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Befreiung im Vertrauen auf Gottes Gnade

von Felizitas Muntanjohl (65549 Limburg)

Predigtdatum : 31.10.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Philipper 2,12-13
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Wochenspruch:

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. (1. Korinther 3,11)

Psalm: 46,2-8 (EG 725)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 62,6-7.10-12
Epistel:
Römer 3,21-28
Evangelium:
Matthäus 5,1-10 (11-12)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 362
Ein feste Burg ist unser Gott
Wochenlied:
EG 341

Nun freut euch, lieben Christen g’mein
Predigtlied:
EG 241,1-5+8
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Schlusslied:
EG 351,1-3
Ist Gott für mich, so trete

12 Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern. 13 Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Bewirken nach seinem guten Willen.

Liebe Gemeinde!
Wenn wir eine Arbeit vor uns haben, die wir zu einem guten Ergebnis bringen wollen, etwa einen Auftrag unserer Firma oder eine Klassenarbeit in der Schule, dann müssen wir uns manchmal sehr anstrengen, um wirklich das zu erreichen, was wir wollen. Und da kann uns zwischendurch die Angst befallen, dass wir das vielleicht gar nicht so hinkriegen, wie wir uns das wünschen, und dass am Ende unsere Vorgesetzten gar nicht zufrieden sind mit dem Ergebnis, sondern sagen: „Na, das hat ja nicht gereicht. So lass ich das nicht gelten“. Oder wir sagen uns schon selber, dass das nicht gut genug war für das, was wir eigentlich könnten.
Das ist manchmal eine ganz schön unangenehme Lage. Aber gerade durch eine solche Anforderung bleiben wir auch an uns am Arbeiten und entwickeln uns immer weiter. Wenn wir immer die Klassenarbeiten vom 1. Schuljahr schreiben sollten, dann könnten wir bis heute nicht mehr als ein paar Buchstaben kritzeln. Erst neue und größere Anforderungen fordern uns auch zu neuem Können heraus.
So ist unser ganzes Leben eine immer neue Herausforderung zu neuem Lernen, neuem Tun, neuem Verstehen. Nach der Schule ist es der Beruf. Dann ist es der Umgang mit Ehepartner und Kindern. Dann ist es das Zurechtkommen mit abnehmenden Möglichkeiten und schließlich ist es das Lernen von Abschiednehmen und Loslassen, erst von anderen und dann von uns selbst.
Das immer neue Gefordertsein ist eine Grundgegebenheit des Menschen. Immer wieder müssen wir uns einstellen auf neue Situationen und neue Anforderungen. Aber genau genommen finden wir ja auch nur dann unser Leben sinnvoll. Wenn es nichts mehr zu tun gäbe für uns, was uns neu unsere Kräfte spüren lässt, wenn es niemand mehr gäbe, für den wir unsere Energie zusammennehmen und tun müssen, was sonst keiner täte, wie öde wäre dann unser Leben und wie unbefriedigend.
Und so wie die Aufgaben des täglichen Lebens an uns herantreten und uns zu einem Wirken und Lernen herausrufen, so ruft auch Gott uns dazu, die Seligkeit zu finden, indem wir glauben lernen und im Glauben reifen.
Denn das Leben ist mehr als die täglichen Aufgaben. Es hat mehr Herausforderungen als die Arbeit und es hat mehr Erfüllung bereit als die der getanen Arbeit und der gestillten Wünsche. Jeder ist in seinem Leben auch dazu herausgefordert, Gott in seinem Leben zu begegnen und das eigene Leben in eine lebendige Beziehung zu Gott zu bringen. Nur dann wird eine wesentliche Seite des Menschen entwickelt: das Bedürfnis nach einem Horizont, der über das befristete Leben hinausreicht und die Fähigkeit, nach dem Sinn des Lebens zu fragen.
Wenn Paulus die Menschen dazu aufruft, sich ihre Seligkeit zu erarbeiten, dann steckt darin sein Wissen, dass der Mensch leicht diese Aufgabe versäumt, weil er nachlässig mit sich selbst wird.
