Wochenspruch: "Gelobt sei der Herr, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet." (Psalm 66,20)
Psalm: 95,1-7a
Reihe I: Johannes 16,23b-28(29-32)33
Reihe II: Matthäus 6,5-15
Reihe III: Sirach 35,16-22a oder Daniel 9,4-5.16-19
Reihe IV: Lukas 11,(1-4)5-13
Reihe V: 1. Timotheus 2,1-6a
Reihe VI: 2. Mose 32,7-14
Eingangslied: EG 447 Lobet den Herren
Wochenlied: EG+ 54 Unser Vater
Predigtlied: EG 182 Halleluja, Halleluja
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns
1 So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. 3 Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. 5 Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, 6 der sich selbst gegeben hat als Lösegeld für alle.
Liebe Gemeinde!
Eigentlich kann es jeder. Man muss es nicht lernen. Beten kann so einfach sein: Anrede, Bitte, Dank, Amen – mehr braucht es nicht. Selbst wenn diese Minimalform nicht gewahrt wird, bleibt es gültig. Gott ist großzügig. Er hört auch die Stoßseufzer. Der Apostel Paulus spricht sogar davon, dass es ein Beten ohne Worte gibt, weil Gott unsere Herzen kennt.
Beim Beten kann man also nichts falsch machen. Aber man kann dazulernen.
Aus diesem Grund schreibt der Apostel Paulus im 1. Timotheusbrief an seinen Mitarbeiter folgendes:
lesen: 1. Tim 2,1-6
Zu seiner Zeit hat Martin Luther ein kleines Buch veröffentlicht, gerade mal 25 Seiten dick. Es heißt „Wie man beten soll. Für Meister Peter, den Barbier“.
So ganz genau weiß man nicht, wie dieses kleine Buch entstanden ist. Ob Meister Peter Luther darum gebeten hat, ihm einmal aufzuschreiben, wie das mit dem Gebet funktioniert, oder ob das Buch aus einem seelsorgerlichen Gespräch entstanden ist.
Meister Peter war Barbier, damals so eine Kombination von Friseur und Wundarzt, eine Kombi, die heute kaum noch vorstellbar ist. Viel wissen wir nicht über ihn. Er stammte aus Beskendorf, und er hat, wohl eher aus Versehen, seinen Schwiegersohn erstochen. Als Soldat hatte der Schwiegersohn sich mit dem Ruf der Unverwundbarkeit gegenüber seinem Schwiegervater gebrüstet, und der Schwiegervater, wohl etwas angetrunken, wollte ausprobieren, ob das zutraf. Was gründlich schief ging.
Kurz vor dieser fatalen Begebenheit hatte Martin Luther Kontakt mit ihm und hat ihm dieses kleine Buch gewidmet. Trotz der schweren Verfehlung des Barbiers hat Martin Luther die Schrift weiterhin mit der Anrede „Lieber Meister Peter“ drucken lassen. Was deutlich macht, dass die Schrift für jeden gedacht ist, egal, was für eine Vergangenheit sie haben.
Was also kann man beim Beten dazu lernen? Wenn ich jetzt einige Dinge aufzähle, bedeutet das nicht, dass man gleich alle verwirklichen muss. Es genügt, irgendwo mal anzufangen, um später weiterzukommen.
1. Gib dem Gebet eine feste Zeit
Meister Peter muss ein vielbeschäftigter Mann gewesen sein. Denn gleich am Anfang geht Luther auf die Frage ein, wie man bei einem vollen Terminkalender noch Zeit zum Beten finden soll. Das ist kein neues Problem. Wie soll ich das auch noch unterkriegen in meinem Terminkalender? Das ist damals wie heute eine Frage, die gestellt wird.
