Aus der Befreiung durch Christus leben
von Tilmann Cremer (99991 Großengottern)
Predigtdatum
:
19.10.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
21. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Johannesbrief 2,(7-11).12-17
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Wochenspruch:
Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte. (Psalm 130,4)
Psalm: 143,1-10
Lesungen
Altes Testament:
Micha 6,6-8
Epistel:
Philipper 1,3-11
Evangelium:
Matthäus 18,21-35
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 168, 1-3
Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied:
EG 404
Herr Jesu, Gnadensonne
Predigtlied:
EG 417
Lass die Wurzel unsers Handelns Liebe sein
Schlusslied:
EG 222, 1+3 oder EG 168, 4-6
Im Frieden dein, o Herre mein;
Wenn wir jetzt weitergehen
7 Meine Lieben, ich schreibe euch nicht ein neues Gebot, sondern das alte Gebot, das ihr von Anfang an gehabt habt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. 8 Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, das wahr ist in ihm und in euch; denn die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt. 9 Wer sagt, er sei im Licht, und haßt seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis. 10 Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und durch ihn kommt niemand zu Fall. 11 Wer aber seinen Bruder haßt, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wo er hingeht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.
12 Liebe Kinder, ich schreibe euch, daß euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen. 13 Ich schreibe euch Vätern; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch jungen Männern; denn ihr habt den Bösen überwunden. 14 Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr kennt den Vater. Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich habe euch jungen Männern geschrieben; denn ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden.
15 Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. a Wenn jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. 16 Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. 17 Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.
Lieben ist gut
Liebe Gemeinde,
lieben Sie das Leben? – Nur wenige Menschen werden diese Frage verneinen und dann meist, weil die Lebensumstände gerade so bedrückend sind, dass das Leben insgesamt nicht mehr liebenswert erscheint.
Andere Frage: Lieben Sie die Welt, in der wir leben? – Auch das werden die meisten wohl grundsätzlich bejahen, wenn auch vielleicht mit der einen oder anderen Einschränkung.
Lieben sie Gott? – So direkt gestellt ist diese Frage eher ungewohnt, vielleicht sogar verunsichernd. Aber ich denke, hier in der Gemeinde werden letztlich doch wohl alle diese Frage bejahen.
Letzte Frage: Lieben Sie die Menschen – hier in unserer Gemeinde oder allgemeiner Ihre Mitmenschen? Sicherlich macht man da manche Abstriche. Aber im Prinzip werden doch alle wiederum mit „Ja“ antworten.
Bei so viel Liebe kann man doch nur sagen: Wunderbar! Leben Sie so weiter! Leben Sie diese Liebe!
An einer Stelle ist die Sache aber doch etwas komplizierter. Da ist der Begriff „Welt“. Der ist ja nun doch recht mehrschichtig. Darum wird genau an dieser Stelle auch Einspruch erhoben, nämlich von unserem Predigttext, den ich aber erst nachher vorlesen werde.
Zunächst möchte ich mit Ihnen noch ein wenig über die Begriffe „Welt“ und „lieben“ nachdenken
Was es bedeutet zu lieben
Zunächst: „lieben“ – Was heißt es eigentlich zu lieben? Was würden Sie sagen? (Wo es möglich ist, sollte diese Frage nicht nur rhetorisch gestellt, sondern wirklich gemeinsam bedacht werden. Der folgende Abschnitt muss dann aus der Situation heraus entsprechend angepasst werden.)
Vertrauen gehört sicherlich zur Liebe dazu, auch, dass man sich zum anderen hingezogen fühlt, dass man sich um jemanden kümmert und sich in mancherlei Hinsicht am anderen orientiert. Man wird z.B. dessen Wünsche berücksichtigen und wird dabei auch mal eigene Wünsche zurückstecken. Wer liebt, will miteinander Zeit verbringen, miteinander etwas unternehmen und erleben. Man könnte die Zusammenstellung noch eine ganze Weile fortsetzen.
(Wird die Gemeinde wie oben angedeutet mit einbezogen, sollten in der Zusammenfassung das Stichwort „Vertrauen“ und der Aspekt der Orientierung am anderen noch einmal deutlich in den Raum gestellt werden.)
„Welt“ – ein mehrschichtiger Begriff
Und wie ist das nun, wenn man „die Welt“ liebt? Der Begriff „Welt“ ist keineswegs eindeutig.
„Welt“ meint zum einen die Welt als Schöpfung Gottes oder – ohne den Gottesbezug – einfach das Ganze des Universums, die ganze Erde, die ganze Menschheit.
Dann gibt es Redewendungen wie „in die Welt hinausgehen“. Da ist „die Welt“ also ein „draußen“ das dem „drinnen“ des Vertrauten und Heimischen gegenübergestellt wird.
Und dann sind da noch „meine Welt“ und „deine Welt“: Da sagt einer begeistert: „Dieser Sport – das ist meine Welt!“ Und ein anderer bemerkt ein wenig abfällig: „Jene Musik – das ist nicht meine Welt!“. Da gibt es also offensichtlich mehrere Welten. Auch das hat in gewisser Weise etwas mit „drinnen“ und „draußen“ zu tun, da geht es auch um Fragen des Geschmacks, und häufig stecken unterschiedliche Wertevorstellungen dahinter.
