Beten im Namen Jesu
von Christian Kurzke (Kraftsdorf)
Predigtdatum
:
01.05.2016
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Kantate
Textstelle
:
1. Timotheus 2,1-6a
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Wochenspruch:
"Gelobt sei der Herr, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet." (Psalm 66, 20)
Psalm: 95, 1 - 7
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 32, 7 - 14
Epistel: 1. Timotheus 2, 1 - 6 a
Evangelium: Johannes 16, 23 b - 28 (29 - 32) 33
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 334 Danke für diesen guten Morgen
Wochenlied: EG 133 Zieh ein zu deinen Toren
Predigtlied: EG 58, 1 + 8 - 14 Nun lasst uns gehn und treten
Schlusslied: EG 333 Danket dem Herrn
Predigttext 1. Timotheus 2, 1 - 6 a
1 So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen,
2 für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.
3 Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland,
4 welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
5 Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus,
6der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung,
Predigt
Liebe Gemeinde,
Rogate! Betet! Das ist die eindringliche Mahnung des heutigen Sonntags. Betet! D. h: Vertraut eure Sorgen und Ängste Gott an. Denkt dabei nicht nur an euch selbst, sondern betet auch für andere. Betet nicht nur, wenn es euch schlecht und dreckig geht. Der alte Satz Not lehrt beten, mag zwar stimmen, aber wartet mit eurem Gebet nicht bis euch selbst erst eine Notsituation ereilt. Seid eben im Gebet auch dankbar, lasst euer Gebet zu einer Lebenshaltung werden, zu einem festen Punkt in eurem Alltag. Und bleibt beisammen als Gebetsgemeinschaft Christi, auch, wenn man versucht, euch auseinander zu sprengen, ihr das Gefühl habt, dass ihr immer weniger werdet.
Im Herbst 1989 da hat die Kraft des Gebetes ein ganzes Staatssystem aus den Angeln gehoben., Worte, die mit Salz gewürzt waren und die ihren Ausgang in den Kirchen unseres Landes nahmen, haben die Welt verändert. Die Montagsgebete haben uns mit den Menschen, mit Christen und Nichtchristen in diesem Land verbunden. Der Ruf nach politischer Veränderung war unaufhaltsam. Nach 1989 ist es ruhiger geworden in unseren Kirchen, in unserem Land. Nun wird wieder viel eher hinter verschlossenen Kirchentüren oder im stillen Kämmerlein gebetet.
Hat das Beten nicht viel an seiner Kraft verloren? Lassen wir es heute lieber bleiben, weil es eh nichts bringt, nichts zu verändern ist? Haben wir eigentlich noch die Zeit, unseren Lebensrhythmus durch einen Gebetsrhythmus stärken zu lassen?
Für muslimische Mitmenschen auf der ganzen Welt ist das fünfmalige Gebet im Tageslauf Pflicht. Sala’at heißt diese Säule des muslimischen Glaubens. Dabei ist alles genau festgelegt: die Zeiten, wann zu beten ist, die Worte, die ge-betet werden und welche Gesten und Haltungen dabei eine Rolle spielen. Und irgendwie fragt uns diese streng geregelte Gebetspraxis in unserer eigenen Gebetspraxis an. Sind Menschen, die mehr beten, frömmer als andere?
„So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen“ fordert der Verfasser des 1. Timotheusbriefes, der heutigen Epistel gleich zu Beginn. „Alles Werk der Gläubigen ist Gebet“, zitiert Martin Luther den Kirchenvater Hieronymus. Kann also alles, was ich tue, zum Gebet werden? Ist nicht das ganze Leben des Christen ein einziges Gebet? Manchmal scharf gewürzt, manchmal aber auch ziemlich versalzen.
Ein Freund hatte Luther gebeten, ihm über das Beten Auskunft zu geben. Er war Barbier gewesen, kam in seinem Beruf mit vielen Leuten über alle möglichen Dinge ins Gespräch und hatte selbst über das ein oder andere nachgedacht. Die Frage, was es denn mit dem Gebet auf sich hat, hat ihn wohl immer wieder beschäftigt und er hatte seinen Freund Martin oft genug beim Beten gesehen. Bei wem könnte er sich also bessere Auskunft erhoffen als bei ihm? Und Luther setzte sich hin und schreibt ihm. Die kleine Abhandlung über: „Eine einfältige Weise zu beten“ entsteht.
