Böses mit Gutem überwinden
von
Predigtdatum
:
13.07.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
3. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Römer 12,17-21
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Wochenspruch:
"Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." (Galater 6, 2)
Psalm: 42, 2 - 12
Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 50, 15 - 21
Epistel: Römer 14, 10 - 13
Evangelium: Lukas 6, 36 - 42
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 449, 1 – 4 Die güldne Sonne voll Freud und Wonne
Wochenlied: EG 428, 1 – 5 oder EG 495, 1 – 4 Komm in unsre stolze Welt oder
O Gott, du frommer Gott
Predigtlied: EG 430, 1 – 4 Gib Frieden, Herr, gib Frieden
Schlusslied: EG 436 Herr, gib uns deinen Frieden
Hinführung
Ab Kapitel 12 beschreibt Paulus im Römerbrief die Chancen christlichen Lebens als Gemeinde. Im Leben, das von der Auferstehung Jesu bestimmt ist, haben die Christen die Chance zum Frieden und zum Sieg über Böses mit Gutem. Die Imperative sind Einladungen!Die Rache Gott zu überlassen ist so nicht nur Zumutung, sondern Chance zum Leben.
Das neue Leben der Christen geschieht in den Spuren der hebräischen Bibel, der alten jüdischen Tradition. „Die Rache ist mein, spricht der Herr.“, steht im 5. Buch Mose!!(5. Mose 32, 35).
Und das Wort von den feurigen Kohlen, die man sammelt, indem man seinem Feind nötiges Gutes tut, ist ein Sprich-wort aus dem Buch der Sprüche (Sprüche 25, 21.22).
Trotzdem lebt man oft nicht so. Rache scheint süß. Und wir haben Angst, Verzeihung könnte mit Schwäche verwechselt werden. Die Anerkennung des Gegners als Menschen, der auch Achtung nötig hat, widerspricht oft unseren Gefühlen.
Der Dichter Conrad Ferdinand Meyer hat ein berühmtes Ge-dicht verfasst: „Die Füße im Feuer“. Der Edelmann, der da-rauf verzichtet, den Mörder seiner Frau zu erschlagen, hat nach dieser Nacht weiße Haare. (Im Internet z. B. unter: http://meister.igl.uni-freiburg.de/gedichte/mey_cf10.html). Es zeigt die Spannung im Menschen und die Zumutung, die der Verzicht auf Rache bedeuten kann, sehr genau. Das Sprichwort wird konkret in der Geschichte von Elisa, 2. Kö-nige 6, illustriert. Die Erzählung von Phyllis und Aisha möch-te Mut machen.
Gliederung
1. Feurige Kohlen
2. Lass dich nicht vom Bösen überwinden…
3. Sollen wir „Gutmenschen“ sein?
4. Rächt euch nicht selbst!
5. Erzählung von Elisa?
6. Phyllis und Aisha
Ziel
Einladung zum Leben aus der Auferstehung
Predigt
(1. Feurige Kohlen)
Liebe Gemeinde,
„Damit wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“ Wissen Sie, was da gemeint ist? Man kann es sich ja nicht wirklich vorstellen: glühende Kohlen auf dem Kopf eines Menschen! Paulus zitiert hier ein Sprichwort aus dem Buch der Sprüche(1): Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brot, dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser, denn du wirst feurige Kohlen auf sein Haupt häufen, und der Herr wird dir’s ver-gelten.
Ich glaube nicht, dass Paulus wirklich wusste, WIE das ge-schehen soll: „Glühende Kohlen auf dem Haupt eines Men-schen. Aber WAS damit gemeint ist, weiß Paulus. Wenn dei-nen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Anstatt sich rächen, anstatt drein schlagen – den anderen leben lassen, ja sogar dem anderen zum Leben helfen. Das schlägt Paulus vor – und sagt: „Damit wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“
Der Gegner wird dann nämlich sehr erstaunt sein. Im ersten Augenblick sogar erschrocken. Und – beschämt. Dafür sind die „feurigen Kohlen“ auf dem Kopf ein sprechendes Bild. Denn damit hat er nicht gerechnet, dass sein Gegner ihm beisteht. Unangenehm ist es wohl alle Mal. Peinlich, so Lügen gestraft zu werden. Aber wichtig ist Paulus etwas anderes im Bild der „feurigen Kohlen“: Jetzt kann etwas Neues beginnen. Du wirst feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.
