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Auferstehung Christi

von Uwe Handschuch (Dietzenbach-Steinberg)

Predigtdatum : 15.04.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Osternacht
Textstelle : Johannes 20,11-18
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Wochenspruch:

Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. (Offenbarung 1,18)

Psalm: 118,14-24 (EG 747)

Lesungen

Altes Testament:
1. Samuel 2,1-2. 6-8a
Epistel:
1. Korinther 15,1-11
Evangelium:
Markus 16,1-8

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 103
Gelobt sei Gott im höchsten Thron
Wochenlied:
EG 101
oder EG 106
Christ lag in Todesbanden
Erschienen ist der herrlich Tag
Predigtlied:
EG 112
Auf, auf, mein Herz, mit Freuden
Schlusslied:
EG 99
Christ ist erstanden

Hinführung:
Die Ostergeschichte des Johannes ist eine stille und zarte Geschichte. Die Begegnung Marias mit dem Auferstandenen hat etwas sehr Intimes und Persönliches, trotz der verweigerten Berührung (Rühr mich nicht an!). Aus diesem Grunde kreist meine Predigt um diesen Aspekt: Es gibt eine Berührung durch den Auferstandenen jenseits unseres Begreifens. Ostern auch im Jahr 2001 will diese Berührung, dieses Ein-Greifen Gottes in das Leben von Menschen feiern.

