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Aus der Befreiung durch Christus leben

von Martina Gutzler (Pirmasens)

Predigtdatum : 28.10.2018
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 22. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Römer 7,14-25a
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Wochenspruch: "Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte." (Ps 130, 4)

Psalm: 143, 1 - 10

Lesungen

Reihe I: Matthäus 18, 21 - 35
Reihe II: Philipper 1, 3 - 11
Reihe III: Matthäus 18, 15 - 20
Reihe IV: Römer 7, 14 - 25 a
Reihe V: Micha 6, 6 - 8
Reihe VI: 1. Johannes 2, (7 - 11) 12 - 17

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 328 Dir, dir o Höchster, will ich singen
Wochenlied: EG 130 O Heiliger Geist, kehr bei uns ein
Predigtlied: EG 176 Und suchst du meine Sünde
Schlusslied: EG 358 Es kennt der Herr die Seinen

Predigttext Römer 7, 14 - 25 a

Der Mensch unter dem Gesetz

14 Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.

15 Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich.

16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist.

17 So tue ich das nicht mehr selbst, sondern die Sünde, die in mir wohnt.

18 Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht.

19 Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.

20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.

21 So finde ich nun das Gesetz: Mir, der ich das Gute tun will, hängt das Böse an.

22 Denn ich habe Freude an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.

23 Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Verstand und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.

24 Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes?

25 Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!

Liebe Gemeinde,

der Pfarrer sagt: Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich nicht an die Predigt zu setzen, sondern ins Fitnessstudio zu gehen. Mein Rücken macht immer wieder Probleme und ich weiß, wenn ich nichts tue, werde ich es wieder bereuen. Trotzdem sitze ich jetzt am Schreibtisch, weil das einfacher ist, als mich am Gerät zu quälen ...

Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht ...

Die Mutter sagt: Ich wusste, dass es schlecht war, meinen Frust an meiner Tochter abzulassen. Ja, sie war ein Teenager und manchmal ganz schön frech, trotzdem bin ich viel zu oft ausgerastet. Zuerst hatte sie Angst vor mir, im Laufe der Zeit wurde daraus Abneigung und am Schluss Hass. Irgendwann hat sie den Kontakt abgebrochen...

... ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich...

Drei junge Männer verprügeln einen wehrlosen vierten, kleiner als sie. Sie verletzten ihn erheblich. Wie es dazu kam, kann sich keiner von ihnen erklären. Irgendwann waren sie alle wie im Blutrausch. Nun sitzen sie auf der Anklagebank. Sie werden wohl zu Haftstrafen verurteilt werden. Scham und Schuldbewusstsein steht ihnen ins Gesicht geschrieben, aber die Tat können sie nicht mehr ungeschehen machen.

...Mir, der ich das Gute tun will, hängt das Böse an.

Denn ich habe Freude an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.

Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Verstand und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist ...

[Hier besteht die Möglichkeit, je nach eigenem Geschmack andere Beispiele zu wählen. Vorsichtig wäre ich aber mit allzu öffentlichen Geschichten; die Anonymität sollte in jedem Fall gewahrt sein ...]

Da ist es, das magische Dreieck:

Da sind wir Menschen, da ist Gott und die guten Gebote fürs Leben und da ist das Böse, die Sünde, die Schuld, die wir Menschen immer wieder auf uns laden.

Und egal wie wir es drehen und wenden: Es gibt kein mensch-liches Leben ohne Schuld.

Jede und jeder von uns gerät irgendwann in seinem Leben in dieses Bermuda-Dreieck, schädigt mit dem, was er oder sie tut oder nicht tut den eigenen Körper, Beziehungen, einen anderen Menschen.

Und meistens kennen wir dieses magische Dreieck mensch-licher Schuld sogar zweifach: Als Täter, als Täterin und auch genauso als Opfer.

Deswegen kann auch Paulus so einfach „Ich“ sagen in diesem Bibelwort. Nicht weil er so ein schlimmer Finger gewesen wäre, sondern weil es diesen Abgrund zwischen gutem Wol-len und schlechtem Tun in uns allen gibt. Ausnahmslos, und wenn nicht in bösen Taten, dann in bösen Gedanken und auch die haben ihre Wirkung...

