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Befreiung im Vertrauen auf Gottes Gnade

von Frank Ottfried Ohly (Stuttgart)

Predigtdatum : 31.10.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Hesekiel 3, 16-21
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Wochenspruch:
Einen andern Grund kann niemand legen als den, der glegt ist, welcher ist Jesus Christus (1. Korinther 3, 11)

Psalm: 46, 2 - 8

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 62, 6 - 7. 10 - 12

Epistel: Römer 3, 21 - 28

Evangelium: Matthäus 5, 2 - 10 (11 - 12)

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 362 Ein feste Burg ist unser Gott
Wochenlied: EG 341, 1 - 4 Nun freut euch, liebe Christen g‘mein
Predigtlied: EG 619, 1 - 4 oder EG 351, 1 - 4 + 7 Du bist der Weg und die Wahrheit und das Leben oder Ist Gott für mich, so trete

Schlusslied: EG 320, 8 Erhalt uns in der Wahrheit

Hinführung:
Der Text Hesekiel 3,16-21 ist dominiert von dem Bild des Wächters.
Der Prophet Hesekiel bekommt von Gott den Auftrag, die Rolle des Wächters einzunehmen. Er soll das Volk Israel vor Gottes strafendem Handeln warnen. Je nachdem, ob er seiner Aufgabe nachkommt, kann er sein Leben retten.

Die Wächtermotivik wird im Hesekielbuch in Kapitel 18 und 33 ebenfalls ausgeführt. Ihre Wirkungsgeschichte reicht bis hinein in das Lied „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (EG 147): „Zion hört die Wächter singen, das Herz tut ihr vor Freude springen.“
Die Herausforderung an diesem Sonntag besteht darin, den Text zum Reformationstag zu predigen. Intention der Predigt kann von daher nicht sein, gute Werke zur Bedingung gelingenden Lebens zu machen. Stattdessen gilt es, Gottes gute Absicht hervorzuheben, nämlich den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Gliederung:
I. Einleitung: Habe ich es dir nicht gesagt?
II. Der Text am Reformationstag: Was kann ich tun?
III. Der Prophet als Wächter – für die Adressaten damals: Halt und Orientierung
IV. Der Prophet als Wächter – für die Adressaten bis heute: Gott ist kein Besserwisser

Ziel:
Gott liebt die Israeliten wie seine Kinder und begleitet ihre Wege.

Predigt:

I. Einleitung: Habe ich es dir nicht gesagt?

Liebe Schwestern und Brüder,

„Ich habe es dir gesagt, aber du wolltest ja nicht hören“. Eltern oder Freunde markieren mit solch einem Satz, dass sie durchaus eine Warnung ausgesprochen haben. Nun aber ist es zu spät, „das Kind ist in den Brunnen gefallen“. Die Sache ist nicht mehr zu ändern.
„Ich habe es dir doch gesagt!“– Haben Sie sich das auch schon sagen hören? Oder wurde der Satz zu Ihnen gesagt? Das jeweilige Gegenüber wird als uneinsichtig und stur dargestellt, während der Warnende den Kopf aus der Schlinge ziehen will.

Im heutigen Predigttext wird der Prophet Hesekiel als ein Mahner geschildert, der warnen soll, bevor es zu spät ist. Der Predigttext unterscheidet, ob Hesekiel sich mit seiner Warnung an einen soge-nannten Gerechten wendet, oder an jemanden, der gottlos ist. Es gibt jeweils zwei Varianten: entweder der Prophet warnt und rettet damit sein Leben, oder er warnt nicht und muss auch sterben. Der Gottlose muss sterben, wenn er nicht umkehrt. Er kann aber umkehren, ge-nauso wie der Gerechte, der das ebenfalls nötig hat, wenn er sich etwas zu Schulden kommen lassen hat.

Ich lese aus Hesekiel 3, 16 - 21:

16 Und als die sieben Tage um waren, geschah des HERRN Wort zu mir:
17 Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel. Du wirst aus meinem Munde das Wort hören und sollst sie in meinem Namen warnen.
18 Wenn ich dem Gottlosen sage: Du musst des Todes sterben!, und du warnst ihn nicht und sagst es ihm nicht, um den Gottlosen vor seinem gottlosen Wege zu warnen, damit er am Leben bleibe, – so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern.
19 Wenn du aber den Gottlosen warnst und er sich nicht bekehrt von seinem gottlosen Wesen und Wege, so wird er um seiner Sünde willen sterben, aber du hast dein Leben errettet.
20 Und wenn sich ein Gerechter von seiner Gerechtigkeit abwendet und Unrecht tut, so werde ich ihn zu Fall bringen und er muss sterben. Denn weil du ihn nicht gewarnt hast, wird er um seiner Sünde willen sterben müssen, und seine Gerechtigkeit, die er getan hat, wird nicht angesehen werden; aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern.
21 Wenn du aber den Gerechten warnst, dass er nicht sündigen soll, und er sündigt auch nicht, so wird er am Leben bleiben; denn er hat sich warnen lassen, und du hast dein Leben errettet.


