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Auferstanden durch Glauben aus der Kraft Gottes

von Peter Noss

Predigtdatum : 24.04.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : Quasimodogeniti
Textstelle : Kolosser 2,12-15
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Wochenspruch: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. (1. Petrus 1,3)

Psalm: 116,1-9.13

Lesungen

Reihe I: 1. Petrus 1,3-9
Reihe II: Jesaja 40,26-31
Reihe III: Johannes 21,1-14
Reihe IV: Kolosser 2,12-15
Reihe V: 1. Mose 32,23-32
Reihe VI: Johannes 20,19-20(21-23)24-29

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 162 Gott Lob, der Sonntag kommt
Wochenlied: EG 108 Mit Freuden zart
Predigtlied: EG 210 Du hast mich, Herr, zu dir gerufen
Schlusslied: EG 200 Ich bin getauft auf deinen Namen

Predigttext: Kolosser 2,12-15

12 Mit ihm seid ihr begraben worden in der Taufe; mit ihm seid ihr auch auferweckt durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. 13 Und Gott hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. 14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn aufgehoben und an das Kreuz geheftet. 15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus.

Hinführung

Taufe, Beschneidung und die befreiende Kritik an der Macht

Drei Themen, die miteinander in Beziehung stehen und dem Predigttext eine aktuelle Kraft geben, die sehr gut zur österlichen Aufbruchsstimmung passt.

Dieser Abschnitt aus dem Kolosserbrief, der als einer der bekannten Tauftexte gelten darf, hat es in sich und liest sich wie ein komprimiertes Stück christlicher Dogmatik mit starken Bildern, politischen Konsequenzen und mit zentraler jüdischer Komponente, nämlich der Frage der Beschneidung. Der Verfasser ist nicht Paulus, darf aber dessen Schule zugerechnet werden.

Die Beschneidung ist ein in der Öffentlichkeit immer wieder heftig diskutiertes Thema, wobei Vorurteile und Übertreibungen eine Rolle spielen und in judenfeindliche (oder auch muslimfeindliche) Stereotypen münden können. Aus meiner Sicht ein guter Grund, das Thema im Gottesdienst sachlich anzusprechen. Wichtig ist es, das Verbindende jüdischer und christlicher Traditionen herauszustellen und für eine gemeinsame Perspektive zu werben – damit werde ich der Aussage des Textes gerecht: Taufe wie Beschneidung symbolisieren den Bund Gottes mit den Menschen.

Als Textlesung schlage ich die um einige Verse (6-9) ergänzte Variante aus der Basisbibel vor, da sie besser verständlich ist als etwa Luther 2017 oder die Bibel in gerechter Sprache. Aber auch diese Alternativen sind gut.

Predigt

Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Liebe Schwestern und Brüder,

so klingt es noch in unseren Ohren nach, das Osterfest. Die Grundstimmung ist gut. Bei allem, was uns einschränkt seit nun gut zwei Jahren Pandemie, gibt uns der österliche Glauben an die Befreiung von Tod, Sünde und Schuld eine Perspektive. Alles Schlechte und Unangenehme ist erst einmal kraftvoll weggefegt.

Textlesung Kolosser 2, 6-15 (Übersetzung Basisbibel)

6 Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen. Richtet also euer Leben an ihm aus! 7 Bleibt in ihm verwurzelt und gründet euch als Gemeinde ganz auf ihn. Werdet fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid. Und hört nicht auf, Gott zu danken. 8 Gebt acht, dass euch niemand in die Falle lockt! Weder durch seine Philosophie noch durch falsche Lehren, die nur auf menschlicher Überlieferung beruhen. Ihre Grundlage sind die Elemente dieser Welt – und nicht Christus! 9 In ihm ist die ganze Fülle Gottes leibhaftig gegenwärtig. 10 Und an dieser Fülle habt ihr Anteil, weil ihr zu Christus gehört. Der steht als Haupt über allen Mächten und Gewalten. 11 Er ist es auch, durch den ihr die Beschneidung empfangen habt. Allerdings ist das keine Beschneidung, die von Menschen vollzogen wurde. Sie besteht vielmehr darin, dass ihr eure menschliche Natur abgelegt habt. Das ist die Beschneidung, die uns Christus schenkt. 12 In der Taufe wurdet ihr mit ihm begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt. Denn ihr habt an die Kraft Gottes geglaubt, der Christus von den Toten auferweckt hat. 13 Ja, ihr wart tot aufgrund eurer Verfehlungen. Und eure auf das Menschliche ausgerichtete Natur hatte die neue Beschneidung noch nicht empfangen. Aber Gott hat euch zusammen mit Christus lebendig gemacht, indem er uns alle Verfehlungen vergeben hat. 14 Er hat den Schuldschein getilgt, der uns belastete – einschließlich seiner Vorschriften, die gegen uns standen. Er hat ihn ans Kreuz angenagelt und damit beseitigt. 15 Er hat die Mächte und Gewalten entwaffnet und sie öffentlich zur Schau gestellt. Er führt sie im Triumphzug mit, der für Christus abgehalten wird.

