Beziehung zu Gott und den Mitmenschen neu zu leben - dem verhilft wahrscheinlich auch sonst nichts mehr dazu.
Nun sind all diese Fragen und Gedanken nicht neu. „Umkehr“ ist bereits im Lukas-Evangelium ein zentrales Thema. Ein Abschnitt aus dem 16. Kapitel ist für heute als Predigttext vorgeschlagen. Und in diesen Versen wird deutlich, dass Umkehr kein reines Gedankenexperiment ist, sondern im Leben konkret werden, Gestalt und Form annehmen muss.
Jesus sprach: 19 Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. 20 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren 21 und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. 22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. 23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. 24 Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. 25 Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt. 26 Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. 27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. 29 Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. 30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. 31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.
Was mich, liebe Gemeinde, zum Thema „Umkehr“ in dieser Geschichte, die Jesus erzählt hat, betroffen gemacht und überaus nachdenklich gestimmt hat, davon möchte ich jetzt reden: Es ist der reiche Mann. Der Reiche hat keinen Namen in der Erzählung. Ich stelle mir vor, dass sich daher viele Menschen in ihm wiederfinden könnten, auch und vielleicht gerade ich.
Viel wird ja nicht von dem Reichen gesagt. Ob es ein lieber Mensch war, besonders fromm, kinderfreundlich, tierlieb, politisch konservativ oder korrekt gekleidet, das bleibt alles offen. Der Zuhörer erfährt lediglich: Er war reich und führte ein fröhliches Leben. Dass ich alle Tage herrlich und in Freuden leben würde, wie es da heißt, nun, das würde ich nicht so sehen oder sagen wollen. Aber es ist wie mit dem Reichtum. Beides wird im Kontrast zum armen Lazarus sichtbar. Und was für ein Kontrast das ist! Wie unterschiedlich können Menschen nebeneinanderher leben! Für den Reichen aus der Geschichte wird das erst nach dem Tod sichtbar, dann, wenn alles „zu spät“ ist, genau wie seine Bitte um Erbarmen und, als diese abgelehnt ist, sein Mitgefühl für seine Bruder. Auch das: zu spät.
Wir haben den großen Vorteil, dass das alles für uns durch die Geschichte sichtbar wird, also schon vorher, wenn noch nicht „alles zu spät“ ist. Ein deutlicher Ruf zum Innehalten, zum Überdenken des eigenen Lebens, zur Umkehr wird hier hörbar. Und die Frage stellt sich tatsächlich, ob ich in der Geschichte nicht eher dem Reichen als dem armen Lazarus ähnlich bin, und ob ich in der Wirklichkeit meines Lebens den Lazarus vor meiner Haustür übersehe und so an meinem Menschsein vorbeigehe, das heißt: an dem, wie Gott sich mich gedacht hat.
Dies ist ernsthaft zu bedenken. Ich sollte mich nicht mit den bekannten „guten Argumenten und Gründen“ herausreden und auch auf sonst keine Weise an dieser Herausforderung vorbeimogeln. Vielleicht erlebt der eine oder die andere diese Herausforderung eher als eine Zumutung. Das kann sein, wenn man das Gesagte ernsthaft auf sich selbst bezieht.
Gleichwohl ist es ein guter Anlass zum Nachdenken, zur Selbstprüfung. Und vielleicht auch zur Umkehr. Für einen jeden selbst. Letzteres ist im Auge zu behalten. Denn die Lazarusgeschichte ist eine Geschichte, die zur Selbstprüfung anreizen will. Sie zu benutzen, um andere Menschen zu be- und verurteilen, das verbietet sich von ihr aus. Genauso wenig sind wohlgemeinte (Spenden-) Aufrufe an andere gefragt. Hier kann ich nur für mich selbst sprechen. Und ich allein kann auf die Geschichte hin mein Leben überdenken, möglicherweise verändern und meine Beziehung zu den Mitmenschen und zu Gott neu leben.
Letztlich geht es dabei um das erste Gebot und die Frage: Setze ich auf das Geld, dass es mir Sicherheit für mein Leben gibt? Oder habe ich das Vertrauen zu Gott, dass Gott für mich sorgen wird und ich deshalb mein Geld für andere Menschen sinnvoll nutzen kann? Es ist klar: Je nachdem, wer mein Gott ist, werden auch entsprechend die realen Auswirkungen auf mein Verhalten zu meinen Nächsten sein.
Von meinem Vertrauen auf Jesus Christus her könnte ich den Gehalt der Geschichte auch folgendermaßen betrachten: Seinen Reichtum zu teilen, das muss weder Selbstzweck noch unangenehme Hausaufgabe oder himmelhohe Hürde, sondern kann Kurskorrektur sein, Umkehr auf den Weg zum Menschsein, hin zu sinnvollem und erfülltem Leben, und auch hin zu Gott. Jesus Christus sagt nämlich: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt 25, 40b). Ehe es vielleicht zu spät ist, könnte ich die Umkehr wagen - in seinem Namen.
Weil er es uns zutraut und uns, auch mir, zusagt: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Mt 28,20b). Amen.

Verfasser: Pfr. Tilmann Kron (1997)

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