Wo es um reine Geschmacksfragen geht – ob man nun diese Musik lieber hört oder jene, ob einem gelb besser gefällt oder blau – da kann „die Welt“ des anderen getrost neben meiner stehenbleiben. Aber wenn es um die unterschiedlichen Werte-Welten geht, dann prallen die Meinungen schnell aufeinander.
Eltern von Jugendlichen und jungen Erwachsenen können da meist so einiges erzählen und umgekehrt die Jugendlichen natürlich auch. Auch da geht es nicht selten um drinnen und draußen. Jugendliche und junge Erwachsene wollen häufig erst einmal raus, wollen sozusagen die Welt kennenlernen – oder besser wohl: eine andere Welt kennenlernen, eben die Welt „da draußen“ mit ihren anderen Wertvorstellungen, ihren anderen Möglichkeiten.
Bei der anfangs gestellten Frage: „Lieben Sie die Welt, in der wir leben?“, müsste man also erst einmal zurückfragen: „Ja, welche Welt denn?“
Die Welt als Schöpfung Gottes zu lieben, daran wird kaum jemand Anstoß nehmen.
Der nicht liebenswerte Teil der Welt
In unserem Predigttext aus dem 1. Johannesbrief, Kapitel 2, beschreibt der Verfasser in einem Vers, wie er den Begriff „Welt“ hier meint. Luther übersetzt es sehr markant: Was in der Welt ist, das ist des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben (V.16). Und das, so fügt er hinzu, kommt nicht von Gott, sondern eben von der Welt und soll deshalb nicht geliebt werden.
Ich weiß nicht, woran Sie bei Fleisches Lust, Augen Lust, hoffärtiges Leben denken. Es klingt jedenfalls so drastisch, dass man geneigt ist zu sagen: Ich doch nicht, das meint nicht mich! – damit wäre die Sache dann vom Tisch.
Andere Übersetzungen machen deutlich, dass die Sache ganz und gar nicht vom Tisch ist, sondern sich oftmals recht unbemerkt bei uns einschleicht.
In der Neuen Genfer Übersetzung liest sich diese Stelle so: nichts von dem, was diese Welt kennzeichnet, kommt vom Vater. Ob es die Gier des selbstsüchtigen Menschen ist, seine begehrlichen Blicke oder sein Prahlen mit Macht und Besitz: all das hat seinen Ursprung in dieser Welt.
Das kommt einem dann doch irgendwie schon eher bekannt vor:
• Dieses oder jenes noch haben wollen – die ganze Werbe-Branche arbeitet darauf hin.
• Erst einmal genug für uns haben, die anderen sollen sich selber kümmern – das sind nicht nur Parolen am politisch rechten Rand, das hört man (etwas abgemildert) auch in kirchlichen Kreisen.
• Macht und Besitz: „Haste was, biste was“. Auch 2000 Jahre nach der Abfassung dieses Briefes ist solches Denken üblich.
Im Grunde ist mit „Welt“ hier also einfach alles gemeint, was Gottes Geboten widerspricht, was dem Willen Gottes entgegensteht.
Und wenn man bedenkt, was wir vorhin zum Stichwort „lieben“ zusammengetragen hatten, dann ist ganz klar, dass der Verfasser hier ermahnt, nicht „die Welt“ zu lieben. Er schreibt: Liebt nicht die Welt! Hängt euer Herz nicht an das, was zur Welt gehört! Wenn jemand die Welt liebt, hat die Liebe zum Vater keinen Raum in seinem Leben (Vers 15, Neue Genfer Übersetzung).
Liebe heißt: die Wünsche des anderen erfüllen, vertrauen, sich hingezogen fühlen und sich am anderen orientieren, Zeit haben für den anderen.
Offensichtlich befürchtet der Verfasser des 1. Johannesbriefes, dass die Menschen in der angeschriebenen Gemeinde sich in dieser Weise in die Welt verlieben, dass sie sozusagen nur noch Augen für die Welt haben und so Gottes Liebe aus den Augen verlieren.
Was auf den richtigen Weg führt
Was unternimmt der Briefschreiber dagegen? Er schüttet seine Leser jedenfalls nicht mit Verboten zu. Stattdessen führt er zwei Argumente an.
(1) Am Schluss unseres Predigtabschnittes prophezeit er: die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit (Vers 17, Luther). [alternativ Neue Genfer Übersetzung: die Welt mit ihren Begierden vergeht; doch wer so handelt, wie Gott es will, wird für immer leben.]
Anders gesagt: Überlegt euch, was ihr lieben, worauf ihr vertrauen wollt, was euch wirklich wichtig ist. Lasst euch nicht das als anzustrebende Werte vorgaukeln, was so vergänglich ist wie die Tage unseres Lebens. Gründet euer Tun lieber auf die Beständigkeit Gottes.