Kinder fragen ganz selbstverständlich nach dem Woher und Wohin. Sie fragen, warum sie da sind und wer sie gemacht hat. Sie wollen wissen, auf welche Weise das Leben recht ist und was unrecht ist. Und wenn Eltern ihnen darauf nicht zu antworten wissen oder zu antworten wagen, dann verlieren die Kinder den Boden, auf dem sie sich sicher bewegen könnten.
Später zeigt sich das Leben als komplizierter. Es gibt nicht mehr unbedingt klare Eindeutigkeiten, und jeder muss herausfinden, in welcher Lebensweise die Maßstäbe des Lebens am ehesten verwirklicht werden. Man erkennt, dass Leben nicht ohne Schuldigwerden, ohne Ungerechtigkeit, ohne Egoismus gelebt werden kann. Und an dieser Stelle geben viele ihre Entscheidungsfähigkeit auf, weil sie nachlässig werden mit ihren tieferen Überzeugungen oder Ahnungen. Sie beobachten, wie derjenige Erfolg hat, der wenig Rücksicht nimmt; wie derjenige reich wird, der sein ganzes Streben auf Geldgeschäfte konzentriert; wie derjenige sorgenfreier lebt, der sein Gewissen ausschaltet; und wie derjenige gedankenlos genießen kann, der das Wort „Gott“ aus seinem Leben streicht.
Und so ist jeder versucht, aus diesen Beobachtungen den Schluss zu ziehen, dass es am sinnvollsten ist, die Fragen der Kindheit zu streichen und mit der Klugheit der Erfolgreichen das Leben in die Hand zu nehmen.
„Selig werden“ braucht man doch dann nicht mehr. Glück muss man haben, durch einen Geldgewinn oder durch eine Karriere oder persönliches Ansehen. Und „Furcht und Zittern“ befällt einen nur dann, wenn das aufgebaute Kartenhaus des Lebens zusammenzufallen droht.
Aber die verdrängte Frage wird nicht verschwinden. Die Frage nach dem Sinn, die in jedem Menschenherzen sitzt, weil das die entscheidende Frage ist, die den Menschen von aller anderen Kreatur unterscheidet: Die Frage nach Gott. Sie wird wiederauftauchen, weil sie die Frage ist, die über dem ganzen Lebenszusammenhang steht, die Frage, die letztlich entscheidet, ob ich mein Leben sinnvoll finde oder nicht.
Und wenn ich dann bei allem Graben in meinem Inneren nur diese gähnende Leere finde, die ich mein Leben lang mit Schaffen und Vergessen füllte, dann wird in dieser Leere keine Antwort meine Angst mehr zu besänftigen wissen.
(Das folgende Beispiel kann durch ein anderes aus eigener Erfahrung ersetzt oder so eingeleitet werden: „Eine Pfarrerin erzählt …“) Ich sah vor Jahren einen Menschen sterben, den ich länger kannte und den ich als nicht besonders ehrlich und friedfertig erlebt hatte, obwohl er den Ruf eines frommen Menschen hatte. Ich sah den Menschen sterben und es war nicht einmal ein besonders schweres Sterben. Aber mich packte ein großes Grauen über so viel hilflose Zeit, in der ein endlos scheinendes Gericht über das Leben ablaufen kann, längst verloren geglaubte Erinnerungen, längst vergessen geglaubte Schuld, tief im Innern vergrabene unbeantwortete Fragen. Ich hatte das Gefühl, der Mensch möchte mit aller Kraft davonlaufen vor diesem Wiedersehen und kann doch nichts als Stöhnen. Da betete ich zu Gott um Gnade für diesen Menschen und wünschte ihm alles vergeben, nur damit er dieses Grauen nicht mehr erleben muss.
„Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht, und Zittern“. Denn Furcht und Zittern sollen nicht am Ende stehen, wenn alles schon gelaufen und nichts mehr zu ändern ist. Gott möchte nicht, dass wir unser Leben lang in einer gedankenlosen Blindheit leben, um am Ende mit Schrecken die Wahrheit zu erkennen.
