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Beisp. Mose: Die Macht des Gebets

von Rudolf Stein (Paulusgemeinde Wiesbaden)

Predigtdatum : 25.05.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Kantate
Textstelle : 2. Mose 32,7-14
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Predigt

Verfasser: Prädikant Rudolf Stein, Berliner Str. 197, 65205 Wiesbaden
Datum: 25.05.2014
Lesereihe: VI
Feiertag: Rogate
Textstelle: 2. Mose 32,7-14

Beten – Weg der Liebe in den Alltag

Wochenspruch: "Gelobt sei der Herr, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet." (Ps 66, 20)

Psalm: 95, 1 – 7 oder Ps 23 (EG 711)

Lesungen
Altes Test.: 2. Mose 32, 7 - 14
Epistel: 1. Timotheus 2, 1 - 6 a
Evangelium: Johannes 16, 23 b - 28 (29 - 32) 33
oder Lk 11,5-13 (paßt besser zur Predigt)

Liedvorschläge
Eingangslied: 100, 1-2+4 Wir wollen alle fröhlich sein
vor der Predigt: 369, 1-3 Wer nur den lieben Gott lässt walten
oder Wochenlied: EG 344 Vater unser im Himmelreich
nach der Predigt: 347, 1-4+6 Ach bleib mit deiner Gnade
Schlusslied: 182, 2-4+8 Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt

Predigttext: 2. Mose 32, 7 – 14


„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.“
Liebe Gemeinde,
Eine alte Redensart verkündet: „Wie du mir, so ich dir.“ Diese Regel ist nicht selten die Richtschnur für unser Handeln. Wo es Ärger gibt, wird sie oft verstärkend angewandt. „Wenn du mich schlägst, dann schlage ich umso härter zurück.“ Manchmal spielen schon Kinder mit dieser Drohung, wenn in einem Streit einer die Faust erhebt und sagt: „Schau her, die riecht nach Friedhof“. Im Machtpoker der Politik ist genau das sehr oft die Maxime: Wenn du nicht nach meiner Pfeife tanzt, also dich nicht an meine Regeln hältst, dann wirst du abgestraft, dann mußt du deutlich spüren, daß ich hier sage, was Recht ist und wo du lang zu gehen hast.
Das Gesetz, das hier angewandt wird, heißt nach Darwin „The survival of the fittest“, = [nur] der Mächtigste setzt sich durch. Dieser Weg ist weithin anerkannt und beliebt.
Wie sinnvoll das ist, mögen sie am Umgang mit einem kleinem Kind ermessen. Es will kein Gemüse essen. Lassen sie es jetzt den ganzen Tag lang hungern oder bieten sie ihm nur noch Gemüse an? Nein, gewiß nicht, sie lassen sich etwas einfallen, sie bemühen ihre Phantasie. Hören wir nun, was unser heutiges Bibelwort schildert als Reaktion auf ein drastisches Fehlverhalten des Volkes Israel.
2 Mo 32,7-14: Moses Fürbitte
7 Der HERR sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. 8 Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben's angebetet und ihm geopfert und gesagt gerufen: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat. 9 Und der HERR sprach zu Mose: Ich sehe, daß es ein halsstarriges Volk ist. 10 Und nun laß mich, daß mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen.
11 Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott, und sprach: Ach HERR, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast?
12 Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, daß er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden? Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn und laß dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst.
13 Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig.
14 Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.
Was ist geschehen? Das Volk Israel konnte aus Ägypten fliehen, aber jetzt lebt es in der Wüste auch mehr schlecht als recht. Sein Führer Mose, der es aus der Knechtschaft geführt hat, ist seit 40 Tagen und 40 Nächten, also eine lange, lange Zeit aus dem Blickfeld Israels verschwunden. Mose ist auf dem Berg Sinai gestiegen und spricht mit Gott, wie es weitergehen soll mit dem Volk Israel. U.a. bekommt er dort die 10 Gebote. Dieses Volk aber ist ungeduldig, es verliert sein Vertrauen zu dem unsichtbaren Gott, alles geht drunter und drüber. Weil Mose, ihr Verbindungsmann, ausbleibt, scheint auch der unsichtbare Gott sie verlassen zu haben.
In dieser Situation sucht das Volk Ersatz, es sucht einen Gott zum Anfassen, einen den man vor sich hertragen kann, eine Statue von Gott, wie sie all seine Nachbarn auch haben. Aaron, den Moses als seinen Vertreter eingesetzt hat, gibt dem Volk nach. Es sammelt sein Schmuckgold ein und gießt sich daraus ein goldenes Kalb.
Natürlich kennen sie das Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott.“ Deshalb sagen sie: „Schau her, Israel, das ist dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführt hat.“ Aber das ist wie politische Rhetorik, nichts als Etikettenschwindel. Wie kann ein toter Gegenstand, ein Götze, auch wenn er aus Gold ist, ein Volk führen? Außerdem, ist das Kalb ein Zeichen für eine Kuh oder einen Stier, also das uralte Symbol der Fruchtbarkeit und der Stärke. Und so wird es auch behandelt vom Volk. Morgens opfern sie ihm Fleisch, später essen sie die Opfergabe auf und dann feiern sie ausschweifende Feste und Orgien.
[Übrigens ist das Kalb bzw. der Stier auch heute, mitten unter uns, ein moderner Gott. Er steht als Bulle vor der Frankfurter Börse zusammen mit einem Bär. Nicht aus Gold, aber dafür groß und protzig, Symbol für die Finanzkraft, die moderne Gottheit vor ihrem Tempel, der Börse.]