II. Der Text am Reformationstag: Was kann ich tun?

Welch’ ein Text!

Fast verschlägt es einem den Atem. Man spürt: Hier geht es um Ers-tes und Letztes. Das Leben vor Gott und mit Gott. Man kann nur ahnen, wie Martin Luther sich schlaflos hin- und herwarf, und Tag und Nacht darüber nachdachte: „Wie komme ich in Verbindung mit Gott? Wie kann ich seiner gerecht werden, was muss ich tun, um ihm genügen zu können? – Aber Gott will doch auch ein rettender Gott sein!“

Luther, der ja die Bibel in- und auswendig kannte, wird auch das Wort des Hesekiel vor Augen gehabt haben.

Welch’ ein Text!

Wie ging Martin Luther damit um? Er hat vor fast 500 Jahren, im immer wieder neuen Hören auf die Heilige Schrift erkannt und he-rausgestellt, dass Christen nichts dafür leisten müssen, um bei Gott anerkannt und geliebt zu sein. Nein, ich kann gar nichts tun. Sondern Gott nimmt mich mit offenen Armen auf. Er will mich retten! Er wartet auf mich! Ich darf dies entdecken, bekennen und glauben.

Welch’ eine Entdeckung!

Diese befreiende Botschaft will nur schwerlich zusammenpassen mit der Unterscheidung zwischen „Frevlern“ und „Gerechten“, wie sie im heutigen Predigttext getroffen wird. Kann ich doch etwas leisten? Wo ist da der liebende Gott?


III. Der Prophet als Wächter – für die Adressaten damals: Halt und Orientierung

Der Predigttext aus dem Hesekielbuch lässt sich besser verstehen, wenn man die Situation der Israeliten beachtet. Verschleppt nach Babel, fern der Heimat, haben sie wohl ihr Gottvertrauen verloren. Könnte es sein, dass Gott uns strafen will? So fragen sie. Sie fürchten sich davor, keinen Zugang zu Gott zu haben, fernab der Heimat. Sie sehnen sich nach Halt und Orientierung, nach jemandem, der sagt, wo es langgeht. Sie wollen sichergehen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Darin besteht für sie Gottesnähe. Auch Luther hat vor seiner reformatorischen Entdeckung auf vielen Wegen diese Gottesnähe gesucht.

Der Prophet Hesekiel stellt diese Gottesnähe her, indem er Gerechte und Gottlose vor ihrem Verderben warnt. Nicht Strafe und Tod ste-hen im Fokus, sondern die Nähe zu Gott. Wie ein Vater oder eine Mutter nimmt er die Israeliten an die Hand, sagt ihnen Gottes Bot-schaft weiter. Die Warnung des Propheten hat Aussicht auf Erfolg. Nicht nach dem Motto: „Ich habe dich gewarnt, aber du wolltest ja nicht hören“. Die Warnung des Propheten erfolgt nicht etwa pro forma (auch bei besorgten Eltern natürlich nicht) oder besserwisse-risch, sondern mit dem Ziel, ein gutes Leben zu führen, geborgen bei Gott. JA zu sagen, zur Nähe Gottes – JA zu sagen zu Gott, der den Horizont der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit neu öffnet.

Der Auftrag an den Propheten, auch den Schuldiggewordenen zu warnen, unterstreicht diese Absicht nur. Gott beabsichtigt keine Bloßstellung Hesekiels, sondern möchte sicher gehen, dass sein Wort jeden erreicht. Sein Wort, das auf den rechten Weg ruft. Sein Wort, das Erbarmen und Barmherzigkeit verkündet. Ja, so sehr rührt es an die Grundfesten des menschlichen Lebens, dass Hesekiel nicht ver-säumen darf, es weiterzusagen. Daher die eindringliche Verpflich-tung des Propheten, „bei seinem Leben“.

