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Beten im Namen Jesu

von

Predigtdatum : 21.05.2017
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Kantate
Textstelle : Lukas 11,5-13
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Wochenspruch:
"Gelobt sei der Herr, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet." (Psalm 66, 20)

Psalm: 95, 1 - 7


Lesungen
Reihe I: Johannes 16, 23 b - 28 (29 - 32) 33

Reihe II: 1. Timotheus 2, 1 - 6 a

Reihe III: Lukas 11, 5 – 13

Reihe IV: Kolosser 4, 2 - 4 (5 - 6)

Reihe V: Matthäus 6, (5 - 6) 7 - 13 (14 - 15)

Reihe VI 2. Mose 32, 7 14


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 625 Wir strecken uns nach dir
Wochenlied: EG 133 Zieh ein zu deinen Toren
Predigtlied: EG 414 Lass mich, o Herr, in allen Dingen
Schlusslied: EG 171 Bewahre uns, Gott



Predigttext Lukas 11, 5 - 13
Der bittende Freund

„Und er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf. Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!“


Liebe Gemeinde,

manches versteht sich von selbst. Wir tun es ganz unbewusst. Immer wieder ohne uns Gedanken darüber zu machen. Es ist so selbstverständlich, dass wir uns niemals fragen wann und wo wir es eigentlich gelernt haben. Es hilft uns durch jeden Tag, durch jede Nacht. Wir tun es einfach. Da braucht es keine Erklärung und Einführung. Es IST einfach. Gerade weil es einfach ist, von selbst läuft, schenken wir ihm keine Beachtung mehr.

Nehmen wir das Atmen. Es versteht sich von selbst, dass wir atmen, andernfalls sterben wir. Es ist einfach so. Atmen ist für uns selbstverständlich geworden. Wir tun es einfach. Ohne darauf zu achten, WAS wir tun.

Wer achtet schon auf sein Atmen?

Wie atmen wir? Gerade jetzt.
Sind es lange oder kurze Atemzüge? Gibt es Momente, in denen wir die Luft anhalten?
Haben Einatmen und Ausatmen die gleiche Qualität?
Ist die Zeitspanne der beiden Atmungen gleich?
Gibt es dazwischen eine Pause?
Wohin atmen wir?
Geht die Atmung in den Brustkorb, in den Bauch oder in die Flanken?
Womit atmen wir?
Atmen wir mit dem Mund oder mit der Nase?
Was atmen wir?
Es kann immer wieder passieren, dass Luft zum Atmen dünn wird, dass sie regelrecht genommen wird, weil der Druck zu groß wird. Die Anspannung wächst, die Muskulatur sich verhärtet. Erstickungsgefühle, Panikattacken. Atmen ist so selbstverständlich und doch so unendlich wichtig zum Überleben. Der Körper tut es, mal gut, mal weniger gut. Er braucht es. Vor allen Dingen das Aufatmen, das tiefe Durch-atmen nach Schreck oder Stress, nach Anstrengung und Anspannung.

Unzählige Ratgeber in den Regalen der Buchhandlungen wollen Abhilfe schaffen. „Richtiges Atmen“. Nicht zu flach, nicht zu tief. Entspannungsübungen, Kügelchen, Yoga und Wellnesstees schaffen angeblich Abhilfe für den Moment, oder die Tage, in denen uns das was eigentlich doch so selbstverständlich ist, schwer fällt. Ohne Ratgeber geht heute nichts mehr. Auch nicht das Atmen. Obwohl wir das grundsätzlich scheinbar ja ganz intuitiv hinbekommen. Der Köper benötigt das Atmen. Manches versteht sich von selbst.

Aber nicht nur Ärzte und Stresstherapeuten forschen immer wieder zum Thema Atmen.

Nein, schon 1853 beschäftigt sich ein Theologe mit unserer Atmung. Leopold Hofheimer. Er geht jedoch einen Schritt weiter. Ja, sagt er. Unser Körper braucht Luft, muss Atmen. Aber nicht nur unser Körper. Genauso dringend braucht dies unsere Seele. Das erscheint nun weniger selbstverständlich. Erklärt sich nicht direkt von selbst. Aber wenn ich genauer hinschaue, auf meine Atmung, dann merke ich, wie eng Körper und Seele da zusammen hängen. Wie sehr sie aufeinander angewiesen sind. Ganz unbewusst. Wenn ich aufgeregt bin, manchmal über mehrere Stunden oder Tage, dann hat die Atmung Aussetzer. Wie befreiend ist es dann, runter zu kommen, tief Luft zu holen, und dann vor allen Dingen alles raus zu lassen. Ich merke wie auch die Schultern entspannen, der Bauch loslässt. Körper und Seele – beides braucht Atmung.

