Befreiung im Vertrauen auf Gottes Gnade
von Lisa Neuhaus (Frankfurt/Main)
Predigtdatum
:
31.10.2015
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Matthäus 5,2-10.(11-12)
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Wochenspruch:
Einen andern Grund kann niemand legen als den, der glegt ist, welcher ist Jesus Christus (1. Korinther 3, 11)
Psalm: 46, 2 - 8 – oder ersetzen durch Matthäus 5, 3- 10 unter EG 759
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 62, 6 - 7. 10 - 12
Epistel: Römer 3, 21 - 28
Evangelium: Matthäus 5, 2 - 10 (11 - 12)
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 295, 1 - 3 Wohl denen, die da wandeln
Wochenlied: EG 362, 1 - 3 Ein feste Burg ist unser Gott
Predigtlied: EG 398, 1 - 2 In dir ist Freude
Schlusslied: EG 295, 4 Wohl denen, die da wandeln
Informationen
Der Predigttext, die Seligpreisungen Jesu, werden nach Möglichkeit schon statt Eingangspsalm in der Luther-Über-setzung vorgelesen oder mit der Gemeinde im Wechsel ge-sprochen (Nr. 759 im EG). Für die Predigt schlage ich vor, den etwas fremderen Wortlaut aus der Bibel in gerechter Sprache zu verwenden, sie wird auch im Lauf der Predigt immer wieder zitiert. Als Abschluss sollen die Selig-preisungen noch einmal zu Gehör gebracht werden. Das kann noch einmal als Lesung geschehen in der einen oder anderen Übersetzung oder in Abstimmung mit der für die musikalische Gestaltung zuständigen Person auch als Wechselgesang von zwei Personen oder der Gemeinde mit EG 307. Das hängt natürlich ganz von den Möglichkeiten in der Gemeinde ab.
Die kursiv gesetzten Zeilen im Text der Predigt sind kon-krete Beispiele, die entweder wegfallen können oder aber Anstoß sind, Beispiele aus der eigenen Gemeinde auf-zunehmen.
Nach dem Kanzelgruß erfolgt die Lesung von Matthäus 5, 1 – 10 Bibel in gerechter Sprache ohne jede Ansage davor
Liebe Gemeinde,
auf den Anfang der Bergpredigt Jesu hören wir heute zum Reformationsfest.
Wir hören über 2000 Jahre hinweg auf diese Worte, die vom Hügel am friedlichen See Genezareth – nah an den Grenzen nach Syrien und Libanon und all diesen friedlosen Ländern – zu uns nach (Frankfurt am Main) durchdringen wollen.
„Selig sind die Sanftmütigen, sie werden das Land erben.“
Wir hören auf Worte, die den Geist Jesu atmen und wie ein Lichtkristall oder wie ein Klangkörper durch die Zeiten wei-ter gereicht werden. Auch die Reformationsbewegung hat sie weitergegeben. Sie hat ja die Worte der Bibel allen zugänglich gemacht und besonders großes Vertrauen auf ihre Kraft gesetzt. Und sie wollte die Worte der Bibel bewahren vor dem Missbrauch durch die Kirche.
„Selig sind, die reinen Herzens sind, sie werden Gott sehen.“
Wir hören Worte, die bei aller Schönheit schwer zu glauben sind. Sie stehen manchmal allzu krass gegen die Erfah-rungen vieler Menschen. Und sie rühren uns doch an.
Was bedeutet Glauben angesichts dieser Worte?
Glauben heißt: dass wir zu der Gemeinschaft derer gehören, die auf diese Worte hören und sich im Klangraum der Berg-predigt aufhalten. Das genügt.
„Selig sind die Barmherzigen, sie werden Barmherzigkeit erlangen.“
Die Seligpreisungen Jesu nehmen nicht das große Ganze in den Blick, sondern die Welt des „Kleinmenschlichen“. Einzelne Menschen mit ihrem Leid und ihren Tränen, mit ihren Bemühungen und ihrer Erschöpfung, mit ihrem Kleinmut und ihrer Hoffnung. Mit ihrer Sehnsucht nach Gott und nach einer anderen Welt.
Sehnsucht danach, dass das, was ist, noch nicht alles ist.
Jesus nimmt die Opfer der großen Systeme in den Blick. Zu seiner Zeit das brutale System der römischen Weltmacht. Was wäre es heute?
Die Weltherrschaft von Apple, Facebook und Co?
Die von den Gesetzen der Geldwirtschaft regierte Welt?
Jesus lässt das große Ganze links liegen und richtet den Blick auf einzelne, und dabei nicht auf die, die ohnehin ständig alle Aufmerksamkeit bekommen, sondern eher auf die im Schatten: die Abgehängten.
Die um ihr Recht Betrogenen, die Verlierer und Sorgenkin-der …
Und auf diejenigen, die gegen alle Vernunft und Resignation tun, was sie können, um dahin Licht zu bringen, wo es finster ist. Zu den Armen, denen durch erbarmungslose Menschen und Strukturen sogar das Gottvertrauen kaputt gemacht wird.
Zu denen, die unter Krieg und Gewalt leiden und denen die große Politik nicht hilft.