Das ist auf jeden Fall besser, als selbst zurückzuschlagen – oder sich zu freuen, wie der Gegner, der Feind(!), leidet.
(2. Lass dich nicht vom Bösen überwinden…)
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“
So fasst Paulus unseren Predigtabschnitt zusammen. Viele haben das Wort im Ohr. (An einem Sonntag im Herbst ist es auch Wochenspruch. Vor ein paar Jahren war es Jahres-losung.) Man kennt das Wort so gut, dass man in der Kirche kaum wagt, zu widersprechen. Aber der Widerspruch ist nötig. Wir trauen uns zwar nicht, es zu sagen. Aber wir wis-sen es doch: Das kann doch niemand! „Überwinde das Böse mit Gutem!“
Es ist schön, wenn es gelingt. Aber oft gelingt es nicht. Und schnell meint man, man müsste sich alles gefallen lassen. Und wo komme ich da hin?
Wo man da hinkommt, wenn man zurückschlägt und sich rächt – das wissen wir eigentlich. Zum Beispiel sind wir doch froh, dass es bei uns keine Blutrache (mehr) gibt. An-dererseits: dass ein Mensch lernt, sich zu wehren, das ist lebenswichtig! Sonst wird er nur schamlos ausgenützt. Das lernen schon ganz kleine Kinder.
Nur: Paulus sagt: Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
Und er macht sogar noch weiter: Habt den anderen Men-schen gegenüber stets nur Gutes im Sinn. Lebt mit allen Menschen in Frieden – soweit das möglich ist und es an euch liegt.
Wir merken: der Widerspruch bleibt – und ist nicht einfach aufzulösen. Wenn mir Böses geschieht, dann habe ich zuerst den Wunsch, mich selbst zu rächen. Selbst wenn ich glaube, dass Paulus zum Leben einlädt, und deshalb versuche, seine Mahnung zu beherzigen.
(3. Sollen wir „Gutmenschen“ sein?)
Wer für Frieden und Versöhnung eintritt, wird schnell als „Gutmensch“ belächelt oder sogar beschimpft. Man sagt: Unsere Welt ist nicht so, wie wir sie gerne hätten. Jeder muss zuerst an sich selbst denken. Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen.
Wer so redet, bekommt oft recht. Und dann heißt es: „Ich habe es dir doch gleich gesagt, wo man da hin kommt, wenn du nicht einfach auf deinem Recht bestehst und vor allem zurückgibst, was man dir antut. Wie du mir, so ich dir“.
Sind Christen „Gutmenschen“?
Sind sie harmlose Spinner?
Kennt Paulus die Welt und das Leben nicht?
Die Mahnungen, die Paulus nach Rom schreibt, sind nicht harmlos. Paulus lädt ein, Böses nicht mit Bösem zu vergelten und sich nicht vom Bösen besiegen zulassen. Wie kann er das? ER kann es, weil er daran glaubt, dass Gott selbst dem Frieden und dem Guten dient. Wir sind von Gott geachtet und anerkannt – unverdient. Deshalb können wir auch den anderen anerkennen und dem Frieden dienen. Wir leben von Gottes Güte! Deshalb können wir selbst Güte weitergeben.
Wir werden oft erleben, dass es misslingt.
Wir werden oft erleben, dass der Preis hoch ist.
Aber Gott selbst beschenkt uns mit Anerkennung und Ver-zeihung. Deshalb versuchen Christen in den Spuren Jesu Böses zu besiegen. Böses in sich selbst – und auch im Gro-ßen.
(4. Rächt euch nicht selbst!)
