Menü

Brot des Lebens

von Ulrich Weisgerber (55578 Wallertheim )

Predigtdatum : 22.03.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Okuli
Textstelle : Johannes 12,20-26
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12, 24)

Psalm: 84 (EG 734)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 54, 7 – 10
Epistel:
2. Korinther 1, 3 – 7
Evangelium:
Johannes 12, 20 - 26

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 78
Jesu Kreuz, Leiden und Pein
Wochenlied:
EG 98 oder EG 396
Korn, das in die Erde oder: Jesu, meine Freude
Predigtlied:
EG 546
Wer leben will wie Gott auf dieser Erde
Schlusslied:
EG 66, 8
Jesus ist kommen

Hinführung zur Predigt:
Dieser Abschnitt aus dem 12. Kapitel des Johannes-Evange-liums ist nur aus seinem größeren Zusammenhang heraus und im Rahmen der besonderen Darstellung Jesu im Vierten Evangeliums zu verstehen. Die öffentliche Auseinandersetzung um und mit Jesus ist im Grunde entschieden; Jesus zieht sich trotz des Aufsehen erregenden Einzugs in Jerusalem eher nach innen zurück. Er spricht zu seinen Jüngern; die „Griechen“, die anfangs der Perikope erwähnt werden, tauchen gar nicht mehr auf. Ihre Anfrage läuft ins Leere.
In den Sprüchen, die der Evangelist aneinander reiht, lässt er Jesus wohl über sich selbst und seinen Weg sprechen: das Weizenkorn, das versinkt und „stirbt“ und anschließend neues Leben bringt. Das ist deutlich anders als im synoptischen Gleichnis vom Sämann, in dem Gottes Wort mit dem Samen verglichen wird. Hier, bei Johannes, ist es Christus selbst, der bei Johannes als „Wort“ bezeichnet wird. (Joh 1). Und dieses Bild vom Weizenkorn ermöglicht es, Karfreitag und Ostern zusammen zu sehen, wie es auch im Lied EG 98 der Fall ist: „Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt“.
Der 4. Sonntag der Passionszeit, „Laetare“ („Freue dich!“), gilt ja auch als kleines vorweggenommenes Osterfest. Dies kommt im zweiten vorgeschlagenen Lied EG 396 „Jesu, meine Freude“ zum Ausdruck.
Wer über diesen Text predigt, wird sich zu entscheiden haben, wie viele Hintergrundinformationen die Gemeinde wohl braucht, wie viel Gewicht auf eine seelsorgliche Ausdeutung der Wortes Jesu vom Lieben und „Hassen“ des Lebens zu legen ist. Jedenfalls darf die Predigt nicht in der Weltflucht enden.

Liebe Gemeinde, der heutige Predigttext nimmt uns mit in die Stadt Jerusalem, wenige Tage vor dem Kreuzestod Jesu. Vom letzten Passahfest, das Jesus mitfeiert, ist da die Rede.

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 21 Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen. 22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen's Jesus weiter. 23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. 25 Wer sein Leben liebhat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben. 26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