Ich muss an junge Menschen aus der Gemeinde denken, die Friedensdienste in Israel und Thailand und Costa Rica machen Und an meinen Freund Matthias, einen versierten Entwicklungshelfer, der im Auftrag der Bundesregierung als Friedensstifter im Grenzgebiet von Syrien, Türkei und Irak unterwegs ist und vor Ort kleine lokale Friedenschlüsse zu-stande bringt.
Der Blick Jesu ruht über 2 Jahrtausende auch auf denen, die zu ihm und seiner Gemeinde gehören wollen, selbst wenn sie einen hohen Preis dafür bezahlen.
Dabei können wir zum Beispiel an die kleinen christlichen Gemeinschaften in Usbekistan denken. Dort ist es verboten, eine Bibel zu besitzen. Wer eine hat, der wird bestraft, in-dem zum Beispiel die Wohnung fast ganz leer geräumt wird.
Wer hat in Usbekistan so viel Angst vor der Macht dieser Worte und vor dem Geist Jesu?
Diese kleinen Gemeinden treffen sie sich in ihren Wohnun-gen, in denen fast keine Möbel mehr stehen und trösten sich gegenseitig, in dem sie Stücke aus der Bibel aufsagen, die sie im Herzen haben und vor allem, indem sie zusam-men singen.
„Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“
„In dir ist Freude in allem Leide“: auch wenn wir hier in unserer Gemeinde zusammen singen, begeben wir uns in den Klangraum des Trostes, der erfüllt ist vom Geist Jesu.
Auch bei uns, die wir eine Bibel besitzen dürfen und Reli-gionsfreiheit haben, gilt:
Selig, glücklich zu schätzen seid ihr, wenn blöd oder spöt-tisch über euch geredet wird, weil ihr zur Gemeinde gehört, weil ihr euer Geld als Steuer und Kollekte zur Verfügung stellt und manchmal zum Gottesdienst geht.
Ja, auch als Konfirmandinnen und Konfirmanden, denen andere in der Klasse manchmal sagen: Konfirmation? Geht´s noch? Was bringt das denn?
Dazu könnte Jesus sagen: Macht euch nicht zu viel draus. Was ihr tut, wenn ihr hier dabei seid und betet und singt, das ist wichtig für die ganze Welt und für Gott und gerade auch für die, die so spöttisch reden.
Der Lichtkristall der Seligpreisungen:
ich drehe ihn vor Ihren Augen ein bisschen hin und her mit meinen Worten.
Manche Lichtstrahlen erreichen Sie heute und andere nicht.
Den Lichtkristall der Bergpredigt haben die Schriftgelehrten in den Kirchen natürlich in ihren Auslegungen seit fast 2000 Jahren viel hin- und her gedreht mit ihren Fragen:
Sind die Seligpreisungen Regeln, wie wir leben sollen?
Und könnten wir das überhaupt – den Seligpreisungen gemäß leben?
Oder wollen sie eine innere Gesinnung in unserem manch-mal mehr und manchmal weniger reinen Herzen befördern? Gutmenschen aus uns machen oder gar Heilige?
Oder sind diese Wort halt zeitbedingt und nicht mehr von dieser Welt? Vertröstungen auf später ohne Gegenwert in der Gegenwart?
Manche Auslegungen bringen den Lichtkristall zum Leuchten. Wenn es aber zu abstrakt wird, dann leuchtet nicht mehr so viel.
Der Lichtkristall wird auch dann stumpf, wenn wir ihn dazu missbrauchen, unser schlechtes Gewissen zu pflegen. Wenn wir, obwohl wir evangelisch sind, aus den Seligpreisungen eine Art Beichtspiegel machen, an dem wir ablesen, was wir alles verkehrt machen oder zu wenig tun. Da fragen sich Menschen dann:
Bin ich mit meinem Geld denn arm, wenigstens im Geist, oder was soll das überhaupt bedeuten?
Bin ich barmherzig mit anderen und stifte Frieden?
Habe ich ein reines Herz und tue genug für die Rechtlosen?
Solche selbstbezogenen Gedanken tun dem Lichtkristall der Seligpreisungen gar nicht gut.
Diese Art von schlechtem Gewissen ist überhaupt ein Feind des Glaubens, weil ich mich dabei viel zu viel mit mir und zu wenig mit Gott und anderen beschäftige. Die Seligprei-sungen werden nicht über die Jahrhunderte weiter gegeben, um Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen.
Denen, die im Dunkeln sitzen oder die im Abseits gelandet sind, tut das Licht dieser Worte manchmal gut.
Anderen, in deren Leben es heller ist, können diese Licht-worte die Augen erleuchten, dass wir andere klarer wahr-nehmen: konkrete Menschen in ihrem Leid oder in ihrer Barmherzigkeit, in ihrem verzweifelten Festhalten an Gott gegen alle Erfahrungen, die sie gerade machen.
Und manchmal sehen wir dann mit den von der Bergpredigt erleuchteten Augen auf einmal Gott selber da, wo wir es gar nicht erwarten.
Hören Sie die Seligpreisungen noch einmal und lassen Sie den Geist Jesu in Ihrem Herzen Resonanz finden. (siehe oben)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem lebendigen Herrn. Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Lisa Neuhaus
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