Und da wartet er gleich zu Anfang mit einer sowohl für den Freund als auch für uns überraschenden Auskunft auf: Luther, so bekennt er hier, fühle sich nicht immer zum Beten geneigt, sondern im Gegenteil, viel häufiger zerstreut und lustlos. Diese Offenheit und Ehrlichkeit verblüfft. Wir hatten uns unseren Reformator anders gedacht, diesen Mann des Wortes und des Glaubens!
Luther zitiert Hieronymus, und er weiß auch, was die Leute auf der Strasse sagen und denken. Denn hier heißt es: „Wer arbeitet, der betet doppelt!“ Anders hieß es da in den Klöstern: Ora et labora. Bete und arbeite. Diese alte Mönchsregel des Benedict von Nursia, sie gilt dort bis heute, wird streng beachtet mit ihren festen Gebetszeiten im Tageslauf. Und auch Luther hat in seiner Zeit im Augustinerkloster in Erfurt, einen großen Schatz aus dem täglichen Gebet und aus den wiederkehrenden Gebetszeiten geschöpft. Binnen zwei Wochen haben dort die Augustinereremiten den ganzen Psalter, also alle 150 Psalmen einmal gebetet und bald konnte der junge Luther alle Psalmen auswendig.
Auch wenn das heute Kritiker mit einem sturen Mechanismus erklären würden, so hat diese Art des sich wiederholenden Gebets für Luther eine große Bedeutung gehabt. Er weiß von sich selbst zu berichten, dass er sonst in seiner Arbeit kalt und unlustig sei. Es mag sein, dass wir anders zu Werke gehen, dass wir anders denken und handeln, wenn wir zuvor innehalten und unsere Gedanken in die Tiefe gehen, wenn wir uns dessen vergewissern, in wessen Auftrag wir handeln und wer uns beistehen, uns Kraft geben kann und wird.
Die Arbeit, unser Alltag, braucht das Gebet, das Sich-Gott-Anvertrauen. Und das Gebet kann nicht bei sich bleiben, es führt ganz automatisch zur Arbeit, zum Alltag, zu unseren Mitmenschen hin. Im Gebet richten wir unsere Augen auf Gott und er erweitert unseren Blick. Dann können wir spüren: Je näher wir im Gebet Gott sind, desto näher sind wir auch bei den Menschen.
Das Erfrischende an der kleinen Schrift Luthers über das Beten ist ihre Ehrlichkeit und der praktische Nutzwert. Luther sagt: „Wenn ich fühle, dass ich durch fremde Geschäfte kalt und unlustig zu beten geworden bin, so nehme ich mein Psälterlein, laufe in die Kammer, oder wenn es der Tag und die Zeit ist, in die Kirche zur Gemeinde und fange an, die zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und, je nachdem ich Zeit habe, etliche Sprüche des Paulus oder der Psalmen mündlich für mich selbst zu sprechen, ganz wie es die Kinder tun.“
Nein, es müssen nicht wohl formulierte und gesetzte, theologisch durchdachte und geschliffene Worte sein. Nein, es müssen nicht einmal eigene Worte sein – es reicht das Vaterunser. Es reicht, wenn wir es für uns sagen, wenn wir seinen Worten nachsinnen, sie meditieren, wie es alten Klostertraditionen entspricht. Wir sollten es nur tun.
Luther gibt in seiner kleinen Schrift für seinen Barbier auch weiter, wie er selbst beim Nachsinnen und Meditieren vorgeht. Er nennt seine Methode das „vierfach gedrehte Kränz-lein“. Erstens fragt er sich im Betrachten eines Bibelwortes: Was ist mir damit gesagt? Es geht um den Inhalt. Zweitens fragt er sich: Wofür kann ich Gott danken, wenn ich dieses Bibelwort bedenke? Es geht um die Beziehung zu Gott. Drittens überlegt er, was er Gott bekennen muss über sich. – Es geht um die Selbsterkenntnis. Und viertens schließlich sagt er Gott, worum er ihn bittet und wofür er Gottes Hilfe braucht. Er wendet sich auch mit dem, was er braucht und wonach er sich sehnt, an Gott. Das „vierfach gedrehte Kränzlein“: Eine Lehre, ein Dank, ein Bekenntnis, eine Bitte. Frühmorgens und abends sollen wir beten, so empfiehlt es Luther, denn wofür man immer Zeit hat, dafür hat man nie Zeit. Er selbst beginnt den Tag mit einem Gebet und beschließt ihn so auch. Und er mahnt, dass man „sich mit Fleiß vor diesen falschen, betrügerischen Gedanken hüte, die da sagen: Warte ein wenig, in einer Stunde will ich beten, ich muß dies oder das zuvor fertig machen. Denn mit solchen Gedanken kommt man vom Gebet in die Geschäfte, die halten und umfangen einen dann, dass aus dem Gebet den Tag über nichts wird.“ Also am besten so regelmäßig und selbstverständlich wie das Duschen und das Zähneputzen sollte uns das Beten sein.
„Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung!“ – Wann ist eigentlich genug gebetet? Sicher: Wir dürfen nicht aufhören zu beten, um Gottes Willen nicht, um unseretwillen nicht, um der Menschen willen nicht. Aber es kommt nicht auf die Menge der Worte oder die Zahl der Stunden an, wir im Gebet verbringen.
Noch einmal Martin Luther. Er rät, wie wir hörten, anhand der Katechismusstücke oder am Glaubensbekenntnis oder am Vaterunser entlang zu beten. Und dann schreibt er: „Hieraus sollte ja ein Herz zu sich selbst kommen und zum Gebet erwärmt werden. Aber sieh zu, dass du dir nicht alles (auf einmal) oder zu viel vornehmest, damit der Geist nicht müde werde. Ebenso soll ein gutes Gebet nicht lang sein, auch nicht lange aufgeschoben werden, sondern oft und brennend sein. Es ist genug, wenn du ein Stück oder ein halbes davon kriegen kannst, an dem du in deinem Herzen ein Feuerlein anzünden kannst. Nun, das wird und muss der Geist geben und im Herzen weiter lehren, wenn es so mit Gottes Wort in Einklang gebracht und von fremden Geschäften und Gedanken frei gemacht ist.“
Haben Sie es verstanden? „Im Herzen ein Feuerlein anzünden“ – darauf kommt es ihm an.
Und dafür gibt es im Alltag viele Gelegenheiten. Wenn die Ampel auf Rot geht, bevor ich drüber komme, kann ich innehalten und ein Psalmwort beten: „Der Herr ist mein Hirte“. Wenn ich den Computer hochfahre, bete ich am besten: „Führe uns nicht in Versuchung!“ Wenn die Mahlzeit fertig auf dem Tisch steht: „Danke für alles, was an Sonne und Erde, an Wasser und Lebenskraft, an Arbeit und Raffinesse des Kochs in dieser Mahlzeit enthalten ist.“ Wenn ich am Fenster sitze und die Sonne den Horizont berührt: „Danke für diesen wunderbaren Tag.“
Gehen Sie einmal mit dieser Aufmerksamkeit durch Ihren Alltag. Ihnen fallen bestimmt selbst unzählige Anlässe ein zum Beten und Danke sagen.
Amen
Fürbittengebet
Wir kommen heute zu dir mit dem, was uns Freude macht, mit dem, was uns ärgert; mit dem, was uns zu dir führt, und mit dem, was uns ablenkt und bitten dich:
Lass uns beten – nicht, als ob es in den Wind geredet sei.
Lass uns hören – nicht, als ob wir schon alles wüssten.
Lass uns singen und loben – nicht so, als ob es eine Zumutung wäre.
Lass uns aus dem Gottesdienst herausgehen – nicht so, als ob wir gar nicht hier gewesen wären. Hilf uns, dass wir empfänglich sind für das, was du geben und sagen willst.
Gott, wir bitten dich für unsere Mitmenschen:
Für die Einsilbigen, die kaum ein Wort sagen, bitten wir: Lass sie die Sprache wiederfinden!
Für die Ausgebrannten, denen alles zu viel geworden ist, bitten wir: Gib ihnen Mut zur Veränderung!
Für die materialistisch Denkenden, für die sich alles auszahlen muss, bitten wir: Lass sie erkennen, dass Glaube, Liebe, Hoffnung unbezahlbar sind!
Für die Ich-Sagenden, die sich selbst am nächsten sind, bitten wir: Schenke ihnen Aufmerksamkeit für andere!
Für die Kranken, die ohne Rat und Hilfe sind, bitten wir: Zeige ihnen einen Weg, mit der Krankheit zu leben!
Für die Menschen, die nichts Gutes mehr erwarten, bitten wir: Öffnen ihnen die Augen für die Schönheit und die Farben des Lebens!
Für die Sprachlosen, denen das Gebet nichts bedeutet, bitten wir: Hilf ihnen beten!
Für die Angehörigen von Verstorbenen bitten wir: Komme ihnen nahe mit Deinem Trost!
Mit Jesus beten wir: Vater unser …
Verfasser: Pfarrer Christian Kurzke
Rüdersdorf Nr. 30, 07586 Kraftsdorf
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