Leopold Hofheimer ging es 1853 aber nicht nur darum, uns zu sagen, dass wir uns irgendwie auch mal wieder um unsere Seele und deren Luft kümmern sollten. Nein, seine Abhandlung über das Atmen trägt einen besonderen Titel: Beten - Atemholen der Seele.

Beten.
Atmen versteht sich von selbst. Beten versteht sich nicht von selbst. 1853 nicht - heute nicht.

Damit die Seele Luft bekommt, schreibt er, damit die Seele leben, überleben kann, braucht der Mensch eins ganz besonderes: das Gebet.

Atmen versteht sich von selbst. Beten nicht. Wir tun es durchaus. Hier in unseren Gottesdiensten, eventuell am Abend. Stoßgebete kurz vor einer Prüfung, flehende Gebete an Krankenbetten. Manchmal lange Zeit wie selbstverständlich, da gehören sie dazu. In anderen Zeiten jedoch scheint dafür keine Zeit zu sein, geraten sie in Vergessenheit, die Gebete, sind sie uns unangenehm, die Gebete. Das Atmen, klar, das fällt auf, wenn ich es länger unterlasse. Aber das Beten? Oft merke ich erst viel später, dass etwas fehlt. Oft spüre ich auch lange gar nichts. Der Köper muss Atem holen. Aber warum brauche ich das Atemholen der Seele? Warum brauche ich das Gebet? Da sind Gedanken, die mir besonders wichtig sind, die für mich das Beten ausmachen.

Zum einen: Ganz einfach könnte ich sagen: der Körper braucht Luft um zu Atmen, die Seele braucht ein Gegenüber. Ich brauche ein Gegenüber. Das macht für mich das Beten aus. Das Gegenüber ist das Wichtigste am Gebet. Es geht einmal nicht darum, mich selbst aus dem Sumpf herauszuziehen, aus mir selbst heraus Luft zu bekommen, Techniken zu lernen, mich zu disziplinieren. Beim Beten geht es um mich ja – aber eben nicht nur um mich, wie bei den vielen Wellness-Ratgebern. Es geht um mich – und um Gott.

Ähnlich hat es auch Luther einmal formuliert (WA 32): also lehret uns das Gebet das wir beide, uns und Gott erkennen. Durch ihn erkenne ich mich. Gerade in den Momenten, in denen ich einfach nicht mehr weiter weiß, in denen ich nicht mehr kann, da brauche ich etwas außerhalb meiner. „Du musst nicht alles alleine schaffen. Nein. Hier bin ich. Gib es ab. Dann bist du es los.“ Ich kann reden und reden, ich kann alles sagen, was sonst besser nicht gesagt werden würde. Es kann mir nichts passieren, egal welche Worte ich wähle, ob ich stammle, oder ohne Punkt und Komma rede. Sich alles von der Seele reden, das sagt man doch so. Damit die Seele Luft bekommt. Das ist so wichtig. Weglegen. Abgeben. Aufatmen, Luft raus lassen, durchatmen. Ganz tief. Dafür brauche ich ihn. Dafür ist es da, das Gebet.

Und da ist mir noch etwas wichtig am Gebet. Wenn ich wirklich keine Kraft mehr habe. Nur noch ins Leere schaue, wenn da gar nichts mehr in mir ist, was ich sagen könnte. Wenn wir mir Worte fehlen, in den Momenten wo es nichts mehr zu sagen gibt, da darf und kann ich bei Gott einfach schweigen. Ich muss nichts leisten, ich muss nichts tun, ich muss nichts reden. Wenn ich rede, dann hört Gott, wenn ich schweige, dann hört er auch.

Jesus sagt das seinen Freunden bei einer Rast auf einem Berg schon vor 2000 Jahren. Erinnert mich daran worum es im Gebet eigentlich geht. „Es geht um euch. Es geht um dich. Heuchelt nicht, das habt ihr nicht nötig. Es geht nicht um die Leute, es gibt kein richtiges und falsches Beten. Du wirst nicht eher erhört wenn du viele Worte machst. „Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.“ Euer Vater, mein Vater, weiß, was ich brauche, nicht ich muss es wissen. Und er weiß was ich brauche, bevor ich es überhaupt ahne oder sagen kann.

