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Aus der Befreiung durch Christus leben

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 05.11.2023
Lesereihe : V
Predigttag im Kirchenjahr : 22. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Johannes 2,2-14
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Wochenspruch: "Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte." (Ps 130,4)

Psalm: 143,1–9 (EG 755)

Predigtreihen

Reihe I: Matthäus 18,21-35
Reihe II: Römer 7,14-25a
Reihe III: Jesaja 44,21-23
Reihe IV: Matthäus 18,15-20
Reihe V: 1. Johannes 2,12-14
Reihe VI: Micha 6,1-8

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 168,1-3 Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied: EG+ 75 Da berühren sich Himmel und Erde
Predigtlied: EG+ 50 Ich sage ja
Schlusslied: EG 168,4-6 Wenn wir jetzt weitergehen

Predigttext: 1. Johannes 2,12-14

12 Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen. 13 Ich schreibe euch Vätern; denn ihr habt den erkannt, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch jungen Männern; denn ihr habt den Bösen überwunden. 14 Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr habt den Vater erkannt. Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr habt den erkannt, der von Anfang an ist. Ich habe euch jungen Männern geschrieben; denn ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden.

Predigt

Da sitzt einer im Gefängnis. Ohne Anwalt, ohne Fürsprache. Ohne einklagbare Menschenrechte. Amnesty International – Fehlanzeige. Gefangenenrechte auf menschenwürdige Behandlung – Fehlanzeige. Wenn die Gefängniswärter gut drauf sind, geht es so. Wenn nicht, kann es schmerzhaft werden. Und wie das Essen ausfällt, ist auch eher Zufall oder Glück oder halt Pech.  

Eingesperrt wegen Störung der öffentliche Ordnung. Wegen Propaganda für eine Sekte, die allen unheimlich ist. Wegen Reden, die geeignet sind, die Welt auf den Kopf zu stellen: „Für Gott zählen auch die in der letzten Reihe. Gott liebt alle – nicht nur die vorne. Gott rechnet nicht mit uns ab, hält uns nicht unser Fehlverhalten vor, sondern er steht für uns ein. Gott hat sich mit uns und auf uns eingelassen – so sehr, dass er seinen Himmel aufgegeben hat, um einer zu werden wie wir.“ So redet dieser Mann im Knast. Kein Wunder, dass man ihn weggesperrt hat – Ausgang seiner Haft: ungewiss. Es kann auch sein, es ist Endstation.

Und dieser Gefangene schreibt einen Brief an seine Freunde – und in diesem Brief: „Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.“ Verrückt, oder? Wenn Sie regelmäßig Gottesdienste mitfeiern, wissen Sie: Das ist ein Wort am Schluss der Predigt. Jetzt ist fertig. Alles gesagt. Jetzt geht es gleich heim. Vielleicht ist das Essen schon auf dem Tisch.

Wenn man den Brief ganz liest, spürt man, dass es nicht nur ein Satz ist. Dieser Briefschreiber lebt in diesem Frieden, den er seinen Freunden zuspricht. Er ist irgendwie seltsam geborgen, aufgehoben in einem Frieden, der – so kann man es sich erklären – aus seinem Glauben, seiner Vertrauen kommen muss.

Es ist eine andere Sorte Frieden, als wir ihn gewöhnt sind, auch erhoffen, auch in dieser wirren und irren Zeit.

Nicht jener Friede, wenn die Waffen schweigen,
wenn sich noch Furcht mit Hass die Waage hält,
wenn sich Verlierer vor den Siegern beugen: nicht der Friede dieser Welt.

Das wäre der Frieden nach dem Maß unserer Vernunft: Waffenstillstand. Aufhören mit Morden, aufhören mit Gewalt und Gegengewalt. Friedensverhandlungen. Es wäre ja schon viel, wenn es dazu käme. Obwohl wir wissen nicht nur im Nahen Osten: Meistens haben erzwungene Friedensschlüsse eine kurze Halbwertzeit. Verfallsdatum inbegriffen. Darum ist die Suche nach einem Frieden, der nicht an den Grenzen unserer Vernunft scheitert, so wichtig.

