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Beten im Namen Jesu

von Gabriele Koenigs (75385 Bad Teinach-Zavelstein)

Predigtdatum : 17.05.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : Rogate
Textstelle : Matthäus 6,5-15
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Wochenspruch: Gelobt sei der Herr, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet. (Psalm 66,20)

Psalm: 95,1-7a

Predigtreihen

Reihe I: Johannes 16,23b-28(29-32)33
Reihe II: Matthäus 6,5-15
Reihe III: Sirach 35,16-22a oder Daniel 9,4-5.16-19
Reihe IV: Lukas 11,(1-4)5-13
Reihe V: 1. Timotheus 2,1-6a
Reihe VI: 2. Mose 32,7-14

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 168,1-3 Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied: EG+ Unser Vater
Predigtlied: EG 182 Suchet zuerst Gottes Reich
Schlusslied: EG 175 Ausgang und Eingang

Predigttext Matthäus 6,5–15

Vom Beten. Das Vaterunser

5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.
6 Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

7 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen.
8 Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
9 Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.
10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
11 Unser tägliches Brot gib uns heute.
12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]
14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.
15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

I. Beten braucht Vertrauen

Liebe Gemeinde,

Beten braucht Vertrauen. Und Beten braucht Diskretion.
Wir möchten nicht beobachtet werden beim Beten. Wir möchten keine Kommentare zu unserem Gebet. Meistens beten wir still. Und wenn wir gemeinsam beten, benützen wir Worte, die wir gemeinsam kennen: Tischgebete, Nachtgebete, Psalmen, und das Vaterunser. Sie ermöglichen uns das gemeinsame Gebet. Und manchmal helfen sie auch zum persönlichen Gebet.

II. Sie konnten den Streit gar nicht zu Ende bringen

Linda ist durcheinander. Am Frühstückstisch hatte es eine heftige Auseinandersetzung gegeben. Angefangen hat es alles eigentlich nur mit einem mürrischen Wort ihres Mannes. Dann hat es sich aufgeschaukelt. Sie hat mit Vorwürfen geantwortet, er fügte seine Vorwürfe hinzu. Ein Wort gab das andere. Sie waren lauter als sonst und heftiger als sonst. Sie konnten den Streit gar nicht zu Ende bringen. Horst musste los. Ohne Abschiedskuss, ohne freundliches Wort ist er aus dem Haus gegangen. Linda hatte weiche Knie und zittrige Hände und war den Tränen nahe.

Sie räumte den Frühstückstisch ab. Und dann ging sie auch. „Ich muss mich ein bisschen ablenken“, dachte sie. „Und irgendwie muss ich meine Fassung wiederfinden. Wie soll das bloß weitergehen mit uns?“ Sie bummelte durch die Stadt. Die Schaufenster sprachen gar nicht zu ihr. Alleine in ein Café wollte sie auch nicht. Sie kam an einer Kirche vorbei. „Ob die Türe wohl offen ist“ dachte sie. „Ich probiere es einfach mal!“
Tatsächlich ist die Türe offen. Die Sonne scheint durch das farbige Fenster hinein. Blumen stehen auf dem Altar. „Friedlich ist es hier“, denkt Linda. „Viel friedlicher als bei uns daheim!“ … „Eigentlich könnte ich mich hier eine Weile hinsetzen und ausruhen. Eigentlich könnte ich hier ein bisschen beten. Aber was ist, wenn jemand hereinkommt und mich sieht?“

Unschlüssig steht sie im Mittelgang. Sie schaut sich um und sieht auf dem Altar eine aufgeschlagene Bibel. Was dort wohl steht?

Linda geht nach vorne und liest. „Wenn du beten willst, geh in dein stilles Kämmerlein. Dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.“

III. Mein stilles Kämmerlein

„Mein stilles Kämmerlein“, denkt Lisa. „Am liebsten würde ich gerade jetzt dort nicht hingehen. Dort hängt noch unser ganzer Streit in der Luft. Dort kann ich mich jetzt überhaupt nicht wohlfühlen. Aber weglaufen nutzt ja auch nichts. Und wenigstens sieht mich dort niemand.“

Sie liest weiter. „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Diese Worte sind ihr bekannt seit Kindertagen. Sie hat sie auswendig gelernt, aber schon lange nicht mehr benutzt. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“ Dieser Satz trifft sie mitten ins Herz. Mehr braucht sie jetzt nicht. Sie dreht sich um, verlässt die Kirche und geht schnurstracks nach Hause.