Liebe Gemeinde!
Zwei Plakate könnten wir beschreiben und hochhalten. Sie würden uns die Dramatik anzeigen, in die unser Predigttext gehört; ein Predigttext, der so unscheinbar daherkommt mit seinem Hinweis auf ein paar Griechen, die zum Fest gekommen waren und gern Jesus sehen wollten.
Auf dem einen Plakat stünde:
Gesucht: Jesus aus Nazareth. Wer sachdienliche Hinweise geben kann, die zur Ergreifung Jesu führen, soll sich melden, damit dieser Mensch festgesetzt werden kann.
Und, als Argument hinterher geschoben:
Besser, ein Mensch stirbt, als dass das ganze Volk draufgeht, weil nämlich die römische Besatzungsmacht kurzen Prozess machen würde …
Dieses Plakat gibt den Standpunkt der jüdischen Führungsschicht wieder. Sie hatte entschieden: wir wollen Jesus töten (Joh 11).
Auf dem anderen Plakat stünde: „Leben, Wahrheit, Auferstehung, den Weg zu Gott – das findet ihr bei mir und nur bei mir.“
Und, als Argument hinterher geschoben: an Lazarus, meinem verstorbenen Freund, habe ich es gezeigt: aus der Grabeshöhle habe ich ihn gerufen, zurück ins Leben!
Dieses Plakat verdankten wir Jesus, in Worte gefasst und verbreitet von seinen Anhängern.
Es brodelte gewaltig. Damals.
Und wir haben es im Johannesevangelium mit sehr plakativen Aussagen zu tun.
Je weiter Jesus sich vorwagte, desto heftiger die Reaktion seiner Gegner.
„Ich bin die Auferstehung und das Leben …“ – „Dieser Mann muss sterben …“
Nach der Androhung der Festnahme, nach dem öffentlichen Aufruf, ihn zu denunzieren bei der Obrigkeit, hatte Jesus sich ja erst mal zurückgezogen und versteckt, ohne öffentliche Auftritte.
Dann aber kam das Passahfest, das an die Befreiung aus der Sklaverei erinnert.
Und im Volk wurde spekuliert: wird er sich zeigen? Wird er zum Fest kommen? Wird er sich in die Höhle des Löwen wagen?
Er tat es, und sein Einzug wurde gefeiert und bejubelt.
Das Volk war offenbar so intensiv auf der Seite Jesu, dass einige Leute, die bis dahin alles genau verfolgt hatten, sagten: „Gegen den, gegen Jesus, könnt ihr nichts ausrichten. Guckt doch bloß! Alle Welt läuft ihm nach!“
Es sind einige der Gegner Jesu, liebe Gemeinde, die da zu Wort kommen. Der Evangelist notiert diese Beobachtung unmittelbar vor unserem Predigttext.
Nun, von wegen: „alle Welt läuft ihm nach!“ – das ist natürlich übertrieben und soll heute auch keine falschen Sehnsüchte wecken angesichts bisweilen mäßigen Erfolges und Zustromes, wenn „die Kirche“ ruft.
Alle Welt läuft ihm nach – das war, statistisch gesehen, noch nie der Fall.
Aber: für Momente sah es so aus; beim umjubelten Einzug Jesu in Jerusalem.
Da schien es, jedenfalls für seine Gegner, als ob „alle Welt“ ihm hinterherliefe.
Wer neigt zu solchen Übertreibungen?
Wer resigniert und klagt, oder wer sich eindeutig im Recht sieht oder davon überzeugt ist: ich bin den anderen haushoch überlegen.
Wir kennen das vermutlich:
„Es hat doch alles keinen Zweck“; „Niemand versteht mich“; „Ich bin ganz allein.“ „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan.“ – So spricht, wer drauf und dran ist, die Flinte ins Korn zu werfen.
„Ohne mich bricht das ganze System zusammen.“ „Ich bin nicht zu ersetzen. Wer soll die Arbeit denn machen, wenn nicht ich?“ – So spricht, wer sich selbst für äußerst wichtig hält und in dieser Auffassung von anderen auch noch bestärkt wird.
Das gibt’s im kleinen und im großen Rahmen – von den unentbehrlichen Familienmüttern, denen nichts gedankt wird, bis zu den Wirtschafts- und Politik-Kapitänen.
Die Pharisäer also sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
Und warum läuft „alle Welt“ Jesus nach?
Ist er denn ein Superstar, ein von den Medien gefeierter Held?
Zwei Begebenheiten, kurz vor unserem heutigen Predigttext berichtet, deuten in diese Richtung:
Jesus hat seinen verstorbenen Freund Lazarus wieder in das Leben geholt; und: Jesus zieht in Jerusalem ein, umjubelt von der Menschenmenge.
Und alle, die Jesu Wunderzeichen miterlebt haben – er hat Lazarus vom Tod erweckt – rühmen diese Tat Jesu.
Das veranlasst die Pharisäer, kluge und diskutierfreudige Menschen, tief verwurzelt in der jüdischen Religion, zu ihrer resignierenden Erkenntnis: „Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.“
Und Jesus geht seinen Weg. Früher, bei der Hochzeit zu Kana, seinem ersten Wunderzeichen, hatte er noch gesagt: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Aber jetzt.
Er macht es – offenbar entschlossen, das äußerste Risiko einzugehen, oder aber: seine Sache zum Ziel zu führen.
„Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.“
Das könnte klingen nach dem ultimativen Publikumserfolg. Jahre der Vorbereitung, auch Zeiten der Geheimhaltung, liegen nun hinter Jesus.