Und Paulus bringt es auf den Punkt, was es mit diesem magi-schen Dreieck menschlicher Schuld auf sich hat:

Zwei Kräfte, sagt er, gibt es in uns Menschen:

Da ist einmal unser gutes Wollen,
unser Verstand, der genau weiß, was gut ist und mir und an-deren gut tut,
unser Klugheit, die das „Gesetz“ des anständigen Lebens kennt,
die 10 Gebote,
die Goldenen Regeln:
Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst ...oder ... Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu ...

Und da gibt es all das, was sich unterhalb meines Halses in mir abspielt:

Die Instinkte,
die Begierden,
die Leidenschaften und Süchte,
die halbbewussten und die ganzen unbewussten Antriebe ...

Da ist auf der einen Seite mein freier Wille, der letztendlich von Gott kommt und der mich befähigt, gute Entscheidungen zu treffen und eines der Ebenbilder Gottes zu sein, wie der Mensch neben mir auch.

Und da ist aber auch die andere Seite in mir, die nicht nur den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt, sondern auch uner-klärlich oft zerstörerisch handelt und wirkt.

Paulus nennt es das Böse, das mir anhängt; die Sünde, deren Eigentum ich quasi bin.

Im Mittelalter sahen die Menschen in solchen Fällen gerne den Teufel am Werk, heute reden wir eher von den Umstän-den, die uns bestimmen oder von den Strukturen, in die wir verstrickt sind.

Das mag sogar stimmen, aber das entlässt uns nicht aus der Verantwortung und, das ist noch viel entscheidender, es ent-lässt uns auf keinen Fall aus den Folgen unseres Tuns.

Wir können uns letztendlich aus dieser Falle zwischen gutem Wollen und immer wieder bösem Tun nicht befreien.

Wir hängen darin fest, verurteilt dazu, immer wieder Fehler zu begehen und Schuld auf uns zu laden, genauso wie wir dazu verurteilt sind, auch immer wieder in der Gefahr zu stehen, Opfer zu werden, weil jemand anderer sich im engeren oder weiteren Sinn nicht im Griff hatte.

All das tut und erleidet auch Paulus, der große Apostel.

Wo sieht er einen Ausweg für sich, für uns?

Sein Ausweg, und da steht er ganz in der Tradition der Psal-men, ist Gott selbst.

Paulus beschreibt wie ein guter Psalmdichter hochkonzen-triert und ohne Umschweife oder Ausflüchte unsere mensch-liche Grundsituation:

Wir sind Sünderinnen und Sünder. Ob große oder kleine Schuld, ob Mann, ob Frau, das geht kein Weg vorbei an diesem Grundrahmen menschlichen Lebens.

Aber über diesem Kampf zwischen uns und dem Bösen in uns, zwischen uns und der Sünde steht immer Gott.

Und zwar nicht der Gott, der straft und Sühne will, sondern Gott, wie ihn uns Jesus Christus zeigt:

Barmherzig, befreiend und erlösend.

Gott, voller Liebe und Erbarmen für uns Menschen, die wir unser Bestes geben und so oft scheitern.

Gott erkennt uns in unserer Stärke und in unserer Schwäche und in beidem will Gott uns nahe sein.

Und weil Gott sich nicht von uns abwendet, wenn wir Schuld auf uns laden, deswegen kann in Gott auch ein Neuanfang für uns beginnen.

Bei Menschen mag es manchmal zu spät sein und es gibt Dinge, die mir der Andere, die Andere wahrscheinlich nicht vergeben kann und wird.

Bei Gott ist das anders.

Gott sieht uns anders an, als Menschen uns ansehen. Gott erkennt uns so tief, wie uns niemand sonst erkennen kann. Gott dürfen wir uns ganz zeigen, auch all das, was schmutzig, sündig und zerstörerisch ist.

Und Gott sagt dazu nicht Ja und Amen, sondern:

Schau auf mich, schau weg vom Bösen und gehe Schritte in meine Richtung ...

Die Sünde und die Schuld sind da, aber ich, Gott, bin auch da und ich zeige dir einen Weg hinaus, wieder zurück ins Leben.

Wir können das immer wieder nur elementar erleben, mit dem Kopf bestenfalls erahnen, nie ganz begreifen und immer nur in Widersprüchen davon reden.