Paulus erinnert darin auch an eine alte biblische Weisheit. Deshalb kann er sagen: Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt dem Zorn Gottes Raum. Im 5. Buch Mose(2) ist zu lesen: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« Was meint das? Das Urteil über uns Menschen ist Gottes Sache. Er wird Unrecht vergelten. Er ist der Richter. Ich werde also um mein Recht kämpfen, aber das Urteil Gott überlassen. Ich muss mich nicht selbst rächen. Rache ist nicht süß.
(5. Erzählung von Elisa)
Im 2. Buch der Könige(3) wird vom Propheten Elisa eine Ge-schichte erzählt.
Es ist ihm gelungen, die Feinde zu täuschen und sie mitten in die Stadt zu führen. Dort sind sie dem König ausgeliefert.
Der König fragt Elisa: »Mein Vater, soll ich sie töten?«
Elisa antwortet: »Du sollst sie nicht töten. Erschlägst du denn deine Gefangenen? Mache ein Mahl. Gib ihnen Brot zu essen und Wasser zu trinken.« »Und dann?« fragt der König. Elisa antwortet: »Wenn sie satt sind, dann gib sie frei und lass sie heim zu ihrem König ziehen.«
Festmahl statt Blutbad. Das ist der Rat des Weisen – und so geschieht es. Es wird ein großes Mahl bereitet. Und als sie alle satt sind, da lässt der König von Samaria die Feinde heimziehen zu ihrem Herrn, dem König von Aram. Am Ende heißt es: Seitdem kamen streifende Rotten der Aramäer nicht mehr ins Land Israel.
Diese Geschichte erzählt genau das Wort von den glühenden Kohlen:
„Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“
(6. Phyllis und Aisha)
Ich will noch eine Begebenheit berichten, die Geschichte von Phyllis und Aisha.
Beide sind Mütter. Phyllis hatte einen Sohn: Greg. 35 Jahre war er alt. Er hat im World Trade Center in New York gear-beitet, im 103. Stockwerk. Am 11. September 2001 ist er dort verbrannt, zusammen mit beinahe 3000 anderen Men-schen.
Aisha hat auch einen Sohn, Zacarias. Der sitzt jetzt im Ge-fängnis. Er hatte sich für diese Attentate vorbereitet, wollte eigentlich mitmachen. Aber ein paar Tage vorher ist er er-tappt worden und verhaftet worden. Seine Mutter Aisha hat-te von seinen Taten nichts gewusst. Sie hatte schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt.
Sie schämte sich für ihren Sohn. Sie wollte Angehörige von Menschen kennenlernen, die durch die Attentate gestorben sind. Sie wollte ihnen ihr Mitgefühl ausdrücken. So fand sie Phyllis. Die beiden lernten sich kennen. Sie erzählten einan-der von ihren Söhnen. Sie weinten miteinander. Im Laufe der Zeit wurden sie zu Freundinnen.
Und dann kam der Gerichtsprozess gegen Zacarias. Der Staatsanwalt plädierte auf Todesstrafe. Aber 35 Angehörige von Opfern wurden zu Fürsprechern für ihn. Er war ja nicht beteiligt, plädierten sie. Er war ja schon im Gefängnis, als die Attentate passiert sind. Und außerdem: Unsere Angehörigen werden dadurch nicht wieder lebendig, dass er stirbt. Vergeltung hilft niemandem. Was wir brauchen, ist Versöh-nung.
Auch Gregs Vater hat ein solches Plädoyer gehalten. Dieser Einsatz hatte Erfolg. Zacarias blieb am Leben. Er hat jetzt eine lebenslange Gefängnisstrafe. Und seine Mütter arbeiten miteinander für Versöhnung, nicht nur in ihrem privaten Umfeld, sondern auch in der Öffentlichkeit.