(2) Und außerdem (das ist das andere Argument): Ihr habt euch doch eigentlich längst für Gott entschieden.
An dieser Stelle wird der 1. Johannesbrief richtig ausführlich. Jede Altersgruppe spricht er einzeln an (allerdings außer bei den Kindern nur in der männlichen Form), und er wiederholt sich sogar.
Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen. Ich schreibe euch Vätern; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch jungen Männern; denn ihr habt den Bösen überwunden. Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr kennt den Vater. Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich habe euch jungen Männern geschrieben; denn ihr seid stark und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden (Verse 12-14, nach Luther).
[Auch hier als Alternative die Neue Genfer Übersetzung: Meine lieben Kinder, ich schreibe euch, weil euch eure Sünden um Jesu willen vergeben sind. Väter, ich schreibe euch, weil ihr den kennt, der von allem Anfang an da war. Ihr jungen Leute, ich schreibe euch, weil ihr den Bösen besiegt habt, den Teufel. Lasst es mich noch einmal sagen, Kinder: Ich schreibe euch, weil ihr den Vater kennt. Väter, ich schreibe euch, weil ihr den kennt, der von allem Anfang an da war. Ihr jungen Leute, ich schreibe euch, weil ihr stark seid; das Wort Gottes ist in euch lebendig und bleibt in euch, und ihr habt den Bösen besiegt.]
‚Es ist doch gar nicht so schwer’, will er damit wohl sagen. ‚Ihr müsst doch gar nicht von vorn anfangen, sondern einfach nur da weitermachen, wo ihr schon wart. Also vergesst die Liebe Gottes nicht und die beständigen Werte, in denen ihr doch so stark seid.’
Die Gemeinde von heute würde der Verfasser dieses Briefes sicherlich anders ansprechen. Vielleicht so:
Ihr Kinder, ihr seid doch getauft, ihr gehört doch zur Kirche, zur Familie Gottes.
Ihr Jugendlichen, ihr habt mit eurer Konfirmation doch öffentlich und eigenverantwortlich „ja“ gesagt zum Glauben an Gott und zu einem Leben, das sich an Jesus orientiert.
Ihr Erwachsenen, ihr habt doch viel Jahre im Glauben gelebt, habt Erfahrungen gemacht, die euch im Glauben bestärkt haben.
Darum setzt auch weiterhin in eurem Leben allein auf die Liebe Gottes und verliebt euch nicht in „die Welt“, ja liebäugelt auch da nicht mit ihr, wo sie euch verführerisch anlächelt.
Die Verantwortung der Christen in der Welt
Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters (Vers 15, Luther).
Aber: Wie soll man sich der Welt entgegenstellen? Das ist doch weltfremd. Die Kirche ist doch auch ein Teil der Welt. Sie muss mit der Zeit gehen, muss sich anpassen. – Mit solchen und ähnlichen Einwänden müsste der Verfasser heute wohl rechnen, aber vielleicht hat er sie auch schon zu seiner Zeit gehört, denn da fielen Christen in ihrer Umwelt häufig noch viel mehr auf als heute. Vielleicht muss man sogar sagen: Damals fielen die Christen in ihrer Umwelt auf – und heute?
„Das Leben der Christen ist die einzige Bibel, die die Welt heute noch liest“, hat mal irgendwer gesagt. Und tatsächlich ist die Erwartung recht weit verbreitet, dass Christen, dass die Kirche sich irgendwie besser verhält – was immer man dann darunter im Einzelnen versteht.
Und auch hier im 1. Johannesbrief geht es wirklich nicht darum, weltfremd zu sein. Christliches Leben geht nicht an der Welt vorbei, sondern auf die Welt zu. Es geht darum, etwas in die Welt hineinzubringen, nämlich die Liebe Gottes und damit sozusagen Gott selbst, denn Gott ist Liebe, wie es in einem der bekanntesten Sätze aus diesem Brief heißt. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (1 Joh 4,16).
Die Liebe Gottes in die Welt hineinbringen und sie dadurch mitgestalten, das ist die den Christen angemessene Zuwendung zur Welt.
Das beginnt in der Liebe zu den Mitmenschen, zunächst und vor allem zu den Geschwistern, also den Glaubensgeschwistern in der Gemeinde, dann aber auch darüber hinaus. Und das geht weiter in der Liebe zur Schöpfung insgesamt, zum Bewahren dessen, was uns da anvertraut ist.
Wie das im Einzelnen aussieht, das ist nun sicherlich wirklich eine Frage, die im Wandel der Zeiten immer anders zu beantworten ist. Die Grundlage aber ist immer die gleiche: Es ist die Liebe zu Gott, ihm zu vertrauen, sich dahin zu orientieren, Zeit zu haben für Gott.
Hören wir nun zum Abschluss, was Johannes in diesem Sinne seinen Lesern geschrieben hat:
[Es folgt abschließend die Verlesung des ganzen Textes 1 Joh 2,7-17.]
Verfasser: Dr. Tilmann Cremer, Obere Kirchstraße 3, 99991 Großengottern, E-Mail: grossengottern@kirchenkreis-muehlhausen.de
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