Luther nennt diese Erfahrung: Simul justus et peccator, gleichzeitig gerechtfertigt und sündig sein; ganz tief als Kind Gottes angenommen sein und gleichzeitig als zutiefst fehlbar erkannt werden.

Deswegen kann Paulus im Römerbrief im Kapitel 6 von der Taufe als Befreiung für uns alle sprechen, dann in Kapitel 7 über seine (und unsere) Sündhaftigkeit klagen und am Schluss in Kapitel 8 hymnisch davon lobsingen, dass uns nichts von der Liebe Gottes scheiden kann, weder Mächte und Gewalten, noch wir selber mit unseren Sünden.

Eine Geschichte zum Ende:

Ein junger Pfarrer kommt in eine neue Gemeinde, die heillos zerstritten ist untereinander. Niemand traut dem anderen über den Weg, alle denken voneinander nur das Schlechteste. Und der Streit reicht bis tief in die Familien hinein.

Einige Monate tut er seinen Dienst, macht gute Miene zum bösen Spiel, dann aber, kurz vor Ostern hat er die Nase voll und wagt einen kühnen Schritt:

Eigentlich sollte er feierlich nach dem Ostergottesdienst aus der Kirche ausziehen, stattdessen verrammelt er, als er an der Tür ist, das Portal mit einer großen Eisenkette, so dass niemand hinaus kann.

Er stellt sich vor seine Gemeinde und sagt:

Wir haben heute die Auferstehung gefeiert. Wir haben ge-feiert, dass wir durch Jesus neu geboren sind, dass wir durch ihn von unserer Schuld, von unseren Sünden befreit sind und aus seiner Liebe miteinander leben dürfen.

Und deswegen muss ich euch sagen, so wie ihr miteinander umgeht, darf es nicht weitergehen. Ihr seid einander die größten Feinde von allen.

Ich stelle euch jetzt vor die Wahl:

Wenn ihr einander nicht vergeben wollt, dann kann ich daran nichts ändern. Dann könnt ihr einander umbringen, hier vor meinen Augen und ich werde jeden kostenlos beerdigen. Aber ihr kommt hier nicht raus, bevor hier nicht alles, alle bösen Taten, alle bösen Worte und alle bösen Gedanken auf den Tisch gekommen sind, egal wie es dann am Ende ausgeht.

Ich sage euch, ihr müsst miteinander reden, die Sachen mit-einander bereinigen, einander, wenn es irgendwie geht, vergeben in und durch Jesus.

Lange Zeit sagt niemand etwas. Dann steht einer der Kir-chenältesten auf und spricht davon, wie sehr er sich von seinem Bruder um das gemeinsame Erbe betrogen fühle und dass er voller Groll sei. Er habe versucht, sich zu rächen und habe seinem Bruder auf viele Weise versucht, zu schaden. Das tue ihm jetzt leid, denn es mache alles nur noch schlim-mer, nicht besser. Wenn es irgendwie möglich wäre, würde er sich gerne versöhnen, heute und hier. Kaum hat er zu Ende gesprochen, wird er auch schon von einem kräftigen Mann an die Brust gedrückt, seinem Bruder, der auch schon seit langer Zeit ebenfalls Vergebung und Versöhnung möchte ...

[Es ist eine sehr steile Geschichte und für mich passt sie hier sehr gut. Das ist aber meine persönliche Wahl. Und ich habe sie leider auch nur noch aus dem Gedächtnis parat ...sie stammt von Elias Chacour und erzählt eine Begebenheit aus seiner ersten Zeit als griechisch-katholischer Priester in Ibillin, Israel-Palästina.

Jede und jeder kann für sich überlegen, ob und welche Geschichte hier hinpasst ...]

Wir werden aneinander immer wieder schuldig werden, weil wir Menschen sind und bleiben. Aber zwischen uns und unsere Schuld, zwischen uns und unserer Sünde steht immer Gott.

Und deswegen sind wir nicht alleine damit.

Deswegen können wir Vergebung erfahren und gewähren.

Und dadurch können wir wieder neu miteinander leben ler-nen.

Amen

Verfasserin: Pfarrerin Martina Gutzler, Erlenbrunner Straße 12, 66955 Pirmasens


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