Vor ein paar Jahren haben sie beide dafür einen Preis be-kommen. Zwei Frauen, die gegen die Feindschaft arbeiten und für den Frieden. Leicht ist es nicht. Harmlos ist es nicht. Man wird nicht von allen dafür gelobt. Ganz im Gegenteil. Trotzdem ist es möglich. Diese beiden machen es vor. Und es tut gut, von ihrer Geschichte zu wissen.(4)
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Es ist wichtig, dass wir einander gelingende Beispiele dafür erzählen. Es ist nötig, dass wir einander ermutigen.
Amen.
Gebet zum Eingang
Du Gott voller Güte,
wir kommen heute vor dich in diesen Gottesdienst.
Wir wollen Ruhe finden vor dir und auf dich hören.
Gott, du bist voller Liebe und Barmherzigkeit,
wie Jesus es uns gezeigt hat.
Von deiner Barmherzigkeit wollen wir lernen,
und wünschen uns oft, dass Versöhnung möglich ist.
Wir bitten dich:
Lass uns etwas spüren von deiner Liebe,
erfülle damit unser Herz
und lass uns aus dieser Liebe heraus
mit anderen Menschen leben.
Amen.
Nach: Feministisch Predigen 2005/2006, S. 241
Fürbittengebet
Lasst uns im Frieden den Herrn anrufen
um den Frieden, der von oben kommt:
um das Heil unserer Seele
und den Frieden der ganzen Welt.
um den Lauf des Evangeliums unter den Völkern,
Lasst uns den Herrn anrufen: Kyrie 178.12
Für die Bewahrung seiner Kirche
und die Einigkeit unter allen Christen;
für dieses sein Haus,
und alle, die sich in ihm versammeln;
für alle die den Dienst des Wortes tun, dass sie das Wort der Wahrheit recht lehren,
für die ganze christliche Gemeinde und alle, die ihr dienen in der Leitung und in der Arbeit der Liebe;
Lasst uns den Herrn anrufen: Kyrie 178.12
Für unsere Regierung, dass Gott sie leite und wir unter
ihrem Schutz ein friedliches und verantwortliches Leben füh-ren,
für diesen Ort, für das ganze Land,
für unsere Welt und alle, die darin wohnen;
um Gottes Segen für alle Arbeit und Mühe,
um Gesundheit der Luft und Reinheit des Wassers,
um Fruchtbarkeit der Erde und friedliche Zeiten;
Lasst uns den Herrn anrufen: Kyrie 178.12
Für die Armen, Heimatlosen und Gefangenen,
für die Betrübten und Angefochtenen,
Kranken und Sterbenden und für ihr Heil,
und dass Gott ((uns)) aus aller Trübsal, Gewalt, Gefahr und Not errette
und uns, wenn unsere Stunde kommt, im Frieden heimhole;
Lasst uns den Herrn anrufen: Kyrie 178.12
Lasset uns beten für alle Menschen
gerade auch für die Regierenden
und die sich als solche aufspielen
für George Bush und bin Laden
für Ariel Sharon und Arafat
für alle die leiden machen
und vor allem für ihre Opfer
Dass Gewalt, Krieg und Terror ein Ende finden
und allen Menschen geholfen werde.
Lasst uns den Herrn anrufen: Kyrie 178.12
Nimm dich unser gnädig an,
rette und erhalte uns.
dir allein gebührt Ruhm, Ehre und Anbetung,
dir, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen
Nach Chrysostomus
Verfasser: Dekan i. R. Eberhard Dieterich
Eugen-Gaus-Straße 30, 89518 Heidenheim
Anmerkungen
(1) Sprüche 25, 21.22
(2) 32, 35
(3) 2. Könige 6
(4) Am 03.10.2007 haben die beiden Frauen die Berliner Quadriga bekommen. Berichte darüber und über ihr „forgiveness-project“ gab es in der Tagespresse (z. B. in der Berliner Morgenpost vom 9. September 2007) und im Rundfunk. Diverse Berichte sind auch im Internet nachzulesen.
Zitiert nach einer Predigt von Pfarrerin Gabriele Koenigs, am 15.06.2006 in der evangelischen Stadtkirche Bad Wildbad.
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Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
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