Aber er, Jesus, der gerade einen triumphalen Einzug in Jerusalem erlebt hat, scheint keinen Wert auf den äußeren Erfolg, die Anerkennung durch die Massen, zu legen.
Er kümmert sich um die Leute, die ihm am engsten verbunden sind. Als Medienstar, der von der Resonanz lebt und zusehen muss, dass er möglichst allen Leuten gut gefällt, wäre Jesus nicht geeignet.
Die höfliche Anfrage einiger Griechen, die nach Jerusalem gekommen waren zum Passahfest: sie möchten gern Jesus sehen; die scheint Jesus nicht zu interessieren. „Schaun wir mal“ – das ist jetzt nicht mehr angemessen.
Jetzt geht’s ums Ganze. Dazu passen die zuspitzenden Übertreibungen.
Er, der behauptet: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ spricht nun paradoxe, widersinnig klingende, plakative Sätze über das Leben:
„Wer sein Leben liebhat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben“ (V.25).
Was heißt das?
Das Johannesevangelium hat eine schlechte Meinung von der „Welt“ und stellt ihr das ewige Leben gegenüber.
Das ist eine wichtige Facette im christlichen Glauben: sich nicht an die Welt, ihre Ordnungen, ihr Maß und ihre Maßlosigkeit, ihre Genüsse, Werte, Spielregeln und Moden zu verlieren oder sich ihnen total auszuliefern. Auch nicht einem übersteigerten ICH zu dienen.
Sondern kritisch zu sein. Diese Kritikfähigkeit wurzelt in der Freiheit eines Christenmenschen, dem auf Erden nichts lieber ist als Jesus.
Sollte diese kritische Haltung zur „Welt“ aber in totale Weltflucht führen, in eine womöglich überhebliche Geringschätzung der Mitmenschen, dann geriete dies an die Grenze des christlichen Glaubens und hätte Jesus nicht mehr als Gewährsmann.
Wie aber können wir Jesu harten, zugespitzten Satz verstehen?
Vielleicht so: Wer sein Leben liebhat und erhalten will, sichern, absichern, ins Unendliche verlängern – nach dem Motto: Über das Altwerden können wir reden, wenn ich mal 85 bin –, der wird es verlieren.
Und: wer sein Leben auf dieser Welt nicht an die erste Stelle setzt; wer nicht sagt: „Hauptsache: Ich“ – der wird es erhalten zum ewigen Leben.
Von seinem, seinem eigenen Leben spricht Jesus hier, das er nicht krampfhaft festhält, sondern einsetzt.
Den Vergleich wählt er mit einem Weizenkorn, das als Samen, in die Erde gelegt, seine Aufgabe erfüllen kann:
Es verliert seine eigene Gestalt, es „stirbt“; aber was in ihm steckt, wächst zu einem Halm, der viele Körner tragen und somit Frucht bringen kann.
Welche Frucht ist da gemeint? Über welche Ernte können sich freuen, die Jesu Worten folgen? Die ihm dienen und darum vom himmlischen Vater geehrt werden?
Jede Überwindung von Ichbezogenheit, die das Leben der Menschen vergiftet.
Jede Anstiftung zum Beten: Dein Reich, Gott, soll kommen und sich ausbreiten, das Reich der Wahrheit und der Gerechtigkeit.
Jede Anstiftung zur Vergebung, die von Gott erbeten und unter den Menschen ebenfalls gewährt wird: „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“.
Jede Bereitschaft zur Hingabe, bei der nicht zuerst darauf geguckt wird: „Was habe ich davon? Komme ich auf meine Kosten?“
Jeder mutige Widerspruch gegen dumme und menschenverachtende Parolen.
Jedes Eintreten für Gott, der auf manchmal seltsamen Wegen die Menschen zur Liebe und in die Nachfolge ruft.
Jedes Sich-Bekennen zu Jesus, der in der Sprache der Tradition „Lamm“, „Bräutigam“ und „meine Freude“ genannt wird.
„Außer ihm soll uns auf Erden / nichts sonst Liebers werden“ (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 396).
Und, wer weiß – vielleicht gelingt es dann auch, die Menschen, die „Jesus sehen“ wollen, mit hinein zu nehmen in die Gemeinde und sie zu begleiten zum Glauben.
Den Jüngern Jesu gelang das damals nicht so recht mit den Griechen, die zum Fest gekommen waren, um anzubeten und um Jesus zu sehen.
Liebe Gemeinde, wir bedenken diesen Predigttext aus der Passionsgeschichte des Johannes-Evangeliums an einem Sonntag, der den Namen „Laetare“ trägt. „Freue dich!“ heißt das.
Dieser Sonntag ist ein Stück vorweggenommenes Osterfest. Denn das Weizenkorn, das in die Erde gegeben wird, trägt Früchte: „Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.“
Das Lied vom „Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt“ (EG 98) verbindet die Botschaft von Passion und Ostern miteinander.

Gebe Gott, dass wir von ihr angerührt und gestärkt werden in den Höhen und Tiefen unseres eigenen Lebens, dass wir bewahrt werden zum ewigen Leben.
Und der Friede …

Verfasser: Pfarrer Ulrich Weisgerber, Steggasse 15, 55578 Wallertheim

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).