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Böses mit Gutem überwinden

von Johannes Reinhardt (99846 Seebach)

Predigtdatum : 05.07.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Römer 12,17-21
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Wochenspruch: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Galater 6,2)

Psalm: 42,2-6

Predigtreihen

Reihe I: Lukas 6,36-42
Reihe II: Römer 12,17-21
Reihe III: 1. Mose 50,15-21
Reihe IV: Johannes 8,3-11
Reihe V: 1. Petrus 3,8-17
Reihe VI: 1. Samuel 24,1-20

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 133, 1-2+7-8 Zieh ein zu deinen Toren
Wochenlied: EG 495, 1-5 O Gott, du frommer Gott
Predigtlied: EG 628, 1-3 Herr, gib mir Mut
Schlusslied: EG 408, 1+6 Meinem Gott gehört die Welt

Predigttext Römer 12,17-21

Das Leben der Gemeinde

17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
18 Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.
19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5. Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.«
20 Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22).
21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Die revolutionäre Kraft der Vergebung

Als die ersten Missionare nach Alberta, Kanada kamen, wurden sie von einem jungen Häuptling der Cree-Indianer namens Maskepetoon entschieden abgelehnt. Dieser lernte später das Evangelium kennen und wurde Christ. Kurz darauf tötete ein Mitglied des Blackfoot-Stammes seinen Vater.

Da ritt Maskepetoon in das Dorf, in dem der Mörder lebte, und verlangte, dass er vor ihn gebracht werde. Gegenüber dem Schuldigen sagte er: "Du hast meinen Vater getötet, also musst jetzt du mein Vater sein. Du sollst mein bestes Pferd reiten und meine besten Kleider tragen. Sag deinem Volk, dass Maskepetoon auf diese Weise Rache nimmt."

Voller Staunen und Reue rief sein Feind aus: „Mein Sohn, jetzt hast du mich getötet!" Er wollte damit sagen, dass der Hass in seinem eigenen Herzen durch die Vergebung und Freundlichkeit des Häuptlings vollständig beseitigt worden war. Und der Mörder seines Vaters fuhr fort: „Noch nie in der Geschichte meines Volkes hat es so etwas gegeben. Mein Volk und alle Männer werden sagen: „Der junge Häuptling ist wie niemand sonst mutig und stark und gut."

Vergebung ist teuer. Aber Vergebung ist ebenso unendlich wichtig. Und Vergebung hat eine ungeheure Kraft. Sie hat die revolutionäre Kraft, die Wirklichkeit zu verändern und zu heilen - die Wirklichkeit unserer Beziehungen. Und wer unter uns ein Nachfolger Jesu ist, besitzt durch Jesus Christus diese kostbare, tiefgreifende und revolutionäre Kraft. Sein Leben wird ein Echo auf Gottes vergebende Gnade. Wie das geschieht hören wir in unserem Predigttext aus dem Römerbrief des Apostels Paulus im 12. Kapitel:

Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
Ist's möglich, soviel an euch liegt,
so habt mit allen Menschen Frieden.
Rächt euch nicht selbst, meine Lieben,
sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.«
Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust,
so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln«.
Lass dich nicht vom Bösen überwinden,
sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Wirklich zu vergeben ist sehr schwer. Und, tatsächlich, es gibt viele Gründe, es nicht zu tun. Vergeben heißt nämlich zum anderen zu sagen: „Was du gesagt oder getan hast, hat mich wirklich und zutiefst verletzt, aber obwohl ich den Schmerz von dem spüre, was du getan hast, entscheide ich mich, dich von der Strafe zu befreien. Du verdienst eigentlich meinen Zorn, aber stattdessen befreie ich dich von deiner Schuld." Und genau hier ist auch das Problem der Vergebung, weshalb viele es gar nicht probieren mögen: Die Kosten sind zu hoch. Denn wer vergeben will, muss sich entscheiden zum Verzicht auf etwas, was ihm kostbar ist: Nicht ein Schmuckstück oder einen Diamantring, sondern einen Teil von sich selbst, nämlich seinen Stolz, entweder in der Gestalt seines Gerechtigkeitsempfindens oder als sein Wunsch nach Rache.

Und damit jemand sich zur Vergebungsbereitschaft durchringen kann, ist es wichtig, dass er zwei Dinge über Vergebung begreift: Nämlich erstens ihre Wichtigkeit und zweitens ihre Kraft.

1. Ohne Vergebung geht es nicht!

Die Gemeindepädagogin will am Ende der Christenlehre sicherstellen, dass die Kinder das Stundenziel erfasst haben: "Also, nochmal: Was müsst ihr tun, um nach dem Sündigen Vergebung bekommen zu können?" Nach kurzer Stille ein Stimmchen von ganz hinten: "Sündigen!"