Paulus schreibt dazu nur eine Nebenbemerkung. „Vor allen Dingen“ solle man beten; das Gebet soll irgendwie Priorität bekommen, aber Paulus überlässt es Timotheus, wie er das lösen wird. Luther ist da mehr praxisorientiert, weil er das Problem wohl auch aus eigener Erfahrung kennt. Er schreibt: „Darum ist’s gut, dass man frühmorgens lasse das Gebet das erste und abends das letzte Werk sein.“ Und fügt hinzu, man solle sich sehr vor dem Gedanken hüten, man könne das Gebet aufschieben und vorher noch das eine oder andere erledigen. (S. 39)
Das klingt natürlich anspruchsvoll. Aber aus dem Konzept der Achtsamkeitsübungen lernen wir, wie wichtig es ist, gerade die Übergänge bewusst zu gestalten; den Übergang vom Schlaf zum Tag, von der Arbeit zur Freizeit und dafür ein kleines Ritual zu entwickeln, und sei es auch nur ein kleiner Satz wie: „Gott, segne diesen Tag!“
2. Dazu gehört Aufmerksamkeit
Für die Haltung, aus der man so einen kleinen Satz wie „Gott, segne diesen Tag!“ sagen soll, gebraucht Martin Luther ein Bild aus dem Beruf seines Adressaten: „Wie ein guter fleißiger Barbier seine Gedanken, Sinne und Augen gar genau auf das Schermesser und auf die Haare richten muss und nicht vergessen darf, wo er im Strich oder Schnitt ist. Wenn er aber zugleich viel plaudern oder anderswohin denken oder gucken will, wollte er einem wohl Maul oder Nase abschneiden, dazu die Kehle. So will also gar jedes Ding, wenn es gut gemacht werden soll, den Menschen ganz haben mit allen Sinnen…“ (S. 13) Gebete, auch die kleinen, gelingen dann, wenn der Beter mit Herz und Verstand bei der Sache ist.
3. Es darf alles zur Sprache kommen, was uns bewegt
Viele Menschen meinen, im Gebet dürften nur wohlgesetzte Worte gesagt werden. Die Psalmen der Bibel belehren uns eines Besseren. Sie bilden eine wunderbare Anleitung für ehrliches Beten. Da wird geklagt, geflucht, geschrieen, gelobt, gedankt und sich gefreut. Die Psalmen zeigen, wie es dem Beter ums Herz ist, und das sagt er Gott.
Paulus bringt in diese Spontaneität ein wenig Ordnung und nennt Wünsche, Fürbitte und Dank. Martin Luther ergänzt noch einen vierten Punkt: nämlich die Bitte um Vergebung.
Diese Struktur hilft uns, ein wenig zu unterscheiden, was wir eigentlich Gott sagen wollen.
Da sind einmal die persönlichen Wünsche mit allem, was uns so einfällt und gerade am Herzen liegt.
Hinzu kommen die Fürbitten; da geht es um das, was andere Menschen brauchen. Deswegen ja auch die Bezeichnung Für-Bitten – für andere bitten.
An dritter Stelle steht der Dank für all das Schöne, das wir ja auch erleben und nicht vergessen sollten, all das, was uns geschenkt wird.
Und schließlich, weil wir ja Gottes Anspruch, dem Anspruch anderer Menschen und auch unserem eigenen oft nicht genügen, die Bitte um Vergebung. Wenn man die Ereignisse eines Tages noch einmal reflektieren, einordnen und mit Gott besprechen will, ist solch eine Gebets-Struktur ganz hilfreich.
4. Im Gebet nehmen wir teil am Wirken Gottes
Noch einmal Martin Luther:„So wie wir Handlager Gottes werden, der uns ernähren will, wenn wir auf dem Felde arbeiten, säen und ernten, so wirken wir an seiner Weltregierung mit, wenn wir beten. Unser Gebet ist das Werkzeug, das Gott zur Ausführung seiner Pläne braucht, so wie er Vater und Mutter mithelfen lässt, wenn er neues Leben schafft.“ (S. 21) Im Gebet nehmen wir die Welt in den Blick, wie Gott sie sich gedacht hat: Eine Welt im Frieden, in der jede und jeder seinen Platz und sein Auskommen findet, in der man achtsam mit der Schöpfung umgeht.
