Beten im Namen Jesu
von Katharina Schridde (99084 Erfurt)
Predigtdatum
:
09.05.2010
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Kantate
Textstelle
:
1. Timotheus 2,1-6a
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Wochenspruch:
„Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“ (Psalm 66, 20)
Psalm: 91, 1 – 7 b
Lesungen
Altes Testament:
2. Mose 32, 7 – 14
Epistel:
1. Timotheus 2, 1 – 6 a
Evangelium:
Johannes 16, 23 b – 28. (29 – 32). 33
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 325, 1 – 3
Sollt ich meinem Gott nicht singen
Wochenlied:
EG 133, 1 – 4
Zieh ein zu deinen Toren
Predigtlied:
EG 410
Christus, das Licht der Welt
Schlusslied:
EG 328, 1 + 7
Dir, dir o Höchster will ich singen
Predigt:
Liebe Gemeinde,
betet! So ruft es uns der Name dieses Sonntags zu, betet - Rogate!
Fünf Wochen nach dem Osterfest und zwei Wochen vor Pfingsten scheint sich die geistliche Kraft des Kirchenjahres zusammenzubündeln in eine innige Hoffnung und die Erwartung, dass die Verheißungen Jesu Christi wahr werden – die Ankündigung also, dass er uns seinen Heiligen Geist senden wird, der uns in die Liebe und die Gegenwart Gottes führen wird. Darum also ist zu beten, und zwar mit Eifer und Vertrauen.
Das sagt sich leicht und ruft sich so leicht in den Raum.
Gleichzeitig wissen wir, dass es sehr viele Menschen gibt, und keineswegs nur in unserem Land, die mit dieser Aufforderung zu beten rein gar nichts mehr anfangen können – sei es, weil es ihnen niemand beigebracht hat, sei es weil sie das Gespräch mit Gott gar nicht vermissen. Das dürfte inzwischen der weitaus größte Teil der Menschen in den Neuen Bundesländern sein, aber auch in den Alten Bundesländern ist das selbstverständliche Wissen um das Gebet und vor allem die Praxis des Betens längst nicht mehr selbstverständliches Erfahrungswissen, jedenfalls nicht bei der mittleren und jüngeren Generation. Beten löst manchmal eine gewisse Scheu aus – ist das nicht etwas sehr Persönliches, über das man besser nicht spricht? Kann man denn Beten überhaupt lernen?
Andere wiederum haben auch kein wirkliches Interesse an dieser Form des Gespräches mit Gott. Es scheint Vielen eher das Gegenteil von engagiertem gesellschaftspolitischen Handeln zu sein. Etwa so: Wer betet, hat noch nicht begriffen, dass man auch etwas tun kann zur Veränderung der Welt! Und schlimmstenfalls heißt es: Wer betet, dem fällt halt nichts anderes mehr ein.
Dem steht der erste Satz des heutigen Predigttextes aus dem 1. Timotheusbrief entgegen:
Der Verfasser schreibt: „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen.“
Vor allen Dingen! Bevor wir uns über Finanz- und Strukturfragen unterhalten, bevor wir über Gemeindeaufbau in Zeiten des demographischen Wandels grübeln – sollen wir beten. Das wäre in der Tat eine lohnende Idee! Tatsächlich jede Sitzung, jede eigene Arbeitstätigkeit, ja jedes Denken und Planen mit einem Gebet zu beginnen!
Unsere gegenwärtige Zeit macht es uns leichter, die Situationen der ersten Gemeinden am Anfang der Kirche zu verstehen. So unterschiedlich ist die Situation damals wie heute nicht. Auch in den Gemeinden in Rom oder Kleinasien, denen die Briefe des Apostels Paulus und seiner Schüler galten, lebten die jungen Christengemeinden in einer Umwelt, in der die Menschen vom christlichen Glauben nichts gehört hatten und ihr Leben durch gänzlich andere Vorstellungen von Gott oder Göttern bestimmen ließen - und dementsprechend auch andere Vorstellungen von menschenwürdigem und gottgemäßem Zusammenleben hatten. Und so überrascht es nicht, dass in vielen der neutestamentlichen Briefe grundlegende ethische Handlungsanweisungen, Hinweise zum Gemeindeaufbau und zur Gemeindeleitung und konkrete Verhaltensregeln zum Miteinander der ersten Christen zu finden sind – denn ein Glaube, sei er auch noch so glühend und leidenschaftlich, der sich nicht in die konkreten und alltäglichsten Verhaltens- und Umgangsformen übersetzt, entspricht nicht dem Weg Gottes mit uns. Denn Gott befindet sich immer und zu jeder Zeit mitten bei uns Menschen und geht ihre Wege mit.