V. Der Prophet als Wächter – für die Adressaten bis heute:
Gott ist kein Besserwisser

„Seid wachsam“ – diese Aufforderung spielt bis in das Neue Testa-ment hinein eine Rolle und gewinnt sogar noch an Bedeutung, je mehr Christen mit der Wiederkehr Jesu Christi rechneten. Bilder, beispielsweise in den Paulusbriefen, beschreiben diese sogenannte „Naherwartung“: Der Tag des Herrn kommt „wie der Dieb in der Nacht“ (1), „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber ist nahe herbei-gekommen (2). Von der Wachsamkeit für das Kommen Jesu singen wir am Ewigkeitssonntag im Lied: „Wachet auf, ruft uns die Stimme des Wächters sehr hoch auf der Zinne.“

So wie den Israeliten in Babel mag es auch den Christinnen und Christen in den ersten Gemeinden gehen. Sie sehnen sich danach, Gott nahe zu sein. Dafür wollen sie alles tun. Das bedeutet für sie, wachsam zu sein. Wer wünscht sich das heute nicht, zu wissen, auf dem richtigen Weg zu sein? Das Bild des Wächters ist Ausdruck dieser Sehnsucht.

Immer auf der richtigen Seite sein, immer alles perfekt machen, da-nach streben Menschen auch heute. „Sich jeden Tag neu erfinden zu müssen“ ist ein Druck, unter dem manche stehen. Immer zeigen zu müssen, dass man auf dem Arbeitsmarkt oder gesellschaftlich wert-voll ist, lässt viele ausbrennen oder unter der Last der Arbeit zusam-menbrechen. Trotz zahlreicher Beratungsangebote gehen eher immer mehr als weniger Beziehungen in die Brüche. Auch heute brauchen Menschen die Botschaft von der Rechtfertigung: Du bist ein geliebtes Kind Gottes. Die Nähe Gottes zu suchen und von ihm gefunden zu werden, verändert auch unser Alltagsleben.

Bis heute gilt, was der Liederdichter Paul Gerhardt in dem Advents-lied „Wie soll ich dich empfangen“ gedichtet hat:

Ihr dürft euch nicht bemühen
Noch sorgen Tag und Nacht,
Wie ihr ihn wollet ziehen
Mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen,
Ist voller Lieb und Lust,
All Angst und Not zu stillen,
Die ihm an euch bewusst.

Die Rede ist von Jesus Christus, der gekommen ist, in Liebe unsere Schuld zu tragen. Dies ist der Kern der Botschaft zum heutigen Re-formationstag: „Ihr dürft euch nicht bemühen, noch sorgen Tag und Nacht“, weil Christus alles getan hat.

Bis heute braucht es die Ernsthaftigkeit und das Engagement, diese gute Botschaft weiterzugeben. Verkürzt gesagt: Das Wort aus Hese-kiel mahnt uns, eine missionarische Kirche zu sein, die die frohe Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen nicht schuldig bleibt.

Wichtig ist am Ende: Gott ist ein lebendiger Gott. Ein Gott des Le-bens, der das Leben fördert. „Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht der HERR, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?“ heißt es schließlich in Hesekiel, Kapitel 18.

Gott bietet sich uns an. Er ist ein Liebhaber des Lebens, ein Ermu-tiger, ein Tröster und Begleiter – in der ganzen Ernsthaftigkeit, die sich beim Propheten Hesekiel zeigt, und an der auch Martin Luther trotz aller Freiheit des Glaubens festgehalten hat.

Welch’ ein Text! Welch’ eine Entdeckung! Welch’ ein neuer Hori-zont!

Amen.

Anmerkungen
(1) 1 Thessalonicher 5,2
(2) Römer 13,12

Fürbittgebet:

Lasst uns in Frieden beten

Um ein waches Gewissen, um Vergebung unserer Schuld
und ein Leben, das Frucht bringt,
lasst uns bitten:
Gott, erbarme dich!

Um Verständnis für unsere Mitmenschen,
um Mut, die Wahrheit zu sagen und dafür einzutreten
besonnen und offen
lasst uns bitten:
Gott, erbarme dich!

Um die Fähigkeit allen Menschen so zu begegnen,
dass sie auch durch uns Gottes Liebe spüren,
lasst uns bitten:
Gott, erbarme dich!

Für unsere Kirche, für die ganze Christenheit,
dass sie sich bewusst ist: Wir sind der Weinberg,
den du, Gott, gepflanzt hast, den du behütest,
auf dem du ernten willst.
Lasst uns bitten:
Gott, erbarme dich!

Für unser Volk und alle Völker der Welt,
dass sich Gerechtigkeit durchsetze
und Friede werde, wo Krieg ist,
lasst uns bitten:
Gott, erbarme dich!

Für die Menschen, die dich besonders brauchen,
die Hungernden, dass ihnen geholfen werde,
die Kranken, dass sie Heilung finden in dir.
Lasst uns bitten:
Gott, erbarme dich!

Gott, bleibe bei uns mit deinem Wort
Und schenke uns die Kraft zum Wachstum.
Darum bitten wir dich im Glauben an Christus (3) .


Verfasser: Landesbischof Frank Otfried July
Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart

Herausgegeben vom

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