Neulich (war ich) in der Synagoge in Frankfurt: Samuel feiert seine Bar Mizwa. Er ist aufgeregt, denn gleich geht es ans Lesen. Der Text aus dem Wochenabschnitt liegt bereit. Mit dem dünnen Zeigestock steht er vor der Tora-Rolle und konzentriert sich. Dann beginnt er zu lesen, erst verhalten und dann mit immer mehr Selbstvertrauen. Der Rabbi schaut ihm wohlwollend über die Schulter. Das lange Üben hat sich gelohnt. Die Besucher im Gottesdienst fiebern mit, lächeln und freuen sich über Samuel.

Ganz ähnlich der Gottesdienst zur Konfirmation: Paul ist wie Samuel neu eingekleidet, stolz zieht er in die Kirche ein mit den anderen Jugendlichen seiner Gruppe. Selbstbewusst spricht er Sätze eines Glaubensbekenntnisses, an dem er mitgeschrieben hat. Er bringt öffentlich zum Ausdruck, was er glaubt, wie Samuel in der Synagoge.

[hier können auch andere Namen, Ereignisse etc. erzählt werden]

Die Bar Mizwa ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg des Erwachsenwerdens, ähnlich der Konfirmation. In beiden Ritualen, bei der Konfirmation von Paul wie bei Bar Mizwa von Samuel, bestätigen die beiden in ihren unterschiedlichen religiösen Traditionen, was sie als viel kleineres Kind bekommen haben: hier die Beschneidung des Jungen als Neugeborener, dort die Taufe des Jungen als Säugling.

Bar Mizwa und Konfirmation als Freudenfeste. Sie besiegeln das Dazugehören bei den jungen Männern.

Die Beschneidung ist ein Reizthema. Leider. Immer wieder ist es in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Seit Jahrhunderten gibt es Unwissenheit und Propaganda dagegen. Immer wieder Versuche, diese uralten religiösen Traditionen zu verbieten. Das betrifft Juden genauso wie Muslime.

Und hier und da wird auch die Taufe kritisiert: „Wie, Dein Kind ist getauft? Wollt Ihr die Entscheidung nicht ihm selbst überlassen? Und überhaupt: Warum seid Ihr noch in der Kirche?“

Christlich, jüdisch, muslimisch. Uns verbindet mehr als Du glaubst. Denn in allen diesen Religionen glauben wir an den gleichen Gott, der sich mit den Menschen in Verbindung setzt. Beschneidung und Taufe sind dabei wichtige symbolische Handlungen, die den Bund zwischen Gott und Mensch verdeutlichen, den Gott mit uns schließt. Das setzt enorme Kräfte frei – christlich gesprochen: österliche Kräfte. Die uns selbstbewusst machen – auch gegen die grundsätzliche Kritik gegen das Religiöse.

Im Text aus dem Kolosserbrief wird das zur Sprache gebracht. Es ist ein Text, der die Liebe Gottes zu uns Menschen beschreibt. Der deutlich macht, dass diese Liebesbotschaft uns alle angeht und zusammenbringt: Juden und Christen und auch Muslime.

(Die muslimische Religion ist ja erst viel später entstanden, spielt also noch keine Rolle. Wir müssen sie aber aus heutiger Sicht hinzudenken.)

Der Briefeschreiber will gleich zum Punkt kommen und fordert uns auf, konzentriert zu bleiben: lasst euch nicht ablenken von Fake-News und scheinbar süßen Alternativen in eurer Umgebung. Das bringt alles nichts und führt in die Sackgasse. Er erwartet einen christlichen Fakten-Check. Und der hat eine klare Vorgabe: Konzentrier Dich auf die Sache mit Christus. Mit ihm ist alles Weitere verbunden, er ist der Schlüssel dazu, Leben und Glauben zu verstehen.