Liebe Gemeinde,
was berührt Sie an Ostern? Berührt Sie der immer stärker das Weihnachtsgeschäft nach-äffende Konsumrausch in den Tagen vor diesem Fest? Oder berührt Sie die Tatsache, dass in diesem Jahr an diesem langen Wochenende wohl noch mehr als die 43 Prozent des vergangenen Jahres unterwegs sein werden? Werden Sie an Ostern berührt durch die vielen Kinder, die voller Vergnügen nach den im Wohnzimmer oder Garten versteckten Naschereien suchen? Werden Sie berührt durch den Kinderglauben, der dem Osterhasen nicht nur das Legen sondern auch noch das Bemalen von Eiern zuschreibt? Berührt Sie das mit Macht auf Sie einströmende Gefühl beim Osterspaziergang im Grünen, endlich Mensch sein zu dürfen? Berührt Sie das langsame Dämmern des Ostermorgens bei der Feier der Osternacht? Berührt Sie das „Christ ist erstanden“ aus allen Registern der Orgel und Kehlen der Gottesdienstbesucher? Berührt Sie die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi von den Toten? Was berührt Sie an Ostern?
Nun, vielleicht werden Sie mit den Schultern zucken, sich ungerührt und unberührbar zeigen von all dem, was da in diesem Tagen um Sie herum geschieht. Aber vielleicht haben Sie sich ja tatsächlich von dem einen oder andern packen lassen, was ich da eben aufgezählt habe. Jedenfalls: Biblisch gesehen hat das Fest, das wir heute feiern, sehr viel mit Rührung und Berührung zu tun. Da versuchen nämlich Menschen rund um die Auferstehung zu begreifen, was sie da berührt; da versuchen Menschen zu berühren, was sich nicht begreifen lässt.
Und so eine rührende und berührende Ostergeschichte berichtet auch der Evangelist Johannes:
11 Maria stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab 12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. 13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen. 16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! 17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. 18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.
Liebe Gemeinde,
was hat diese Maria aus Magdala nicht alles in ihrem Leben mitgemacht: Sieben böse Geister hatten ihr das Leben zur Hölle gemacht (Lukas 8,2). Nicht mehr sie selbst war sie gewesen, bis Jesus sie berührte und heilte. Sie gehörte von da an wie die zwölf Jünger zu den Menschen, die Jesus auf seinen Wanderungen begleiteten, sie erlebte mit, was Jesus tat, sie hörte mit ihren eigenen Ohren, was er sagte. Sie glaubte mit den anderen, begriffen zu haben, wer dieser Mann aus Nazareth war.
Und dann geschieht das Unbegreifliche: Sie muss mit ihren eigenen Augen mit ansehen, wie dem Mann, dessen zarte Berührung sie geheilt hatte, sich die Nägel durch die Hände bohren; sie muss mit anhören, dass die Stimme, die so viel gute Worte für sie übrig hatte, mit einem letzten Schrei erstirbt; sie muss begreifen, dass ein wichtiger Teil ihres Lebens dort am Kreuz zu Grunde geht.
Sie muss begreifen, aber sie kann es nicht. Sie kann es nicht glauben, dass nach diesem verheißungsvollen Anfang nun alles schon wieder zu Ende sein soll. Sie kann sich kein Leben ohne ihn vorstellen. Und diese Gedanken treiben sie um, rauben ihr den Schlaf, und weil sie nicht schlafen kann, bricht sie noch in der Finsternis des ersten Tages der Woche zum Grab auf.
Doch das Grab ist offensichtlich nicht mehr unberührt, der Stein vor dem Grab ist weg. Maria ist wie vom Donner gerührt. In ihrer Panik sucht sie Petrus auf, den Vertrauten, den Fels, der doch als unverrückbares Fundament der neuen Gemeinde von Jesus gedacht war. Sie berichtet ihm, was sie gesehen hat: Das Grab ist geschändet, der Leichnam gestohlen!
Petrus und ein zweiter Jünger überzeugen sich von der Wahrheit dieser Nachricht, und - gehen wieder heim. Da ist keine Rede von Freude über ein leeres Grab, der Gang über den Friedhof ist kein erfrischender Osterspaziergang, das Ausschauen nach dem Leichnam ist kein Vergleich mit dem fröhlichen Suchen nach Ostereiern.
Und Maria bleibt vor der Leere der Grabes stehen und weint: Man scheint ihr nun auch noch den Toten genommen zu haben; noch nicht einmal ein Ort ist ihr geblieben, an dem sie ihre Trauer festmachen kann.
Liebe Gemeinde,
was geschah mit der weinenden Maria aus Magdala, was berührte sie, dass auch für sie endlich Ostern werden konnte? Nun wir konnten hören: Ostern wurde für sie nicht in dem Augenblick, als sie feststellte, dass das Grab Jesu leer war. Das leere Grab hat ihre Trauer nicht vertrieben. Nicht einmal die Begegnung mit den Engeln half ihr weiter, nicht einmal das Gespräch mit den Gottesboten, die in der Bibel immer dann erscheinen, wenn etwas geschieht, das unser menschliches Verstehen und Begreifen übersteigt.
Nein, das leere Grab ließ für sie noch nicht Ostern werden. Das leere Grab zündete keinen Auferstehungs-Glauben in ihr an. Erst Jesus Christus selbst ist es, der durch seine Begegnung mit der trauernden und weinenden Frau am Grab etwas Neues schafft, er ist es, der ihr Herz berührt und für sie Ostern werden lässt.
Ostern hängt also am Auferstandenen, an seiner Person, an seinem Wort. Er ist es, der in unser Dunkel Licht bringt; er ist es, der Menschen anstößt, berührt und von sich überzeugt. Maria hat den Auferstandenen erst nicht erkannt, als er zu ihr trat. Nur ein Gärtner, das war er erst für sie, ein einfacher Friedhofsangestellter, den sie wahrnimmt, aber eigentlich keines genauen Blickes würdigt. Und auch am Nachmittag desselben Tages werden zwei der Jünger stundenlang mit Jesus nach Emmaus unterwegs sein, ohne ihn als den Auferstandenen zu erkennen. Sie erkennen ihn solange nicht, bis er mit dem Brechen des Brotes etwas für ihn Charakteristisches und Unverwechselbares tut, etwas, das die beiden Jünger berührt und Ostern in ihnen werden lässt.
