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Böses mit Gutem überwinden

von Matthias Rost (Neudietendorf)

Predigtdatum : 21.07.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : 5. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Matthäus 9,35-10,1(2-4)5-10
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Wochenspruch: "Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es." (Epheser 2,8)

Psalm: 73,1-3.8-10.23-26

Predigtreihen

Reihe I: Matthäus 9,35-10,1(2-4)5-10
Reihe II: Lukas 5,1-11
Reihe III: 1. Korinther 1,18-25
Reihe IV: 1. Mose 12,1-4 a
Reihe V: Johannes 1,35-51
Reihe VI: 2. Korinther (11,18.23b-30); 12,1-10

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 446 Wach auf, mein Herz, und singe
Wochenlied: EG 241 Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied: EG 256, 3-5 Einer ists, an dem wir hangen
Schlusslied: EG 313 Jesus, der zu den Fischern lief

Predigttext Matthäus 9, 35 - 10, 1 (2 - 4) 5 – 10

Die große Ernte

9,35Und Jesus zog umher in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen.
36Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.
37Da sprach er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter.
38Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.

Die Berufung der Zwölf

10,1Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unreinen Geister, dass sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen.
2Die Namen aber der zwölf Apostel sind diese: zuerst Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder; Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, sein Bruder;
3Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus;
4Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn verriet.

Die Aussendung der Zwölf

5Diese Zwölf sandte Jesus aus, gebot ihnen und sprach: Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht nicht in eine Stadt der Samariter,
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sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.
7Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
8Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus.
Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch.
9Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben,
10auch keine Tasche für den Weg, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken. Denn ein Arbeiter ist seiner Speise wert.

Liebe Gemeinde,

dieses Evangelium erinnert uns wieder einmal daran, wozu die Kirche eigentlich da ist. In drei Worten lässt es sich zusammenfassen: Sehen – Flehen – Gehen.

Schöne Gottesdienste feiern mit gehaltvoller Predigt und guter Kirchenmusik – sollen wir das etwa bleiben lassen? Keineswegs! Kirche lebt ja davon, ja, Kirche ereignet sich gerade da, wo Gottes Wort gepredigt, wo Abendmahl gefeiert, wo gebetet, gesungen, gesegnet wird.

Unser Kirchengebäude erhalten, die vielen Kunstschätze in den Kirchen zugänglich machen, die Kirchen für Besucher öffnen – etwa nicht? Man würde es uns sehr übelnehmen, wenn wir das nicht mehr täten.

Und dann ist da noch der Kindergarten in Trägerschaft der Gemeinde, der kirchliche Friedhof, der Pfarrer muss in der Schule Religionsunterricht geben. [hier im Blick auf die örtlichen Aufgaben der Gemeinde und der Mitarbeitenden konkretisieren] Und sollten wir nicht auch gute Beziehungen zu den Vereinen vor Ort pflegen? Und … und … und. Alles wichtig! Kirche und Tourismus. Kirche und Sport. Kirche und Wirtschaft. Kirche und Kultur. Und sollte die Kirche nicht auch mehr in den sozialen Medien präsent sein?

„Was sollen wir denn noch alles machen?“ stöhnen viele in der Kirche: Hauptamtliche genauso wie Ehrenamtliche in den Gemeindeleitungen und Synoden. „Was denn noch alles?!“ Wir schaffen nicht alles, wir müssen uns konzentrieren, müssen sortieren und entscheiden.

Und da hilft es, sich wieder einmal daran erinnern zu lassen, wozu Kirche eigentlich und ursprünglich da ist: Sehen – Flehen – Gehen, Sehen – mit den Augen Jesu. Flehen – also beten zu Gott, dem „Vater des Erbarmens“. Und gehen – zu denen, die es wirklich brauchen. Das ist die Orientierung, die uns heute aus dem Evangelium gegeben ist. Schauen wir uns das im Detail an.

Zunächst wird vom Evangelisten Matthäus zusammenfassend berichtet, was Jesus schon getan hat: er zog umher in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen. Ganz viele hat Jesus offensichtlich schon erreicht. Aber er sieht noch ganz viele andere: geplagt und niedergeschlagen, verschmachtet und zerstreut, müde und erschöpft, geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben. Doch er sieht sie nicht nur. Es jammerte ihn. Er lässt sich wirklich betreffen. Es geht ihm buchstäblich „an die Nieren“. Geschundene Menschen, unbehütete, entwurzelte Existenzen.

Bemerkenswert ist: Jesus sagt nicht: „Wie soll ich das schaffen? Was soll ich denn noch alles machen?“ Seine erste Reaktion ist: „Die Ernte ist groß!“ Jesus sieht diese vielen bedürftigen, geängsteten, zerstreuten, unbehüteten Menschen wie ein großes, reifes Erntefeld. So wie man die Getreidehalme einbringt in die Scheunen, so sollen all die vielen Menschen eingebracht werden in den Bereich von Gottes Erbarmen. So sollen all diese Menschen zusammengebracht werden in den Schutzbereich des Guten Hirten.