Wir sollen uns nicht fürchten müssen vor dem Tod. Und darum sollen wir offen sein den Begegnungen und Fragen Gottes gegenüber. Wir sollen nicht die Seligkeit für uninteressant erklären gegenüber der Gegenwart, so wie Esau sein Erstgeburtsrecht für unwichtig erklärte gegenüber der Erbsensuppe, die ihm in die Nase duftete. Unsere Seligkeit, das ist nicht so ein diffuses „Wird schon gut geh’n“, das uns jetzt noch nichts angeht. Es ist die immer in Frage stehende Nähe zu Gott, die immer neu zu erringende, immer neu zu gewinnende Gewissheit seiner Gegenwart.
Gott steht nicht am Ende automatisch da und hält uns sozusagen die Tür ins Paradies auf. Der Weg zu ihm ist ein Weg, der heute beginnt, und den ich heute verfehlen kann. Und morgen werd ich vielleicht schon einen Umweg gehen müssen, weil ich heute die Abzweigung vom bequemeren Weg verpasst habe.
Denken wir an Jesu Rede vom schmalen und vom breiten Weg, wo Jesus warnt, dass der breite, vielbegangene Weg ins Verderben führt und nur der schmale Weg zum Leben bei Gott, und dass es wenige sind, die ihn finden! Und darum müssen wir schon aufmerksam sein mit uns selbst, dass wir nicht einfach so weiterlaufen auf dem breiten, gewöhnlichen Weg, sondern die Abzweigung erkennen, an der Gott uns ein Zeichen gibt, dass wir Acht geben sollen auf uns. Damit wir uns nicht verrennen in der Welt, sondern den Weg finden, der uns nicht nur zufrieden macht, sondern der die Seligkeit aus Gottes Nähe hineinleuchten lässt in unser bei allem Glanz doch immer dürftiges Leben. Diese Aufmerksamkeit und diese Bemühung müssen wir uns bewahren, wenn wir unser Leben als Ganzes so gut bewältigen wollen wie unsere tägliche Arbeit.
Aber nach dieser Ermahnung von Paulus kommt ein ganz anderer Satz, der uns beschützen will vor einem fälschlichen neuen Leistungsdruck: „Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Bewirken nach seinem guten Willen“.
Wenn uns das alles nämlich zu schwer erscheint, dann sollen wir nicht verzweifeln an unserer immer wieder auftretenden Müdigkeit und Gedankenlosigkeit. Denn an dem Gelingen unseres Lebens sind nicht nur wir interessiert auch Gott selbst wünscht ja, dass wir zu der Seligkeit finden, die er uns schenken will. Er mag ja selber nicht gerne mit dem Geschenk dastehen und keiner holt es ab.
Und so ist es auch Gott selber, der in uns immer wieder das Wollen entfacht, die Sehnsucht, die neue Frage nach dem Sinn. Er selber sorgt dafür, dass wir uns nicht allzu unbekümmert festbeißen in den Dingen des Alltags, und legt uns so manches Mal Steine in den Weg, damit wir ein wenig stolpern und dann wieder besser auf unseren Weg achten, den wir gehen. Wer immer nur auf geteerten Wegen geht, der wird bald auf Feldwegen nicht mehr sicher laufen können. Wir gehen gern auf dem bequemsten Weg durchs Leben. Aber wir verlieren dort die Fähigkeit, Gott auf den verschlungenen Pfaden des Lebens erkennen zu können.
Und wenn wir dann mal wieder dastehen und möchten gerne wieder zu der Tiefe unseres Lebens finden, dann ist es auch Gott selbst, der uns zu Hilfe kommt, damit unser Wollen auch etwas bewirkt. Dann schickt er uns plötzlich Menschen, die wir bisher gar nicht so bemerkten. Dann schickt er Erlebnisse, die uns spüren lassen, wo das wirklich Wertvolle des Lebens liegt. Und er lässt uns für Momente spüren, was Seligkeit ist, wie viel tiefer sie ist als das Glück, das uns das Leben sonst schenkt.
Das passiert freilich nicht unbedingt gleich und schon gar nicht alles auf einmal. Aber das aufmerksam gewordene Herz wartet mit Eifer und erkennt mit Freude, dass bei allen Verirrungen, in die es sich verstrickt hat, doch Gottes wohlwollende Hand nicht verloren gegangen ist, und dass nach seinem guten Willen das Leben doch zu seinem eigentlichen Ziel finden kann: der Seligkeit in der Nähe Gottes.

Verfasserin: Pfarrerin Felizitas Muntanjohl, Gartenstr. 23, 65549 Limburg/Lahn

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