Sie öffnet die Türe und geht ins Esszimmer. Genau dorthin, wo es so schwierig gewesen ist mit Horst. Es ist ganz still hier, fast bedrückend. Aber sie schaltet jetzt kein Radio an. Jetzt ist was anderes dran. Jetzt kommen die Tränen. Linda lässt sie laufen. Hier braucht sie sich vor niemandem genieren. Sie faltet die Hände und versucht zu beten.

„Vater im Himmel,
wenn du wirklich ins Verborgene siehst,
dann siehst du jetzt auch mich.
Schau mich an.
Ich bin so ratlos,
so durcheinander.
Bitte hilf mir.
Hilf uns.
Lass uns nicht im Stich.
Horst bedeutet mir so viel.
Ich möchte wieder ins Reine kommen mit ihm. “

Ihr Denken wird ruhiger. Die Tränen versiegen. Und unversehens kommen die alten Worte auf ihre Lippen. Die Worte, die sie schon so lange nicht mehr gesprochen hat: „Vater unser im Himmel ...“
(Anmerkung: Hier könnte der Prediger/die Predigerin das gesamte Vaterunser nochmals sprechen, oder nur Teile daraus).

Nun geht es ihr besser. Sie steht auf. Sie öffnet die Fenster und lässt frische Luft in das Zimmer. Auf dem Weg in die Küche kommt sie an einem Spiegel vorbei. „Gut, dass niemand mich so sieht“, denkt sie. Wie verquollen ihr Gesicht ausschaut, und der Lidschatten ist verschmiert. Sie grinst ihrem Spiegelbild zu. Das Spiegelbild grinst zurück.

Plötzlich weiß sie, was sie tun wird. Sie wird die Lieblingsspeise von Horst kochen. Den Tisch schön decken, eine Kerze anzünden. Und ihm sagen, wie leid es ihr tut, dass sie ihn mit Vorwürfen überschüttet hat.

IV. Wie viele Menschen wohl beten?

Liebe Gemeinde,

Zuhause – in unsrem stillen Kämmerlein – fallen die wichtigen Entscheidungen. Zuhause sind wir ganz wir selbst. Zuhause brauchen wir uns gar nicht verstellen. Zuhause sind wir unbeobachtet. Darum ist zuhause der wichtigste Ort zum Beten. Natürlich können wir es überall tun, und wir dürfen es überall tun. Aber alle anderen Orte tragen in sich die Gefahr der Heuchelei und Prahlerei, die Gefahr der gegenseitigen Bewertung. In allen Situationen, in denen wir Christen gemeinsam beten, müssen wir uns dieser Gefahr bewusst sein und uns davor hüten.

Das aufrichtige Gebet geschieht in erster Linie im Verborgenen. Darum wissen wir gar nicht, wie viele Menschen beten. Wahrscheinlich sind es viel mehr als wir annehmen. Man posaunt nicht herum, was für das Ohr des himmlischen Vaters bestimmt ist.
Wo Christen gemeinsam beten, hat das Vaterunser einen wichtigen Ort. Es verbindet die vielen Einzelnen mit ihren persönlichen Anliegen. Es verbindet uns mit denen, die dies Gebet schon lange vor uns gesprochen haben. Es verbindet uns mit Jesus Christus, der uns diese Worte gegeben hat. Es verbindet uns mit den Gläubigen in anderen Ländern und anderen Sprachen. Es weist uns weit über unseren eigenen Horizont hinaus. Es ordnet unsere Gedanken.

Wir können das auch nützen, wenn wir Zuhause sind. Das ganz persönliche Gebet kann in ein Vaterunser münden. Oder wir beginnen mit dem Vaterunser und fügen unsere eigenen Worte hinzu. Oder wir nehmen einfach nur einen Satz des Vaterunsers. Es gibt für das persönliche Gebet keine strenge, starre Form. Alles ist möglich. Unser persönliches Gebet kann ganz kurz sein. Manchmal ist es einfach nur ein Stoßgebet. Es braucht keine Beschwörungsformeln, keine Zauberworte. Wir können schlicht reden, so schlicht wie ein Kind. Der himmlische Vater weiß schon, was wir brauchen.

V. Jesus lehrte seine Jünger beten

Hüten wir uns davor, unser Gebet oder das Gebet der anderen zu bewerten. Hüten wir uns vor der Prahlerei und der Heuchelei. Auf die Aufrichtigkeit kommt es an. Auf das Vertrauen kommt es an. Alles andere ist zweitrangig.

AMEN

Verfasserin: Pfarrerin Gabriele Koenigs, Schmiedgasse 13, 75385 Bad Teinach-Zavelstein


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