Sehen! Sehen mit Seinen Augen! Die Menschen um uns her wirklich wahrnehmen: die unbehüteten, die Geschundenen, die Abgeschriebenen, die, auf deren Kosten der Wohlstand der Wenigen geht, die Vergessenen dieser Erde. Die, die keine Stimme haben in der Gesellschaft, und die auch in der Kirche oft wie die unmündigen Schafe behandelt werden.

Sehen – das ist schon entscheidend? Wo blicken wir hin? Was – und vor allem wen nehmen wir wahr? Wie lassen wir uns davon betreffen?

Wir sehen zuerst einmal: Den großen Kirchen laufen die Mitglieder davon. Und die kirchlichen Statistiken bestätigen es: Die Kirchen werden immer leerer. Die Gottesdienstbesucherzahlen gehen zurück. [hier kann gegebenenfalls eine Konkretion hinsichtlich der Erfahrungen der Ortsgemeinde vorgenommen werden]. Die Mitgliederzahlen nehmen stetig ab. Die Kirchenverbundenheit der Jugendlichen und der jungen Erwachsenen wird immer geringer. Die Kirchensteuereinnahmen schrumpfen. Die Kirche kann nicht mehr so viele Pfarrer bezahlen. Aber auch die Zahl derer, die Theologie studieren und ins Pfarramt gehen, ist in den letzten Jahren immer kleiner geworden. So könnte es sein, dass wir bei sinkenden Mitgliederzahlen in ein paar Jahren tatsächlich zu wenig Pfarrerinnen und Pfarrer haben.

Wie anders klingt es im Evangelium! Jesus sagt: Die Ernte ist groß. Das ist erst einmal ein ganz anderer Blick auf die Wirklichkeit, anders, als der Defizit-Blick, den wir schon so gewöhnt sind. Wir sagen: es geht alles bergab. Oder: Es ist alles zu viel. Das Evangelium sieht: Da ist ein großer Reichtum. Die Ernte ist groß.

Wie kommt Jesus hier zu einer so grundsätzlich anderen Einschätzung? Er sieht nicht auf die Zahlen, sondern auf die Menschen. Er schaut nicht auf die Mitglieder allein, sondern auf alle: Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.

Und? Was folgt daraus? Wie reagiert Jesus auf diese Wahrnehmung? Schickt Jesus die Seinen stehenden Fußes in die Erntearbeit? Nachher schon. Aber zuerst sagt er etwas anderes: Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.

Die Kirche analysiert und prognostiziert ihre Lage. Sie kalkuliert und budgetiert. Sie setzt Kommissionen ein, entwickelt Strategien und Projekte, um ihre Mitglieder zu halten und neue zu gewinnen. Und Jesus? Was sagt er zu den Seinen? Betet! Bittet!

Also: Wie Jesus die Situation sieht, ist anders. Aber auch, wie er darauf reagiert, ist überraschend anders, als wir es in der Kirche gewöhnt sind.

Sehen und Flehen: Ein ermattetes Volk – und ermutigte Jünger. Die Menschen, wie Jesus sie sieht: müde, ausgezehrt, schutzlos, hungrig, durstig, ausgebrannt, vereinzelt, zerstreut, beziehungslos. Und die Jünger? Ermutigt zum Beten!

Könnte das eine Orientierung auch für uns sein? Für unsere Gemeindeleitung? Für unsere Kirchenleitung? Sehen wie Jesus und beten wie die Jünger? Das Volk sehen mit Seinen Augen, die Menschen in ihrer Not, in ihrer Bedürftigkeit, die tatsächlich Unversorgten, die Geängsteten, die Unbehüteten, die spirituell verhungern und verdursten. Aber dann: nicht reagieren mit Strukturplänen und Missionsprojekten, mit kirchlichen Reformstrategien, sondern – beten!

Jesus setzt die Gebetsgemeinschaft vor die Strukturprogramme. Gewiss: Kirchen- und Gemeindeleitungen müssen Entscheidungen treffen, müssen verantwortlich umgehen mit dem Geld und dem Personal der Kirche. Aber wie wäre das, wenn sie wieder einüben würden, zu entscheiden im Hören auf Gott?! Und nicht auf die scheinbar immer weiter wachsenden Anforderungen mit Abwehr reagieren: Was sollen wir denn noch alles machen? Nein! Tatsächlich wieder einmal fragen: Was willst Du, Herr der Ernte, heute von uns? Wo willst Du uns haben? Wozu willst Du uns brauchen? Was ist aus Deiner Sicht dran?

Sehen – Flehen – und Gehen, hatten wir gesagt. Das sind die drei Leitworte für die Sendung der Kirche.

Also nun doch: Gehen! – Ja, Jesu sendet die Seinen! Diese Zwölf sandte Jesus, heißt es da ausdrücklich. Aus den Jüngern, den Schülern, den Nachfolgern, werden in diesem Augenblick Gesandte. Da müssen wir uns einen Moment aufhalten.