Die Reaktion Gottes ist dramatisch, er ist außer sich über das Volk Israel. „Geh“, ruft er Mose zu, „Steig hinab, denn dein Volk hat schändlich gehandelt“. Wir beachten, daß Gott hier ‚dein’ Volk sagt, nicht ‚mein’ Volk. Es kommt noch schlimmer: „Laß mich, daß mein Zorn über sie entbrenne und ich sie vertilge“.
Das sind heftige, flammende, gewaltige Worte, im Zorn gerufen von dem Gott, der die mächtige Armee des Pharaos im Schilfmeer ertränkt hat. Die Situation ist aussichtslos, Gott scheint total abweisend. Er reagiert so, wie es uns Darwin erklärt: Der Mächtigere will seine Regeln, seine Gebote, mit Gewalt durchsetzen.
Doch hier, mitten im Sturm von Gottes Zorn, zeigt Mose seine ganze Größe. Er verdrückt sich nicht kleinlaut, obwohl Gott ihn wegschickt. „Geh, steig hinab“ kling noch in seinen Ohren. Mose stellt sich dem Zorn Gottes entgegen, ohne Gewalt, er widerspricht!
Moses fleht Gott leidenschaftlich an:
 Du hast dieses Volk doch selbst auserwählt und aus der Sklaverei herausgeführt.
 Sollen die Ägypter doch noch triumphieren, weil du dieses Volk vernichtest?
 Du selbst hast Israel eine große Zukunft zugesagt!
Und jetzt geschieht das Wunder, das Wort des Mose hat Erfolg: „Da gereute es den Herrn.“ Derselbe Gott, der noch bei der Sintflut keine Gnade kannte, jetzt gibt er seinen Plan auf, Israel zu vernichten.
Nichts anderes als der Hilfeschrei des Moses, sein flehendes Gebet hat die Wende bewirkt!
Wie ging das, was war sein Geheimnis? Mose hat Gottes Begründung nicht in Zweifel gezogen, er hat sie nicht verdreht wie Aaron, der das Goldene Kalb als Gott Jahwe ausgibt. Mose hat auch nicht um Gnade gewinselt. Er hat Gott nur dessen eigene Worte vorgehalten – Das hat Bestand.
Hier, am Gebet des Mose erkennen wir, was ein Mensch bewirken kann allein mit dem Wort. Mose gebraucht keine Ausflüchte, er sucht keinen Sündenbock, er denkt gar nicht an Drohungen oder gar an Gewalt. Er versucht auch nicht sein eigenes Süppchen zu kochen. um selbst Stammvater zu werden. Er hält Gott nur dessen eigenes Wort entgegen, im Gespräch mit Gott, im Gebet.
Liebe Gemeinde, manchmal geschieht auch bei uns etwas, was wir wirklich nicht wünschen. Wir sind enttäuscht, vielleicht verzweifelt. Da kommt uns schon mal die Frage in den Sinn: Bin ich von Gott verlassen? Hier können wir uns an Mose ein Beispiel nehmen. Obwohl alles aussichtslos, schon verloren scheint, findet er den Mut zum Gebet – und er wird erhört.
Das freilich ist keine Selbstverständlichkeit, kein Automatismus. Mose Worte sind aus der langen Beziehung mit Gott erwachsen. Er hat seit Jahrzehnten das Gespräch mit Gott gepflegt, er war ständig im Gebet. Denn nichts geschieht von jetzt auf gleich. Nur dank seiner gewachsenen Bande ist ihm offenbart, mit welchem Gott er es zu hat, nämlich einem, in dem Barmherzigkeit und Liebe und Treue viel stärker sind als Zorn und Rachsucht.
Und noch etwas: Dieser Gott hört auf Moses, er hört selbst im Zorn auf den Menschen, der mit ihm spricht. [Dieser Moses weiß sehr wohl, daß sein Volk böse, zuchtlos, halsstarrig und ungeduldig ist. Aber er gibt nicht auf. Er schafft es wieder und wieder das Volk auf den rechten Weg zu bringen – wenn auch immer nur für kurze Zeit] Diesen Menschen, den Gott erschaffen hat ihm zum Bilde, den respektiert Gott, ja er liebt ihn so sehr, daß seine Bitte, sein Gebet unmittelbar den Zorn besänftigt und Erbarmen weckt.
Nicht so, daß nun alles vergessen und erledigt wäre mit dem Goldenen Kalb. Denn als Moses wieder bei seinem Volk eintrifft, setzt er sich mit ihm und den Führern streng und energisch auseinander. (wie wir im Rest des Kapitels 2 Mo 32,15-35 lesen können). Aber das Volk ist vor der Vernichtung gerettet.
Sie denken jetzt vielleicht: „Wir sind aber nicht Mose, wir haben nicht dieses Ansehen bei Gott. Wer weiß, ob er uns überhaupt hört.“ Hier widerspreche ich. Natürlich hört Gott jeden, der ihn anspricht im Gebet. Schauen wir genauer hin. Moses begegnet Gott auf dem Berg Sinai. Dieser Berg ist nicht nur eine Erhebung in der Landschaft. Wenn die Bibel so von einem Berg spricht, dann meint sie den Ort der Verehrung, der Anbetung.