Ich glaube gar nicht, dass hier unser Problem ist. Das Sündigen müssen wir uns nicht vornehmen. Da wird heutzutage immer betont, wie unterschiedlichen die Menschen sind. Als wäre diese Unterschiedlichkeit unsere einzige Gemeinsamkeit. Aber wir haben viel mehr gemeinsam: Wir müssen alle essen. Wir alle brauchen Wohnung und Kleidung. Wir alle sehnen uns danach, Liebe zu geben und zu empfangen. Und – na klar - wir alle sündigen.

Was heißt das? „Zu sündigen bedeutet, zu tun, was Gott beleidigt. Wir alle haben Gott beleidigt. „Denn alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verfehlt“ [Röm 3, 23]

Zwei Brüder gehen zu ihrem Rabbi, um einen langjährigen Konflikt beizulegen. Endlich bringt sie der Rabbi dazu, sich zu versöhnen und einander die Hand zu geben. Bevor sie gehen, bittet er jeden, dem anderen anlässlich des jüdischen Neujahrs etwas zu wünschen. Der erste Bruder wendet sich dem anderen zu und sagt "Ich wünsche dir genau das, was du mir wünschst." Darauf der zweite zum Rabbi: "Sehen Sie, Rabbi, wie gemein, schon wieder wünscht er mir Böses!"

So sind wir. Wir alle sündigen. Aber wenn wir Nachfolger Jesu Christi sind, wenn wir Jesus durch den Glauben angenommen haben und unser Vertrauen auf seinen Sühnetod am Kreuz setzen, dann ist uns jede Sünde vergeben, die wir uns jemals vorstellen können oder die wir jemals begangen haben. Wir sind eingehüllt in Gottes unendliche Vergebung. Wir leben vor Gott in einer neuen sündenfreien Realität. Und sollen seine Vergebung nun auch weitergeben an andere.

Aber sofort kommt unser Einwand: "Aber er ist ja Gott, der mir vergibt. Ich bin nur ein Mensch. Ich kann einem anderen sein Vergehen gegen mich niemals verzeihen! " Und als ob Jesus wusste, dass wir diesen Einwand haben würden, sagt er uns
(Joh 20, 23 a) "Wenn ihr jemandem seine Sünden vergebt, sind sie vergeben". Und (Matth 6, 14 f): Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“

Die Wahrheit ist also, dass Gott uns Christen tatsächlich die Gnade schenken will, vergeben zu können. Und umgekehrt, dass uns nicht vergeben wird, wenn wir anderen nicht vergeben.

Das ist von entscheidender Wichtigkeit auch für das Wachstum unserer Gemeinden. Vergeben ist nicht freiwillig, keine Zusatzaufgabe oder ein Bonusprogramm. Wenn wir wachsen wollen als Einzelne und als Gemeinschaft, dann müssen wir tun, was Gott uns aufträgt und annehmen, was Gott uns schenkt.

Wenn wir anderen vergeben, ist dies ein Beweis dafür, dass wir angenommen haben, wie sehr Gott uns vergeben hat. Wenn wir anderen vergeben, wird uns immer klarer, wie wunderbar und unverzichtbar das Geschenk der Vergebung ist, das wir selbst von Gott erhalten haben und immer wieder neu bekommen.

Wenn wir eine Gemeinschaft von Menschen werden, die vergeben, dann verliert unsere Vergangenheit ihren Würgegriff im Heute. Wir können Jesus nachfolgen, ohne dass das Geröll unserer Bitterkeit und des Grollens jede andere liebevolle Absicht und Tat erstickt.

Wir haben also gesehen, wie wichtig es ist, anderen zu vergeben. Für diese in jedem Fall. Aber auch zu allererst für uns. Gott schenkt uns die Kraft dazu und nimmt uns die Rache aus der Hand. Wie und mit Jesus sollen wir das Böse mit Gutem überwinden.

2. Mit Vergebung geht unendlich viel!

Es gibt eine spanische Geschichte von einem Vater und einem Sohn, die sich entfremdet hatten. Der Sohn rannte weg und der Vater machte sich auf den Weg, um ihn zu finden. Er suchte monatelang ohne Erfolg. In einer letzten verzweifelten Anstrengung, ihn zu finden, schaltete der Vater schließlich eine Anzeige in einer Madrider Zeitung. Die Anzeige lautete: Lieber Paco, triff mich am Samstagmittag vor diesem Zeitungsbüro. Alles ist vergeben. Ich liebe dich. Dein Vater. Am Samstag tauchten 800 Pacos auf und suchten Vergebung und Liebe von ihren Vätern.