So wird dieser Ruf nach Konzentration und Geschlossenheit zugleich ein Ruf zur Öffnung, zur Vergewisserung darüber, dass wir Christen den Glauben nicht erfunden haben, sondern mit den Juden teilen. Wir Christen sind in den Bund hineingenommen, den Gott mit seinem Volk geschlossen und auch nie aufgekündigt hat. Christus ist beschnitten, nicht getauft nach dem heutigen Verständnis, also nicht christlich! Sondern auf einzigartige Weise durch Johannes im Jordan, man kann also allenfalls sagen: jüdisch getauft.

Die Verbindung zwischen Juden und Christen besteht aufgrund seiner Persönlichkeit, aufgrund seiner Lebens- und Wirkungsgeschichte. Denn wir sind auf ihn hin getauft und so in den Bund einbezogen, den Gott mit seinem Volk, zu dem Jesus Christus gehört, und damit mit allen Menschen schon vorher geschlossen hatte.

Der heutige Sonntag hat den Namen Quasimodogeniti. Das lateinische Wort „quasi modo“ bedeutet so viel wie „dementsprechend“. Dementsprechend passend sind also Taufe und Beschneidung aufeinander bezogen – wie der jüdische und der christliche Bund aufeinander zu beziehen sind.

Dementsprechend sind wir „quasi modo“ gemeinsam herausgefordert, uns den Herausforderungen zu stellen, die die Welt an uns richtet. Denn wir können aufgrund der uns geschenkten Freiheit über den Rand des Tellers hinausschauen. Der Schuldschein ist weg, ich kann frei über alles verfügen. Meine Schuld, meine Schulden haben sich in Luft aufgelöst.

Der Glauben macht uns also so frei, dass wir in der Welt Stellung beziehen können und müssen. Denn die entscheidende Pointe des Textes ist: den Mächten und Herrschenden wird die Macht abgesprochen: Gott hat die Mächte und Gewalten entwaffnet und sie öffentlich zur Schau gestellt.

Die Mächtigen sind für zahlreiche todbringende und zerstörerische Handlungen verantwortlich, auch für die Kreuzigung. Aber damit haben sie sich selbst entblößt, ihr wahres Gesicht gezeigt. Und Gott ist auf der anderen Seite, bei den Gedemütigten. Bei denen, die in ihrem Recht beschnittenen wurden.

Hier wird also der Finger in die Wunde gelegt. Dieses Erkennen macht uns stark und mutig.

In einer Demokratie ist es zugleich einfacher und schwerer, Stellung zu beziehen. Ich kann und soll mich äußern, muss aber auch aushalten, dass es andere Meinungen gibt. Hier ist die Mitsprache vorgesehen und geregelt – durch Wahlen und Parteien, durch Interessenvertretungen und das Demonstrationsrecht, durch Pressefreiheit und zuerst: die Menschenrechte. Das alles ist damals in der Zeit der Abfassung des Kolosserbriefes nicht so gewesen – und das ist es in vielen Staaten und Regionen in der Welt heute auch nicht. Umso mehr ist es erstaunlich, dass in dem Text davon die Rede ist, sich einzumischen und sich nicht zurückzuziehen.

Viele Christinnen und Christen unterstützen die Schülerinnen und Schüler von Fridays For Future, die zur Generation von Paul und Samuel gehören, bei ihren Protesten. Sie engagieren sich gegen das Versagen der Staaten und Regierungen in der Klimakrise. Es ist toll, wie furchtlos und deutlich die Proteste der Jugendlichen überall auf der Welt sind. Scientists for Future, Seniors for Future, Christians for Future und andere schließen sich an.

Ein anderes Beispiel: Die Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille an Peter Fischer, den Präsidenten von Eintracht Frankfurt, und an Makkabi Deutschland in diesem Jahr 2022. Paul macht bei Makkabi Judo, Samuel spielt bei Eintracht Fußball. Dadurch wissen die beiden Jugendlichen: im Stadion bei der Eintracht werden rechte Parolen nicht geduldet, Antisemitismus erst recht nicht. Bei Makkabi ist Offenheit für alle Religionen, Kulturen und Konfessionen selbstverständlich. Paul und Samuel lernen auch im Sport, sich für Frieden und Demokratie einzusetzen.

Die Jugendlichen und die Sportler machen das, wofür auch der Kolosserbrief wirbt: Grenzen überwinden, die Freiheit anzunehmen, die Gott den Menschen schenkt und Stellung beziehen, wenn es nötig ist.

Amen

Verfasser: Pfarrer Dr. Dr. Peter Noss


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