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Beten im Namen Jesu

von Helga Trösken (63225 Langen)

Predigtdatum : 05.05.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Kantate
Textstelle : Lukas 18,1-8
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Leitbild:
Beten im Namen Jesu

Wochenspruch:
"Gelobt sei der Herr, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet." (Psalm 66, 20)

Psalm: 95, 1 - 7

Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 32, 7 - 14

Epistel: 1. Timotheus 2, 1 - 6 a

Evangelium: Johannes 16, 23 b - 28 (29 - 32) 33

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 449, 1 + 4 + 8 Die güldne Sonne
Wochenlied: EG 366, 1 – 4 Wenn wir in höchsten Nöten sein
Predigtlied: EG 365, 1 – 4 Von Gott will ich nicht lassen
Schlusslied: EG 562 Segne und behüte uns


Liebe Gemeinde,
der heutige Sonntag trägt den lateinischen Namen „Rogate“, das heißt: Betet.

Einmal im Kirchenjahr soll Beten das Thema des Gottesdienstes sein.

Wahrscheinlich wurde das festgelegt, als Beten nicht mehr so gepflegt wurde. Heute scheint es mir fast schon zu viel thematisiert. Die Literatur ist unübersehbar, Ratgeber fürs Beten in gedruckter Form, millionenfach auch im Internet abrufbar. Pilgern, „Beten mit den Füßen“, ist angesagt auf immer neuen Pilgerwegen. In offenen Kirchen liegen Bücher aus, in die Menschen ihre Gebete einschreiben können. Es gibt Autobahnkirchen und –kapellen, die zur Unterbrechung, zur Stille mit Gebet einladen.

Beten, so liest man dort, sei ganz einfach: Eine Kerze anzünden, die Hände falten, Stille suchen, und schon kommen die Worte von alleine.

Rogate, Betet! Bei Jesus hört und liest sich das anders:

Er erzählte ihnen ein Gleichnis dafür, wie notwendig es ist, allezeit zu beten und nicht müde zu werden. Er sagte: „In einer Stadt lebte ein Richter, der weder Gott fürchtete noch einen Menschen achtete. Auch eine Witwe lebte in jener Stadt; die kam immer wieder zu ihm und sagte: >Verschaffe mir Recht gegenüber meinem Gegner<!
Eine Zeitlang wollte der Richter nicht. Dann aber sagte er sich: ‚Wenn ich auch Gott nicht fürchte und keinen Menschen achte, werde ich doch dieser Witwe Recht verschaffen, weil sie mich belästigt; sonst kommt sie noch am Ende und schlägt mich ins Gesicht.‘
Da sagte Jesus: ‚Hört, was der ungerechte Richter sagt. Aber Gott sollte den Auserwählten, die Tag und Nacht zu Gott schreien, kein Recht schaffen und für sie keinen langen Atem haben? Ich sage euch: Gott wird ihnen Recht schaffen in kurzer Zeit! Wird der Mensch nun bei seinem Kommen Glaubenstreue finden auf der Erde?‘“
Luk. 18, 1-8 nach: Bibel in gerechter Sprache
Eine merkwürdige Geschichte, ein Gleichnis, ein Vergleich, der uns jedenfalls nicht in Verbindung mit Beten eingefallen wäre: Ein brutaler Richter und eine fordernde, nervende Witwe, die den Richter zur Weißglut bringt, bis er nachgibt. Und so soll sich Gott verhalten, wenn wir beten!?

In der Lutherbibel ist die Geschichte überschrieben: „Die bittende Witwe“. So gelang eine elegante Verbindung zum Beten und zugleich eine empörende Verletzung der Frau, die nicht bittet, sondern ihr Recht fordert!

