Wochenspruch: Christus spricht: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich. (Lukas 10,16a)
Psalm: 34,2–11 (EG 718)
Reihe I: Johannes 5,39-47
Reihe II: Apostelgeschichte 4,32-37
Reihe III: Jona 1,1-2,2(3-10)11
Reihe IV: Lukas 16,19-31
Reihe V: 1. Johannes 4,(13-16a)16b-21
Reihe VI: Jeremia 23,16-29
Eingangslied: EG 365 Von Gott will ich nicht lassen
Wochenlied: EG 382 Ich steh vor dir mit leeren Händen
Predigtlied: EG 420 Brich mit dem Hungrigen dein Brot
Schlusslied: EG 430 Gib Frieden, Herr, gibt Frieden
32 Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam.
33 Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Aufer-stehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen.
34 Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte
35 und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte.
36 Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig,
37 der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.
„Das gibt’s doch gar nicht!“ – wie oft durchfuhr uns dieser Satz in den zurückliegenden Wochen und Monaten. „Das kann es doch gar nicht geben!“ Sprachloses Entsetzen hat uns eins ums andere Mal gepackt, wenn wir auf immer neue Schreckensstatistiken blicken mussten, wenn wir Nachrichten sahen von Menschen und Ländern, die es noch viel härter getroffen hat als uns … [hier gegebenenfalls aktualisieren] So eine globale Krise hat noch keiner von uns erlebt.
„Das gibt’s doch gar nicht!“ – wie oft waren wir aber auch von ungläubigem Staunen ergriffen: Was in der Krise mit einem Mal alles möglich ist! Menschen halten zusammen und helfen einander – bei allen notwendigen Abstandsgeboten. Unglaublich viele Ideen entstehen, wie das Leben trotzdem weitergehen kann. Staaten geben Milliarden frei, um die in Not Ge-ratenen zu unterstützen … [hier auch gegebenenfalls aktualisieren]. Selbst Reiche, die bisher ihre ganze Intelligenz darauf verwendet haben, ihren privaten Reichtum zu vermehren, fangen an zu spenden und zu teilen. - Auch in der Seelsorge, in der Art, wie Gemeinden Gottesdienst feiern und in der Diakonie sind die Ideen wie Frühlingsblumen aus dem Boden geschossen: Gebetsgemeinschaft per Telefon. Gottesdienste zu Hause oder per Internet. Seelsorge und Beratung per Videokonferenz. Sorge für die Schwächsten in der Gesellschaft, für die Obdachlosen, für Kinder in angespannten Familienverhältnissen. [hier können konkrete Beispiele aus dem Umfeld der Predigenden eingefügt werden] – Vor ein paar Monaten hätten wir wohl über das meiste davon auch gesagt: „Das gibt’s doch gar nicht!“ – Doch, das gibt’s.
Und jetzt hören wir den Evangelisten Lukas, der uns in der Apostelgeschichte von der „Gütergemeinschaft der ersten Christen“ erzählt:
All die vielen Menschen, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, waren ein Herz und eine Seele. Niemand von ihnen betrachtete etwas von seinem Besitz als persönliches Eigentum; alles, was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam.
Mit großer Kraft und bestätigt durch Wundertaten bezeugten die Apostel Jesus als den auferstandenen Herrn, und für alle sichtbar lag großer Segen auf der ganzen Gemeinde.
Es gab unter ihnen niemand, der Not leiden musste. Denn die in der Gemeinde, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften sie, wenn es an etwas fehlte, brachten den Erlös herbei und legten ihn vor den Füßen der Apostel nieder. Das wurde dann unter die Bedürftigen verteilt.
So machte es auch Josef, ein Levit aus Zypern, den die Apostel Barnabas nannten, das heißt »der Mann, der anderen Mut macht«. Er verkaufte seinen Acker, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.
(Apg 4,32-37 Gute Nachricht Bibel)
„Das gibt’s doch gar nicht!“ ist unsere erste Reaktion. Ungläubiges Staunen! So soll das in der ersten Gemeinde in Jerusalem bald nach Ostern gewesen sein? Alle Einkünfte die irgendjemand hatte, waren für alle da? Rücklagen wurden geteilt? Sogar Erlöse aus Immobilen flossen in die gemeinsame Grundversorgung ein? Und darüber soll es keine Konflikte gegeben haben? Ein Herz und eine Seele war die ganze Gemeinde? Und niemand, der Not leiden musste? „Das gibt’s doch gar nicht!“ Das geht zu weit. Ein schöner Traum. Aber das funktioniert doch nicht! Das ist doch zu schön, um wahr zu sein. Das hat nie geklappt. – Doch! sagt uns der Evangelist Lukas, das gab es! Und das kann es wieder geben!