Für Paulus war noch ganz klar, wie sehr das Wohlergehen des einzelnen von den Entscheidungen der Regierenden abhängig ist. Putins Einmarsch in der Ukraine hat uns unsanft daran erinnert, dass sich daran nichts geändert hat. Die Entscheidung eines Regierungschefs hat uns den Krieg wieder fürchten gelehrt, und die Auswirkungen auf unseren Wohlstand sind noch nicht abzusehen.
Daher ist es wichtig, dass wir die Regierenden in unsere Fürbitte einschließen, denn sie setzen die Rahmenbedingungen für unser Leben.
Ein 5. und letzter Punkt: Das Gebet ist ein Gespräch mit Gott
Die gängige Vorstellung von Gebet lautet: Wir sagen etwas, und Gott hört zu. Das ist aber nur eine Seite. Gebet ist kein Monolog, sondern ein Dialog. Wir reden, wir sagen Gott, was wir uns wünschen. Gott redet aber auch. Nur anders.
Es wäre schön, wenn Gott uns nach jedem unserer Gebete eine kurze Rückmeldung geben würde. Liebe Gudrun, ich seh das genauso, dein Gebet wird erhört. Lieber Marc, hast du bei deinem Gebet auch folgendes bedacht?
Schön wär’s. Wir wüssten sofort woran wir sind.
Aber Gott macht das anders. Er hat schon mal Ziele formuliert, in welche Richtung unser Beten gehen soll. Z.B. in unserem Predigttext: „Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“
Dass es den Menschen, für die wir beten, guttut und sie die Hilfe bekommen, die sie brauchen, ist eine Richtung, in die wir beten sollen. Ein anderes Kriterium ist Wahrheit. Wie oft machen wir uns etwas vor. Hauptsache, das Gas ist billig, auch wenn wir es von einem Diktator beziehen.
Martin Luther schlägt dem Meister Peter vor, sein Gebet an drei Dingen zu orientieren: Dem Vater unser, den 10 Geboten und dem Glaubensbekenntnis. Nicht so, dass man jeden Tag alle 10 Gebote oder das ganze Glaubensbekenntnis aufsagen sollte. Aber man kann einen Satz herausgreifen, aus dem Vater unser z.B den Satz „dein Wille geschehe“. Es ist nicht Gottes Wille, dass Menschen die Erde ausbeuten und zerstören. Es ist nicht Gottes Wille, dass Menschen unter Krieg leiten. Es ist nicht Gottes Wille, dass Menschen andere Menschen einfach benutzen. Wenn man so diesen Satz aus dem Vater unser bedenkt, bekommt man sehr schnell Ideen, wofür man beten könnte. Viele Menschen lesen die Losungen mit einem Bibelvers für jeden Tag; das kannte Martin Luther noch nicht. Auch die Losungen sind eine gute Anregung, das eigene Gebet weiter zu entwickeln.
Das ist mit dialogischem Beten gemeint, mit einem Beten, das redet und hört.
Liebe Gemeinde,
Sie merken schon, wie unser Gebet sich von diesem kleinen Satz am Anfang des Tages „Gott, segne diesen Tag“ weiterentwickelt hat und sicher auch anspruchsvoller geworden ist. Ich stehe zu meinem Anfangssatz: Beim Beten kann man nichts falsch machen, aber man kann dazulernen. Und es tut gut. Die Gegenwart Gottes zu spüren macht uns zuversichtlicher und gibt uns ein Gefühl von Geborgenheit.
Ich schließe mit einer kleinen Beobachtung, von der ich leider nicht mehr weiß, woher ich sie habe:
Ein Mensch hat einmal gesagt: Wenn ich einen Tag lang nicht bete, merkt es Gott. Wenn ich eine Woche lang nicht bete, merke ich es selbst. Wenn ich einen Monat nicht bete, merkt es meine Umgebung. Also: Lasst uns beten!
Amen.
Hinweis: Die Seitenangaben beziehen sich auf folgendes Buch: U. Köpf / P. Zimmerling: Martin Luther. Wie man beten soll. Für Meister Peter, den Barbier
Verfasser: Pfarrer em. Martin Henninger, Philipp-Rauch-Str. 9, 67227 Frankenthal
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