Sie fordert ihr Recht ein, weil sie Recht hat. Vermutlich hatte sie – was damals schon möglich war – nach römischem Recht einen Ehevertrag mit ihrem Mann geschlossen. Laut diesem Vertrag wurde sie nach dem Tod ihres Mannes Alleinerbin. Und vermutlich wollten das die Verwandten ihres Mannes nicht akzeptieren. Also will sie bei Gericht ihr Recht einfordern. Sie tut es beharrlich und mutig mit dem einfachen Satz, der knapp den Sachverhalt beschreibt: „Verschaffe mir Recht gegenüber meinem Gegner!“

Es fällt uns nicht schwer, uns in die Situation dieser Witwe zu versetzen. Bestimmte Muster des Verhaltens sind über die Zeiten gleich geblieben. Wer arm ist, an den Rand gedrängt oder unschuldig in Abhängigkeit geraten ist, der oder die macht zu allen Zeiten dieselbe Erfahrung. Er oder sie muss kämpfen um das bisschen Gerechtigkeit, das besser Gestellten gleichsam in den Schoss fällt. Ob es die Berechnung der Witwenrente ist oder die Einstufung in die Pflegegelderstattung, die Anrechnung von Zuverdienst oder die Berücksichtigung dementer Angehöriger – zwar leben wir in einem Rechtsstaat, der die Gleichheit vor dem Gesetz feststellt und ein spezielles Armenrecht gewährt. Im Ernstfall hängt alles davon ab, ob ein Richter oder eine Richterin sich des Falles annimmt. Oder ob es ein anonymer Fall bleibt, ein Aktenzeichen, ein Routinefall. Oder schlimmer noch, ob es heißt: „Na, dann wollen wir mal Gnade vor Recht ergehen lassen…“

Der Richter im Gleichnis wird als hart beschrieben, der „weder Gott fürchtete noch Menschen achtete“.
Es liegt nahe zu vermuten, dass er auch bestechlich war. Vielleicht hat er aber nur sich und seinesgleichen als Maß für sein Verhalten genommen. Als Richter hatte er Macht, mehr Macht als andere Menschen, und die spielt er aus. Er untersteht der Stadt. Da wird er einflussreiche Gönner gehabt haben. Mit der Religion, der Synagoge hatte er nichts zu tun. Deren Werte musste er nicht beachten.
Die Witwe geht ihm auf die Nerven. Täglich steht sie auf der Matte. Täglich erinnert sie an ihr Recht. Täglich wird sie wütender und lauter in aller Öffentlichkeit. Das muss dem Richter zusetzen – und er hat Angst: „Sonst kommt sie noch am Ende und schlägt mich ins Gesicht“.

Das griechische Wort, das hier steht, stammt aus der Sprache des Boxkampfs und heißt:

Jemanden so ins Gesicht, unter das Auge schlagen, dass er blaue Flecken bekommt. Übertragen: Jemanden völlig fertig machen, das Ansehen schädigen.

Gibt der Richter schließlich nach, weil er um sein Ansehen, sein Image fürchtet? Das Gericht tagt öffentlich. Es wäre überaus peinlich, wenn die Frau so drastisch vorgehen würde.

Ich erinnere mich an eine Ohrfeige, die vor Jahren bei uns für Aufsehen sorgte: Beate Klarsfeld ohrfeigte den damaligen Bundeskanzler Kiesinger. Sie protestierte damit gegen das öffentliche Schweigen in der Bundesrepublik über die Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus und dass viele frühere Nazis wichtige Ämter innehatten.

Ohrfeigen als Mittel symbolischen Protests.

Oder macht der Richter die Frau erst nochmal so richtig fertig, um zu zeigen wo die Macht liegt, bei ihm nämlich und nicht bei der keifenden Frau, deren Forderungen nur lächerlich sind?

Oder wird er überzeugt, innerlich, dass er merkt, die Frau hat Recht und muss Recht bekommen. Seine Macht wankt gefährlich: „Ich will ihr Recht verschaffen“, sagt er schließlich.

So weit, so gut, aber jetzt wird’s schwierig. Jesus deutet das Gleichnis so: Wenn schon dieser harte Richter zuletzt nachgegeben hat, wird erst Recht Gott den Seinen zu ihrem Recht verhelfen, wenn sie ihn nur genug bedrängen.
Jesus sagt nicht, Gott ist wie der ungerechte Richter. Er setzt offenbar voraus, dass Gott sich anders verhält. Dennoch ist das kein besonders schöner Vergleich. Gott, so heißt das, reagiert lange Zeit nicht auf das Beten und Bitten der Menschen, gibt zum Schluss aber nach. Warum eigentlich?