Vor einigen Tagen ist Peter Horton verstorben, genialer Gitarrist und ein wunderbarer Liedermacher. Schon 1975 hat er den folgenden Text geschrieben:

Irgendwie geht es immer und es ist sogar was dran
Dass man, wenn man wirklich will, selbst Berge versetzen kann

Dein Hauswirt will mehr Miete und dein Auto will mehr Pflege
Dein Chef will mehr Respekt und das Finanzamt mehr Belege
Die Familie will mehr Liebe und dein Hobby will mehr Zeit
Und du willst deine Ruhe und ich deine Heiterkeit

Der Postmann bringt nur Rechnungen, die Waschmaschine streikt
Dein Kater kriegt 10 Junge ,deren Herkunft er verschweigt
Deine Putzfrau ist in Afrika,  Mama sonnt sich auf Sylt
Und niemand teilt das Leid mit dir, dass dein Schreibtisch überquillt

Und schellt es einmal an der Türe und draußen steht ein Bär
Und erzählt dir, er verstehe diese Welt nicht mehr
Dann sage ihm getrost, dass auch kein Mensch die Welt versteht
Man gibt sich einfach Mühe, so gut es eben geht

Irgendwie geht es immer und Wege gibt es viel
Es bleibt stets ein Hoffnungsschimmer. Irgendwann kommst du ans Ziel
Irgendwie geht es immer und es ist sogar was dran
dass man, wenn man wirklich will, selbst Berge versetzen kann.

So geht es zu – das ganz normale, alltägliche Chaos, das einen am Verstand zweifeln lassen kann. Am eigenen und an dem der anderen. Der Hausgenossen. Sie werden das kennen: Es braucht nicht die große Welt der Politik, um einen an der Vernunft zweifeln zu lassen. Es genügt manchmal, was sich gerade zu Hause abspielt.

Dann ist es wie ein I-Tüpfelchen – Gewalt folgt auf Gewalt, die Nachrichten im Fernsehen sind zum Fürchten, schlimmer als jeder Krimi. Und Lösungen sind nicht in Sicht. Wann immer einer/eine einen Lösungsvorschlag hat, meldet sich das „Ja, aber.“ Es ist eben nicht nur so, dass die Berliner Ampel mit ihren Ideen nicht durchdringt – irgendwie scheint alles jenseits von gut und böse, nicht mehr mit der Vernunft zu bewältigen. 

Unser Gottesdienstmotto legt so etwas wie eine Spurwechsel nahe. Nicht mehr auf die doch eher eng begrenzte Vernunft zu setzen - sondern? Auf so etwas Vages, Seltsames, Ungreifbares wie den Glauben. Das Vertrauen. Wenn es darum geht, einen festen Halt über alle Vernunft hinaus zu finden, dann legt uns dieses Wort des Gefangenen das Vertrauen nahe.

Vor Jahren gab es ein großes deutsches Geldinstitut, das mit dem folgenden Satz Werbung für sich machen wollte: „Vertrauen ist der Anfang von allem.“ Sie hatten auch sagen können: Vertrauen ist das Fundament für gelingendes Miteinander. Mitten im Chaos unserer Tage ist Vertrauen so etwas wie ein Haltepunkt, wie eine Orientierungshilfe. Fester Boden unter den Füßen.

Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Ich bin jetzt über 50 Jahre verheiratet. Das geht nur, wenn und weil meine Frau und ich uns gegenseitig vertrauen. Wir verlassen uns aufeinander, auch wenn wir nicht in allem und immer einer Meinung sind. Manchmal streiten wir, heftig, auch unvernünftig: Aber es kommt immer zur Versöhnung, weil wir wissen: Besser wird es nirgends sein. Mit einem anderen Menschen – nie. Wir haben uns so sehr aneinander gewöhnt, dass wir auch die Erfahrungen aushalten, dass wir einander nicht verstehen, Erfahrungen von Fremdheit, die es immer noch gibt, auch nach über 50 Jahren.

So ist es auch mit Gott. Im Leben mit Gott kommen Sie, ich jedenfalls, mit meiner Vernunft, immer wieder an Grenzen. Ich verstehe nicht, wie es Gott mit der Welt aushält, warum er sich das Chaos, das wir Menschen anrichten, „gefallen“ lässt. Ich verstehe es nicht, warum es den Schmerz gibt, tausendfaches Leid, den unzeitigen Tod. Kurz: Ich verstehe Gott nicht! Aber ich weiß mir keinen anderen Haltepunkt für mein Nichtverstehen als eben diesen Gott. Weil er die Welt auf sich genommen hat, weil er sich das Leid der Welt aufgeladen hat, auf die eigenen Schultern. Weil er sich bis zur Selbsthingabe mit uns verbunden hat. Das ist für mich der Haltepunkt, der alle Vernunft übersteigt. In dem der Friede eine Chance hat.

Verfasser: Pfarrer i. R. Paul-Ulrich Lenz, Schotten-Einartshausen


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