Auch der erste Brief an Timotheus ist ein solcher „Hirtenbrief“, der die Probleme der urchristlichen Gemeinde aufnimmt. Ob er wirklich von Paulus oder einem anderen Autor aus der paulinischen Tradition geschrieben wurde, ist umstritten. Wichtiger als diese Frage aber ist die Erkenntnis, dass er zu einer Zeit geschrieben wurde, in der es in den christlichen Gemeinden schon eine innere Ordnung und eine Hierarchie gab. Es gab Ämter und Aufgabenteilung, es gab schon ein paar Ordnungen und Regeln. So ist der erste Brief an Timotheus ein Brief, der nicht mehr an die gesamte Gemeinde geschrieben worden ist - so wie es die frühesten Paulusbriefe waren –, sondern er ist von einem nicht genau bekannten Verfasser an den Leiter dieser kleinen Gemeinde in Ephesos geschrieben. Es ist ein Pastoralbrief, in dem der Pastor - darunter ist eher der Gemeindeleiter als ein Pfarrer in unserem heutigen Sinn zu verstehen - Anweisungen erhält, wie er seine Gemeinde zu genau dieser Zeit und genau an diesem Ort zu leiten habe. Ob und wie weit die dort enthaltenen Anweisungen für andere Gemeinden an anderen Orten und zu andern Zeiten zu übertragen sind, muss jedes Mal neu überprüft und kann und soll – vor allem! – im Gebet erfragt werden.
Denn: Vor allem aber betet.
Und nun folgt sogar eine kleine Gebetsschule, in der der Verfasser auf die unterschiedlichen Gebets- und Gottesdienstformen hinweist. Auch das wäre ein lohnendes Thema für unsere heutigen Gemeinden: Welche Andachts- und Gottesdienstformen haben wir bei uns? Welche Formen würden wir uns wünschen und wer hat Lust, sich darüber Gedanken zu machen und andere dazu einzuladen?
Ganz klar ist aber, dass Gebet und Gottesdienste grundsätzlich allen Menschen dienen sollen. Die Berufung und der Auftrag zum Gebet sind nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe gedacht, schon gar nicht nur für die, die uns vielleicht besonders nahe stehen – sondern gerade auch für die, die wir vielleicht nicht sofort verstehen, die uns unser eigenes Leben erschweren, gar die eigene Lebensform, die wir als Christen und Christinnen einüben, in Frage stellen.
In diesem Zusammenhang mag der auffallende Einschub zu verstehen sein, der ausdrücklich das Gebet für die Könige und alle Obrigkeit empfiehlt – erst recht aber die Begründung, die dafür genannt wird: Damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.
In unseren Ohren können solche Worte leicht missverstanden werden als Aufforderung zu Unterwürfigkeit und Opportunismus, und es muss zugegeben und benannt werden, dass die Kirche in ihrer langen Geschichte dieser Versuchung in der Tat zu oft erlag und erliegt. Wie oft war und ist Protest und Widerstand die angemessene christliche Haltung, wenn Menschen in totalitären Staaten und von menschenverachtenden Regierungen verfolgt, gefoltert, getötet worden sind und noch immer werden. Die Kirche, die Christen haben zu oft und zu lange an der falschen Stelle geschwiegen. Andererseits haben gerade die Christen und Christinnen in der ehemaligen DDR in wohl einmaliger Weise erfahren, wie sehr Gebete mithelfen können, ganze Staatssysteme zu erschüttern – völlig gewaltlos.
Das Gebet gilt also zunächst und vor allem allen Menschen. Die Taten der Regierenden und aller anderen Menschen – und erst recht die eigenen! - aber können und sollen gleichwohl und eben deshalb aufmerksam wahrgenommen und wo es angebracht ist, auch nachfragend und kritisch wahrgenommen werden.
In allem aber wirke die höchste Kunst und stärkste Kraft, die ein Gebet überhaupt tragen und begleiten kann, nämlich die Liebe. Das ist ein hoher Anspruch, der gewiss nicht von uns selbst eingelöst werden kann, sondern der sich allein dadurch erfüllt, dass wir Jesus Christus als Mitte alles unseren Redens, Denkens und Tuns begreifen und in uns wirken lassen.
Vielleicht ist das die eigentliche Herausforderung des Betens, ganz gleich in welcher Form und für wen wir beten: Dass wir selbst uns buchstäblich herausfordern, herauslocken, herausrufen lassen aus allen bekannten und manchmal auch sehr bequemen inneren und äußeren Haltungen und den zu lieb gewordenen Gewohnheiten, die uns zuweilen den Blick trüben und das Herz eng machen. Die Herausforderung besteht darin, dass wir es stattdessen wagen, die Menschen, die Kirche, das Leben mit dem liebenden und sorgenden Blick Gottes anzuschauen und so darin zu reden und zu handeln, wie ER es uns in Jesus Christus gezeigt hat.
Dabei können wir uns immer wieder irren, wir können, Fehler machen und versagen. Vor allem aber können wir umkehren, jeden Tag neu und uns in die Versöhnung hineinbergen, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Und dann können und sollen wir leben, freimütig und liebevoll, IHM, dem höchsten Gott zur Ehre und uns zum Segen.
Darum lasst uns beten - heute und alle Tage.
Amen.
Verfasserin: Sr. Katharina Klara Schridde CCR, Augustinerstraße 10, 99084 Erfurt
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