Vergebung heilt Beziehungen. Und zwar Beziehungen von der oberflächlichen Freundschaft über die Gemeindebekanntschaften bis hin zur langjährigen Ehe. Alle Beziehungen gedeihen, wenn man sie mit Vergebung düngt: Denn Vergebung gibt uns die Freiheit, unperfekt sein zu dürfen. Und weil wir nun einmal unperfekte Menschen sind, ermöglicht uns Vergebung, ehrlich und wahrhaftig sein zu können im Umgang miteinander.

Das Gegenteil davon ist Unehrlichkeit, die uns nach und nach voneinander trennt und entfernt. Wer anderen etwas vorspielen muss, der wird sich zurückziehen, weil das Zusammensein ihn auf Dauer zu sehr anstrengt. Gemeinde bedeutet, dass wir uns durch Vergebung gegenseitig die Freiheit geben, wir selbst zu sein, mit Ecken und Kanten, Runzeln und Unvollkommenheiten, schwachen Momente und ebenso den Stärken und Schönheiten.

Vergebung befreit uns von Fesseln der Vergangenheit.
Brigadegeneral Lee, der Sohn des Helden aus dem Unabhängigkeitskrieg, besuchte nach dem Krieg eine Frau aus Kentucky. Sie brachte ihn zu den Überresten eines riesigen, großen alten Baumes vor ihrem Haus.
Sie stand da und weinte - bitterlich klagend, dass Äste und Stamm zerstört worden waren vom Artilleriefeuer der Truppen des Nordens. Sie blickte zu Lee und erwartete, dass er etwas Schlechtes über den Norden sagen oder zumindest Verständnis für sie äußern würde. Aber nach nur einer kurzen Pause sagte Lee: "Sägen Sie ihn ab, Verehrte, und vergessen Sie ihn." Es ist besser, die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit zu vergeben, als sie über uns bestimmen zu lassen, die Bitterkeit Wurzeln schlagen zu lassen, dass sie uns den Rest unseres Lebens vergiftet.

Wir pflegen manchmal gerne unsern Groll, nicht wahr? „Der und der hat mir dies und das angetan. Und das auch noch.“ Manchmal handelt es sich um kleine Vergehen, manchmal um große. Und wir sind Opfer geworden. Unser Leben wurde durch die Handlungen eines anderen zum Schlechten verändert. Und es ist ganz normal, über das Geschehene nachzudenken und sich Racheszenarien auszudenken, in denen wir es dem Anderen „heimzahlen“.

Und doch, wenn wir nicht ziemlich schnell aus diesem Geisteshaltung herauskommen, wenn wir in unserer Wut und Bitterkeit stecken bleiben – wer wird daran zu leiden haben? Wir selbst! Wir. Wir werden leiden.

Unser Heute ist betroffen und unser Morgen ist betroffen und wir sind an unsere eigene Bitterkeit gebunden. Wenn wir nicht vergeben - wenn wir nicht nach Gottes Kraft und Gnade suchen, damit wir vergeben können - leiden wir selbst. Wir sind „nachtragend“, d. h. wir selbst tragen den Schmerz in unsere Zukunft. Bitterkeit schlägt Wurzeln und vergiftet den Rest unseres Lebens, wie Lee gesagt hat.

Die Kraft der Vergebung besteht darin, dass wir uns vorwärtsbewegen und ein Leben führen können, das nicht von der Vergangenheit erstickt wird. Jesus möchte, dass wir das Leben in Fülle haben. Erfülltes Leben ist möglich, wenn wir die Vergangenheit loslassen. Und wenn wir durch die Vergebung einen neuen Raum zum Leben öffnen – für uns und andere.
Bitten wir Gott um Heilung unserer Erinnerungen! Bitten wir immer wieder bewusst: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“!

Woher der Ausdruck „du wirst feurigen Kohlen auf sein Haupt sammeln“ stammt, ist nicht ganz klar, klar ist aber, was er meint: dass für den anderen Umkehr möglich wird. Versuchen wir, ehrlich für den anderen zu beten!
Erinnern wir uns an alle guten Taten, die unser Leben reich gemacht haben, vielleicht auch und gerade von der Person, die uns jetzt verletzt hat.

Gott selbst ist der Herr über alle Menschen. Er wird das Unrecht berichtigen und Gerechtigkeit herstellen. Weil das unser Glaube ist, bringen wir ihm die Schuld, die wir getan haben - und auch die, die wir erleiden mussten. Er macht es gut mit unserer Schuld und vergibt uns. Durch ihn können wir dies göttliche Werk ebenfalls tun und dadurch die Welt verändern. Ohne Vergebung geht es nicht. Aber mit Vergebung geht unendlich viel. Gott segne uns auf diesem Weg!

Amen

Verfasser: Pfarrer Johannes Reinhardt, Hauptstraße 100, 99846 Seebach


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