Zunächst einmal werden sie uns vom Evangelisten Matthäus namentlich genannt: zuerst Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder; Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, sein Bruder; 3Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus; 4Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn verriet. Das ist schon eine recht „bunte Truppe“.

Angefangen bei Petrus, der als erster vollmundig bekennt „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn“, und der ihn dann doch am Ende verleugnet und nichts mit ihm zu tun haben will. Dann Matthäus, der Zöllner, also ein ehemaliger Kollaborateur mit der Staatsmacht. Am anderen politischen Ende sozusagen der andere Simon, dessen Beiname „Kananäus“ darauf hinweist, dass er einmal zu einer militanten Untergrundbewegung gehört hatte. Sie und die anderen auch – und sogar Judas Iskarioth, der ihn verriet! – diese ganze „bunte Truppe“ wird gesandt und mit den Gaben ausgerüstet, die nötig sind, zu tun unter den Menschen, was Jesus tut.

Das kann uns beruhigen. Es sind Menschen mit Ecken und Kanten, mit zweifelhafter Vergangenheit, ohne besondere Qualifikation – keine handverlesene Elite.

Warum nur Männer hier genannt werden? Sehr unwahrscheinlich bei Jesus, der doch eine ungewöhnlich nahe Verbindung zu den Frauen in seiner Nachfolge hatte! – Für Matthäus scheint etwas anderes wichtig zu sein. Diese zwölf stehen für die untergegangenen zwölf Stämme Israels, das Gottesvolk, das neu gesammelt werden soll.

Wir stoßen uns auch daran, dass Jesus diese Zwölf ausdrücklich nicht zu den anderen Völkern, sondern ausschließlich zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel sendet. Aber das ist nur hier so. Am Ende des Evangeliums hören wir: Geht hin in alle Welt, und lehret alle Völker!

Sehen – Flehen – Gehen! Wichtiger ist, wozu ER die Seinen sendet: 7Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. 8Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus. Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch.

Das klingt abenteuerlich! Das ist es, wozu Jesus die Seinen sendet. Jesus, ganz fern von den Bedürfnissen einer Institution, ganz nah an den Leiden des Volkes, sendet aus zum Predigen: Dabei kommt es nicht auf kunstvolle Reden an, sondern die befreiende Nähe des Himmelreiches ist anzukündigen. Als Zeichen dafür sendet der Herr aus zum Heilen: das ist die Therapie aller leib-seelischen Krankheiten. Er sendet aus zum Erwecken dessen, was tot ist, denn die meisten Seelen sind spirituell erstorben und schlafen. Er sendet aus zum Reinigen, das heißt zum Aufheben all dessen, was Menschen absondert und abstempelt und abschreibt. Und er sendet aus zum Befreien. Das betrifft alle negativen Kräfte; sie können wohl in psychischen, aber auch in politischen Strukturen am Werk sein.

Ansagen, heilen, erwecken, reinigen, befreien – das heißt: Gehen, hingehen, sich den wirklichen Nöten der Menschen zuwenden.

Wozu ist Kirche da? Könnte dieser Auftrag, könnte diese Sendung Jesu auch eine Orientierung für uns sein?

Klar ist: Kirche ist nicht bloß ein religiöser Traditionsverein. Wir sind auch nicht in „geheimer Mission“ unterwegs, sondern in Seiner Mission, in der Sendung Jesu zu den Menschen.

Vielleicht müssen wir wirklich manchmal der Fülle der Aufgaben und Anforderungen begegnen: Was sollen wir denn noch alles machen?! Und uns ehrlich fragen, worauf wir uns konzentrieren müssen. – Das Evangelium sagt es uns: Hingehen zu den Menschen in ihren wirklichen Nöten. Den scheinbar Gottverlassenen Gottes Nähe bezeugen. Für die verletzten Seelen sorgen. Heilungswege begleiten. Auch die spirituell Abgestumpften zu neuem Leben erwecken in Gottes Namen. Lossprechen von negativen Kräften in Seinem Geist.

[Gegebenenfalls kann hier von Aktivitäten und Projekten in der Gemeinde oder in der Umgebung der Gemeinde berichtet werden.]

Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch, setzt Jesus hinzu. Genau das ist es! Keine Überforderung! Nichts Unmögliches wird uns aufgetragen. Nur: was ihr selbst schon erfahren habt – an Heilung, an Erweckung, an Reinigung, an Befreiung - das teilt mit anderen!

Sehen – Flehen – Gehen. Dazu ist die Kirche da.

Amen

Tagesgebet

Herr, erwecke deine Kirche und fange bei uns an.
Herr, baue deine Gemeinde und fange bei uns an.
Herr, lass Frieden und Gotteserkenntnis überall auf Erden kommen, und fange bei uns an.
Herr, bringe deine Wahrheit und Liebe zu allen Menschen und fange bei uns an.

Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf


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