Ein paar Beispiele aus der Gegenwart oder der jüngeren Vergangenheit:
In der Christusbruderschaft Selbitz, einem evangelischen Kloster, wird aus der Gründungszeit folgende Legende erzählt: Ganz am Anfang waren junge Leute ins Pfarrhaus gezogen und hatten mit dem gemeinsamen Leben begonnen. Sie haben alle von dem einen Pfarrgehalt gelebt. Bald war es viel zu eng dort. Da verkündete der Gründer der Communität, Walter Hümmer: „Wir fangen an zu bauen, wenn drei Dinge eintreten, um die wir jetzt beten: Erstens: wir bekommen ein Grundstück geschenkt. Zweitens: Ein Architekt plant uns das Haus umsonst. Und Drittens: Es bleiben einmal am Ende des Monats 100 D-Mark in der gemeinsamen Kasse übrig.
„Das gibt’s doch gar nicht!“ würden wir spontan reagiert haben. Doch! Es ist genauso eingetreten! Und noch heute leben etwa hundert Schwestern in der der Communität – natürlich in Gütergemeinschaft. Das ist auch nicht der „Himmel auf Erden“. Das braucht auch dort viel ökonomische Klugheit und vorausschauendes Planen. Aber es geht!
Anderes Beispiel: Denken Sie mal dran, wie die Methode des Crowd-Funding [sprich: kraud-fanding] in den vergangen Wochen soziale Projekte in aller Welt vor dem Ruin bewahrt hat: Via Internet werden von sehr vielen Gebern kleine Beträge eingesammelt, um das notwendige Eigenkapital für Projekte zusammen zu bringen, die bei keiner Bank Kredit bekommen. Es geht! Das schafft nicht den „Himmel auf Erden“, aber es ist allemal besser als hemmungslose Privatisierung und Profitsteigerung in der Krise und Hamstern und Horten.
Ein weiteres Beispiel ist „Oikocredit“, die gemeinnützige Genossenschaftsbank, die seit Jahrzehnten Kredite an Kleinunternehmer und Genossenschaften in aller Welt vergibt, und zwar an solche, die auf dem Finanzmarkt, niemals kreditwürdig sind. Viele einzelne Personen stellen dieser Bank für mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte ihre Rücklagen zur Verfügung, damit sie Kredite zu fairen Bedingungen vergeben kann. Das schafft auch nicht den „Himmel auf Erden“. Aber es ist doch eine Möglichkeit für gerechteres Wirtschaften. Es ermöglicht unzähligen Menschen auf der ganzen Erde das wirtschaftliche Überleben. Und es ist ein Modell für eine globale Finanzwirtschaft, die nicht die Superreichen immer noch reicher macht, sondern die zum Nutzen der ganzen Menschheit funktioniert und allen dient. „Das gibt’s doch nicht?“ – Doch, das gab es, das gibt es, und das kann es wieder geben!
Theologen haben das, was der Evangelist Lukas in der Apostelgeschichte erzählt, einmal den „urchristlichen Kommunismus“ genannt. Das ist sicher eine ganz unglückliche Bezeichnung, nachdem die Idee des Kommunismus im 20. Jahrhundert auf so grauenvolle Weise missbraucht und in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Und alle sagen: „Das wollen wir auf keinen Fall noch einmal haben!“
Nein, es geht nicht um Diktatur oder irgendeine Form des Zwangs. In dem, was Lukas erzählt, weht ein großer Geist der Freiheit zu uns herüber. Alle tun das freiwillig und mit Freude. Sie waren ein Herz und eine Seele. Es geht auch nicht um Gleichmacherei, sondern um eine ganz individuelle freie Entscheidung eines jeden.
Darum erwähnt Lukas auch den einen besonders, den Josef, ein Levit aus Zypern, den die Apostel Barnabas nannten, das heißt »der Mann, der anderen Mut macht«. Der hat es genauso gemacht, wie es der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht. Das gab es, und das kann es wieder geben.