Martin Luther sagt dazu einmal: „Du musst Gott im Gebet die Ohren reiben, bis sie heiß werden!“
Gebet also ist Dranbleiben, ist Hoffnung und Erwartung, dass Gott handeln wird.
Margot Käßmann nennt Gebet eine „Standleitung zu Gott“.
Nur diese Standleitung ist manchmal tot, zumindest haben Menschen das Gefühl, niemand hört, niemand antwortet.

Jesus sagt mit dem Gleichnis: Es wird niemals umsonst gebetet. Es gibt zwar keine Garantie, dass Gott uns hört, aber jedes Gebet hat Wirkungen nach innen und nach außen. Wenn ich bete, aktiviere ich auch mich selbst, etwas zu tun für die Menschen oder die Verhältnisse, die ich benenne. So macht es Sinn, für Frieden und Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung zu beten, um Gesundheit für die Kranken und Trost für die Sterbenden, wie wir es in fast allen Gottesdiensten tun. Die geheimnisvolle Kraft des Gebetes bewirkt, dass ich Kraft zum Handeln bekomme.

Jesus sagt mit dem Gleichnis: Beten gehört auch in die Öffentlichkeit. Die Witwe bedrängt den Richter in aller Öffentlichkeit.
Es macht guten Sinn, öffentlich zu beten, wie es nach dem 11. September geschah oder nach den Massakern in Norwegen, in Erfurt, in Winnenden und anderswo. Es macht Sinn, öffentlich zu beten nach Unglücken wie in Duisburg, Flugzeugabstürzen, Unfällen.
Es macht Sinn, weil wir durch Beten öffentlich bekennen: Gott ist dennoch vertrauenswürdig.

Jesus sagt mit dem Gleichnis: Beten ist auch das Einklagen von Rechten. Das Reich Gottes ist uns versprochen. Drunter tun wir’s nicht, wenn wir beten. Denn der Anbruch des Reiches Gottes muss sichtbar werden, zum Beispiel, dass Unrecht beseitigt wird, dass den Armen, den Hungernden geholfen wird. Insofern folgt auf das Beten das Handeln.

Das anstößige Gleichnis ermutigt zum Beten.
Wer es neu versuchen und lernen möchte, der sollte anfangen, wie Martin Luther einmal empfiehlt: Täglich einmal das Vater unser beten. Darin ist alles gesagt, was wichtig zu beten ist, und dabei kann Gott behaftet werden. Beten ist niemals vergeblich. Deshalb nicht nur heute: Rogate, betet!
Und der Friede Gottes, der alles Denken übersteigt, bewahre uns heute und immer. Amen.

Ein ergänzender Text zum Nachdenken von Frieder Furler, Zürich 2001, aus: Arbeitshilfe für Frauensonntag Lätare 2012, Fachstelle für Frauenarbeit der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, S. 39f.

Beten und Kämpfen
Oft sehen wir nur zwei Möglichkeiten:
Rückzug und Resignation
oder Angriff und Gewalt;

Faust in der Tasche
oder Faust im Gesicht.

Das Gleichnis vom Beten durchkreuzt diese Alternativen:

Bitten heißt:
Kämpfen – kein Rückzug.
Kämpfen heißt:
Beharren auf Recht – keine Gewalt.

Beharren heißt:
Rufen, Schreien, Klagen.
Gott bei seinem eigenen Versprechen nehmen,
mit diesem Gott gegen den fernen Gott rechten und klagen.

Mit dem Lobgesang der Maria
gegen die Demütigung ansingen.

Wer so betet,
der öffnet die Hand,
statt sie zu ballen.

Wer so betet,
der entfaltet die Hände
zur Veränderung.

Wer so betet,
legt Hand an,
ohne schon alles im Griff zu haben.

Wer so betet,
stellt seine Frau auch einem Mann.
Wagemutig, leidenschaftlich – und gelassen.



Verfasserin: Pfarrerin i. R. Helga Trösken
Georg-August-Zinn-Straße 2, 63225 Langen

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