Maria erkennt Jesus nicht mit ihren Augen. Weder seine Gestalt noch sein Gesicht, noch nicht einmal seine Stimme, nichts von diesem Friedhofsgärtner kommt ihr bekannt vor. Sie erkennt ihn erst, als er etwas ganz Charakteristisches tut, etwas, das Jesus wahrscheinlich schon viele hundert Mal zuvor getan hatte. Er ruft sie mit ihrem Namen: „Maria!“ Erst dann wendet sie sich um, erst dann ist ihr Herz offen, um durch Ostern, durch den Auferstanden berührt zu werden. Und sie will ihn berühren, wie sie es wahrscheinlich hundert Mal zuvor getan hatte. „Rühr mich nicht an!“, so entgegnet er ihr, entzieht sich ihren Berührungen, so wie er sich später gegen Abend den Blicken und Fragen der beiden Jünger in Emmaus entziehen wird.
Liebe Gemeinde,
der Auferstandene will nicht berührt werden, sondern berühren, die Auferstehung will nicht begriffen werden, sondern Menschen ergreifen. Ostern wird nicht dadurch wahr, dass wir den Auferstandenen entdecken oder erkennen; Ostern wird dort wahr, wo der Auferstandene uns erkennt und sich uns zu erkennen gibt, wo er unsere Einsamkeit und Leere, unsre Trauer und Tränen unterbricht und durchbricht mit seiner Anrede, mit seiner ganz persönlichen Anrede, die mitten in der Hoffnungslosigkeit ein Zeichen neuer Hoffnung setzt.
Das Wort, das er spricht, ist sein Lebenszeichen. Mit diesem Wort stellt er die Verbindung her zu der Zeit vor Ostern. Und mit dem gleichen Wort schlägt er eine Brücke über Karsamstag hinweg. So wie er Maria vor Karfreitag angesprochen hatte, so wird sie von ihm auch durch Ostern und über Ostern hinaus angesprochen. Und so gibt sich auch uns Jesus als der Auferstandene zu erkennen. So und nicht anders: Er tut das, nicht wir. Wir brauchen nicht ein Leben lang und bis ans Ende unserer Tage Menschen auf der Suche nach Gott bleiben, wir brauchen Gott nicht beikommen und müssen nicht seiner habhaft werden, wir können ihn nicht halten: Gott lässt sich finden. Er gibt sich zu erkennen.
Der Osterglaube hängt eben nicht an den Begleiterscheinungen der Auferstehung, sondern an der Begegnung mit dem Auferstandenen. So spottet Ostern jedem Vergleich. Der Auferstandene, der die Herzen berührt, entzieht sich dem Begreifen. Die Begleiterscheinungen seiner Auferstehung hinterließen Spuren in Raum und Zeit, aber unser Glaube entsteht nicht an den Zeichen, sondern an dem Wort des Auferstandenen, das Menschen berührt: Die Gottverlassenheit, die Jesus am Kreuz so markerschütternd in die Welt hinausschrie, sie ist überwunden. Gott hat den Schrei vom Kreuz gehört und sich in Ostern zu seinem Sohn bekannt, er hat den Tod überwunden und neues Leben möglich gemacht. Ein Leben aus Gott, ein Leben mit Gott, ein entgrenztes Leben. Ein Leben, das auch der Tod nicht mehr auseinanderreißen kann.
Der Grabstein als Grenzstein zwischen diesem und jenem Leben ist nicht beseitigt, aber er ist nicht mehr unberührt, er ist weggerückt. Er trennt nicht mehr die Welt des Lebens von der Welt des Todes, er trennt nur noch zwei Teile desselben Reiches des Lebens, über das derselbe Herr regiert. So ist das Sterben für Christen seit Ostern eben nicht mehr ein Hinabfahren ins Nichts, sondern ein Heimgehen zum Vater, ein Übergang von einer Seinsweise in eine andere, immer unter demselben Herrn.
Ein neuer Horizont ist aufgebrochen. Ein Horizont, der über das Sterben hinausweist: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Durch die Öffnung dieses neuen Horizontes will der Auferstandene unser Leben verwandeln. Er macht uns zu Zeugen des Lebens. Ostern ist kein Erlebnis, das sich in innerer Glückseligkeit erschöpft, das man in seinem Herz verwahren und still bei sich behalten kann. Der Durchbruch Gottes durch den Tod, durch die Angst, durch die Hoffnungslosigkeit, das, was an Ostern geschehen ist, will weitergesagt und weitergelebt werden. Wenn Ostern Gottes „Ja!“ zum Leben ist, dann muss dieses „Ja!“ hörbar und sichtbar werden bei denen, die dem auferstandenen und lebendigen Christus begegnet sind. „Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen und das hat er zu mir gesagt.“
Maria hat Ostern berührt, sie lebt nun von Ostern her, ist und bleibt Zeugin von Ostern. Weil sie von Ostern lebt, wird sie aller Resignation den Kampf ansagen müssen, denn sie weiß, dass Gott mit der Auferweckung seines Sohnes mitten in einer vergehenden Welt etwas Neues angefangen hat, für das sich zu leben und zu arbeiten, und für das sich sogar zu leiden und zu sterben lohnt.
Liebe Gemeinde,
wer sich von uns durch die biblischen Begegnungen mit dem Auferstanden berühren lässt, der wird erkennen: Ostern ist keine Sache der Vergangenheit. Ostern wird es immer dann, wenn ein Mensch sich durch einem anderen Menschen berühren lässt und ihn ihm etwas ganz Unverwechselbares von Jesus entdeckt, sei dieser Mensch nun Gärtner, Putzfrau oder Papst. Wenn Menschen zu uns etwas sagen, hoffen, tun, was Jesus hätte sagen, hoffen oder tun können, oder wenn wir solche Menschen werden und sind, die sagen, hoffen, tun, was Jesus hätte sagen, hoffen oder tun können, dann kann Jesus, der Christus, der von den Toten Auferstandene Menschen auch heute noch berühren. Amen.

Verfasser: Pfr. Uwe Handschuch, Waldstraße 12, 63128 Dietzenbach-Steinberg

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