Ein solcher Ort ist in jedem von uns erreichbar in unserem Inneren. Dort, in unserem Herzen hat das Licht sein Zuhause. Jeder kann diesen Ort aufsuchen, jederzeit. Wer sich dorthin begibt im tiefen Gebet, gelangt in eine andere Welt, in das Reich Gottes. Man könnte sagen, dort atmet der Betende Licht statt der Luft des Alltags. Dort herrschen Liebe und Treue und Gnade. Wer dieses Licht atmet, hat sich befreit von Zorn und Rachsucht und Machtgier. Wort und Wahrheit schaffen dem „Liebe deinen Nächsten“ und dem Glauben an das Gute im Menschen Geltung. Wer von diesem Ort zurückkehrt hat neue Kraft und frischen Lebensmut gewonnen.
Mose beweist mit seiner Widerrede gegen Gott großen Mut. Denn als der Feuersturm des Zornes Gottes auf Mose zurollt, versucht er nicht, seine Haut zu retten. Er stellt sich im Gebet und verhandelt mit Gott. Das ist der eine Erfolgsfaktor. Der zweite sind seine Argumente. Er hält Gott dessen eigene Ziele entgegen. Es geht bei Mose nicht darum, egoistische Forderungen, also Eigeninteressen durchzusetzen und gleich Sanktionen anzukündigen, falls die nicht erfüllt werden. Es geht darum zu hören, was der andere wirklich will, was er braucht jenseits von plakativen Floskeln. Solches Hören gelingt nur dem, der Liebe im Herzen trägt. Das macht dann Barmherzigkeit möglich, das rettet Leben, das sät Dankbarkeit und Hoffnung und läßt neues Leben keimen. Bitte beachten Sie: Druck, Drohungen oder gar Gewalt sind nicht nötig. Allein das Gebet führt selbst bei dem schweren Fehlverhalten Israels zum Erfolg.
Heute gilt als normal, daß jeder seine ‚Interessen’ vertritt, und zwar meist mit aller Konsequenz, mit aller Macht. Damit wird der Regelkreis der Gewalt immer fortgesetzt, denn jede Machtausübung, jede Gewalt, gebiert neue Gewalt, da wächst der Haß und die Wahrheit stirbt, der Tod preßt dem Leben den Atem ab, er begräbt das Leben unter seinem Leichentuch.
Aber wir leben in der Zeit nach Christus, nach der Bergpredigt, da geht es um Leben, da ist die kreative Phantasie der Liebe gefordert. Aus dieser Quelle kann dann ohne Gewalt wirksam gehandelt werden kann, wie uns das Beispiel von Mose lehrt. [Kreative Phantasie der Liebe, das ist einfach eine Form, in der der Heilige Geist in unser Denken und Fühlen hineinwirkt. Es ist keineswegs ein Wunschbild.)
Einen Ausdruck dieses neuen Denkens, dieses christlichen Denkens kennen wir schon lange in unserem Strafrecht. Bei uns in Europa dienen Strafen nicht in erster Linie der Rache, sondern der Resozialisierung. So wie wir unsere Kinder mit Liebe in die Selbständigkeit führen, so wollen wir als Gesellschaft die gefallenen Geschwister wieder aufrichten, damit sie in der Freiheit wieder den rechten Weg finden. [Die Strafe erleben sie in den Rufen ihres eigenen Gewissens.]
Freilich ist das ein schwerer Weg. Wie Kinder immer wieder ermahnt werden müssen, brauchen aus der Haft Entlassene oft die Hilfe von Wegbegleitern. Das ist nicht einfach getan. Ob in Familie oder Gesellschaft, immer muß der eine auf den anderen hören, es braucht Beziehung, es braucht Einfühlen und Vertrauen, es braucht Worte. Wir kommen ohne neue Ideen, ohne die kreative Phantasie der Liebe nicht aus. Dann dürfen wir hoffen, nach dem Willen Gottes zu handeln. Er wird nicht einfach unsere Wünsche erfüllt, aber er wird uns auf den für uns besten Weg führen.
Diese kreative Phantasie der Liebe finden wir im Gebet, also im Gespräch mit Gott, mit dem wir unsere Beziehung zu ihm pflegen. Wo diese Beziehung lebt, wo nicht das eigene Wohl, sondern das unseres Nächsten im Mittelpunkt steht, da hört Gott zu. Dann bleibt seine Antwort nicht aus, dann beflügelt Christus unsere kreative Phantasie der Liebe, wir können aus seiner Liebe schöpfen und gegen die Spirale der Gewalt Leben rettend gestalten in unserer Welt.
Dann können wir erleben (hören und fühlen), was Jesus uns zusagt (und was wir auch in der Lesung gehört haben): „Wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet und wer da, anklopft , dem wird aufgetan.“ (Mt 7,7 und Lk 11,9)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus (Phil 4,7). Amen