Ja, Lukas erzählt dann wenige Zeilen später auch von den anderen, von Hananias und Saphira, die das eben nicht so gemacht haben, die etwas für sich privat behalten haben, und für die war das „der Tod im Topf“. Ja, Lukas ist an dieser Stelle schroff und radikal – wie er ja auch sonst im Blick auf materielles Eigentum sehr radikal ist. Denken wir an den „reichen Kornbauern“, der gute Erträge hat, der Scheunen baut und Rücklagen bildet und das Eigentum für sich arbeiten lässt und der plötzlich vor der Frage steht: Wofür das alles? „Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern.“ –
Auf der anderen Seite Zachäus. Der kehrt sich ab von seiner Praxis der betrügerischen Selbstbereicherung, und Jesus, der bei ihm einkehrt, sagt zu ihm: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren.“ Und Jesus lobt im Lukasevangelium die Witwe, die im Tempel ihren letzten Groschen in den Opferstock lebt und damit alles weggibt, ihre letzte Sicherheit, die sie noch zum Leben hat. Und Lukas erzählt natürlich auch von der Speisung der 5000, wie Jesus über dem wenigen, was da ist, das Dankgebet spricht, und es dann austeilen lässt und wie es für alle reicht. „Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt.“ Das gab es schon, das kann es wieder geben.
Und das alles, weil er uns, wie Maria in ihrem Lobgesang sieht, vor dem Gott stehen sieht, der die Hungrigen mit Gü-tern füllt und die Reichen leer ausgehen lässt, der die Gewaltigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhebt.
Vielleicht sind wir zu dieser Radikalität, die der Evangelist Lukas in seinem Evangelium und in der Apostelgeschichte ausruft, nicht fähig. Und sicher ist auch eine Kommunität, in der allen alles gehört, weil sie so gut wie kein persönliches Eigentum haben, nicht das Lebensmodell für alle und jeden.
Und doch: Die Haltung, die dem zugrunde liegt, an der können wir uns orientieren:
All die vielen Menschen, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, waren ein Herz und eine Seele. Niemand von ihnen betrachtete etwas von seinem Besitz als persönliches Eigentum; alles, was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam.
Und jeder von uns kann schauen, wie er oder sie in ihrem eigenen Leben etwas davon verwirklichen kann.
Das wird dann noch lange nicht der „Himmel auf Erde“. Aber es ist auch nicht nichts. Und sollte dann nicht auch das eintreten, was Lukas am Rande vermerkt? - für alle sichtbar lag großer Segen auf der ganzen Gemeinde.
„Das gibt’s doch nicht?“ – Doch, das gab es! Das kann es wieder geben.
Amen
Gott, wir bekennen dir unsere Schuld:
so viel Abstand voneinander und so wenig Barmherzigkeit
so viel Nebeneinander und so wenig Nähe,
so viel Ellbogen und so wenig Umarmung,
so viele Worte und so wenig Klarheit,
so viel Furcht und so wenig Vertrauen.
Wir bitten dich, vergib uns durch deine Gnade
und erneuere uns durch deinen Heiligen Geist.
Noch bevor wir dich suchen, Gott,
warst du bei uns.
Wenn wir dich als Vater anrufen,
hast du uns längst schon wie eine Mutter geliebt.
Wenn wir „Herr“ zu dir sagen,
gibst du dich als Bruder zu erkennen.
Wenn wir deine Brüderlichkeit preisen,
kommst du uns schwesterlich entgegen.
Immer bist du es,
er uns zuerst geliebt hat.
Darum sind wir jetzt hier,
nicht weil wir besonders gut und fromm wären,
sondern weil du Gott bist,
und weil es gut ist, Dir nahe zu sein.
Amen
So großzügig bist Du, Gott, ewiger Vater, mit uns.
Hilf uns, auch großzügig miteinander umzugehen.
Alles hast Du für uns gegeben, Jesus Christus,
zuletzt Dich selbst.
Wecke Vertrauen in uns, dass wir miteinander teilen,
was uns zum Leben gegeben ist.
Geist der Freiheit und der Liebe,
Du kannst Herzen verwandeln. Verwandle auch uns.
Du kannst immer von neuem anstiften,
was mit Jesus begonnen hat.
Für alle, die in Kommunitäten in Gütergemeinschaft und ohne persönliches Eigentum leben, bitten wir dich:
Segne sie.
Für die, die sich für Modelle gerechten Wirtschaftens engagieren: Stärke ihre Phantasie und ihre Ausdauer.
Für die, die ungerechten Gewinn aus der Krise schlagen: Tritt ihnen entgegen. Bewege sie zum Guten.
Für alle, die durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Not geraten sind: Steh ihnen bei und mach uns alle bereit zum Teilen.
Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf
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