Gebet bedeutet nicht nur reden und reden. Gebet bedeutet auch Schweigen.

Søren Kierkegaard, ein Philosoph und Theologe aus dem 19. Jhd. hat das, was Jesus damals in der Bergpredigt meinte, einmal für sich in wunderbare Worte gefasst. Er schrieb: Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt: Still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.

Ja, Beten ist mit Gott zu sein, zu reden, zu schweigen, zu hören, aber es heißt eigentlich noch mehr. Es ist auch etwas von Gott zu erwarten. Er hat mich in diese Welt, an diesen Platz hier gestellt. „Siehe, es war gut.“ Sagt er. Ich bin angewiesen auf ihn. Ich bin sein Ebenbild. Aber ich bin Mensch. Seine Macht hat kein Ende, meine sehr wohl. Und deshalb habe ich Erwartungen an ihn. „Nicht wie ich will, sondern wie du willst, betet Jesus im Garten Gethsemane. Er verlangt das auch von mir. Zu beten: dein Wille geschehe. Wie oft werde ich es schon gebetet haben. Vater unser im Himmel, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden.

Welch wahnsinniges Vertrauen Jesus in Gott hat. Welch Vertrauen er von uns verlangt. So vertrauen, kann, könnte ich das jemals? Warum ändert er Not und Elend nicht. Jetzt. So wie ich mir das vorstelle? Seine Gedanken sind nicht meine Gedanken. Seine Wege nicht meine Wege. Wie wahr. Jesus versucht uns nicht nur zu zeigen warum das Gebet so wichtig für uns ist, nein, er erzählt auch die Geschichte vom Freund der nachts um Hilfe bittet. Irgendwann bekommt er diese. Das sollte man ja auch von einem Freund verlangen. „Wie viel mehr wird der Vater im Himmel Gutes, den heiligen Geist geben, denen, die ihn bitten“. Er gibt uns beim Beten mehr als wir erbitten. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“. Schreit ein Vater in der Bibel, der sich um sein krankes Kind sorgt und sich verzweifelt an Jesus wendet. Ich glaube. Hilf meinem Unglauben. Rette du uns und erfülle deine Verheißungen. Beten meint nicht nur Atemholen der Seele. Beten meint Vertrauen und Hoffen über unser Leben, über unsere Erfahrungen, über unsere Macht hinaus. Weil da eine Macht ist, die größer ist als all unser Tun und all unsere Vernunft.

Manches versteht sich von Selbst. Wir tun es unbewusst. Weil es gut tut, weil wir es brauchen. Das Atmen. Das Beten versteht sich nicht von selbst. Aber es ist genauso überlebensnotwendig wie das Atmen. Wie kann ich das nur so oft vergessen. Da braucht es immer wieder die Bibel, Jesus in der Bergpredigt, den bittenden Freund, andere Menschen, die mit Gott, dem Gebet, leben um mich daran zu erinnern. Neulich auf einer Feier betete ein Bekannter am Tisch kurz vor dem Essen, blickte einen Moment nach unten. Der Tischnachbar bemerkte es und kommentierte, das sei aber mutig. Ich werde nie vergessen, was mein Bekannter antwortete: Ist es nicht eher mutig es nicht zu tun? Manchmal bin ich mutig. Manchmal versteht es sich für mich von selbst. Manchmal bin ich es nicht. Trau mich nicht zu bitten. Dietrich Bonhoeffer hat mal gesagt: Wir müssen uns von Gott unterbrechen lassen. Ich bitte ihn, dass Gott niemals damit aufhört mich zu unterbrechen. Dass seine Unterbrechungen mir selbstverständlich werden wie das Luft holen. Dass er meine Seele nie verlässt und vergisst, gerade nicht in den Momenten wo ich sie vernachlässige. Was hilft es, wenn du die Welt gewinnst und doch schaden nimmst an deiner Seele. Jesus sagt, damals auf dem Berg, ich muss gar nicht viel tun. Ich muss einfach „Vater“ sagen.

Amen.



Verfasserin: Pfarrerin Natascha Reuter
Bei der Kirche 11, 35216 Biedenkopf

Herausgegeben vom

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