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Brot des Lebens

von Wolfgang Hermann (56379 Geilnau)

Predigtdatum : 06.07.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 6. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 2. Mose 16,2-3.11-18
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Wochenspruch:

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
(Epheser 2,19)

Psalm: 107,1-9

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 16,2-3.11-18
Epistel:
Apostelgeschichte 2,41a.42-27
Evangelium:
Johannes 6,1-15

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 279
Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren
Wochenlied:
EG 221
oder EG 326
Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen
Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut
Predigtlied:
EG

Schlusslied:
EG 320,7-8
Wir bitten deine Güte

Hinführung:
Nachdem die Israeliten unter der Führung des Mose der ägyptischen Knechtschaft glücklich entkommen waren, liegt nun das harte Leben in der Wüste vor ihnen. Das bedeutet den Kampf mit Hunger und Durst. 2. Mose 16 erzählt, dass das Überleben möglich ist und dass gerade in der Wüste mit dem täglichen Brot – hier als Wachteln und Manna – Gott erfahren wird. Deshalb kann die archaische Erzählung Menschen aller Zeiten ansprechen; denn der Gegensatz von Überfluss – hier die „Fleischtöpfe Ägyptens“ – und Mangel prägt immer wieder das Leben Einzelner und ganzer Völker.
Der Predigttext ist eine Kurzfassung des spannenden Kapitels und klammert das Problem des Sabbats aus, an dem Israel nicht arbeiten, also auch kein Manna sammeln darf. Empfohlen sei allerdings, den Predigttext um die Verse 19-21 zu erweitern; sie erhellen drastisch, was „tägliches“ Brot bedeutet: „Für heute“ ist genug.
Jesus hat die Bitte um das tägliche Brot genau in die Mitte des Vaterunsers gestellt und legt sie in den schönen Worten über das Schätzesammeln und das Sorgen aus (Mt. 6,19-34): „Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ Diese Gelassenheit gründet im Gottvertrauen; sie steht in dauerndem Konflikt mit dem menschlichen Egoismus und der Habgier. Das sollte nicht ausgeklammert werden. – Als Lied bietet sich EG 171 an: „Bewahre uns Gott, ... sei Quelle und Brot in Wüstennot.“

2 Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. 3 Und sie sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, daß ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben laßt.
11 Und der HERR sprach zu Mose: 12 Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, daß ich, der HERR, euer Gott bin.
13 Und am Abend kamen a Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager. 14 Und als der Tau weg war, siehe, da lag's in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. 15 Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wußten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat. 16 Das ist's aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte.
17 Und die Israeliten taten's und sammelten, einer viel, der andere wenig. 18 Aber als man's nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte. [19 Und Mose sprach zu ihnen: Niemand lasse etwas davon übrig bis zum nächsten Morgen. 20 Aber sie gehorchten Mose nicht. Und etliche ließen davon übrig bis zum nächsten Morgen; da wurde es voller Würmer und stinkend. Und Mose wurde zornig auf sie. 21 Sie sammelten aber alle Morgen, soviel ein jeder zum Essen brauchte. Wenn aber die Sonne heiß schien, zerschmolz es.]

Liebe Gemeinde!
1
Der Predigttext wird uns an einen ziemlich ungemütlichen Ort führen: in die Wüste. Dort werden wir die alten Israeliten treffen. Unter der Führung des Mose waren sie glücklich der ägyptischen Sklaverei entkommen. Nun befinden sie sich am Anfang ihres langen Marsches in das Gelobte Land. Auf diesem beschwerlichen Weg, so die Überlieferung, wurden die Grundlagen des Gottesglaubens gelegt. Deshalb sagt ein jüdisches Wort: „Jede Generation soll so leben als sei sie selbst es, die aus der Sklaverei in die Freiheit gezogen ist.“ Denn jede Generation hat ihre eigene Unfreiheit und ihre eigenen Sklaventreiber. Seit wir denken können, lebt die Menschheit in einer Welt der Ungerechtigkeit und Gewalt und kennt deshalb immer wieder Rebellionen und Aufbrüche in die Freiheit. Manchmal fallen eiserne Vorhänge und Mauern in sich zusammen wie im Jahr 1989. – Manchmal führt der Weg in die Freiheit über das Meer, wie ihn seit Jahren der Flüchtlingsstrom aus dem afrikanischen Elend nach Europa nimmt. Doch wer den Weg der Verzweiflung überlebt, hat damit noch keineswegs das Gelobte Land erreicht.
Das lehrt die biblische Geschichte vom Auszug der Kinder Israels aus Ägypten. Die geflohenen hebräischen Sklaven hatten glücklich das Schilfmeer durchquert. Für’s Erste waren sie gerettet. Das bedeutete allerdings nichts anderes als den Beginn einer vierzigjährigen Wüstenwanderung voller Entbehrungen und tödlicher Gefahren. Die Generation der Geretteten wird das Gelobte Land nicht erreichen. Erst ihre Nachkommen überqueren den Jordan. Den Entkommenen bleibt der Überlebenskampf in der Wüste. Das ist in vieler Hinsicht vergleichbar dem Kampf der heutigen Flüchtlinge aus den Hungerländern um Anerkennung und um ein menschenwürdiges Leben in ihrem Gelobten Land, in Europa.
Doch bleiben wir bei Mose und den Israeliten. In harten Lektionen lernen sie zweierlei: Das Überleben in der harten Welt der Wüste und – mühsam genug – ihrem Gott auf Biegen und Brechen, im Leben und im Sterben, zu vertrauen. Gott aber ist unsichtbar. In der sichtbaren Welt steht Mose für ihn ein. Er trägt damit eine gigantische Last. Das körperliche Wohl und das geistige Heil seines Volkes ruhen auf seinen Schultern. Da hören wir:

2
(An dieser Stelle sollte der Predigttext gelesen werden.)

3
Der Diktatur Pharaos waren die Israeliten entkommen, aber nun sitzen sie in der Wüste fest. Eine, gelinde gesagt, unbequeme Situation. Anders als moderne Abenteurer, die in einer unwirtlichen Gegend für viel Geld ein Überlebenstraining absolvieren, waren die Flüchtlinge plötzlich aus dem gewohnten Leben herausgerissen. Auf die harten Lebensbedingungen der Wüste waren sie kaum vorbereitet. Die mitgenommenen Vorräte hatten sie nach ein paar Tagen verbraucht. Und nun? „Was ist das für eine Freiheit, die ins Verhungern führt? Da war es in Ägypten dann doch allemal besser“, murren sie, „als wir bei den Fleischtöpfen saßen und Brot und Fülle hatten.“ Sie sind enttäuscht. „So hatten wir uns das nicht vorgestellt!“ Die Freiheit zeigt ein hartes Gesicht; ihr Preis ist offenbar hoch. Ist er zu hoch?
„Es murrte die ganze Gemeinde“, haben wir gehört. Dieses Murren hat zwei Seiten. Meistens wird es ja nur negativ beurteilt: Das störrische Volk macht es Mose und Aaron unnötig schwer. Wahrhaftig! Aber das Murren ist auch ein erstes kleines Zeichen der Freiheit! Denn anders als in Ägypten wollen sie sich nicht mehr alles gefallen lassen. Als Sklaven hatten sie nichts zu sagen. Jetzt aber fängt das Volk an zu sprechen. Das heißt: Die Leute werden mündig! Der erste Schritt zur „Mündigkeit“ ist ja doch, wenn Worte aus unserem „Mund“ kommen. Aber die rechten Worte müssen noch gelernt werden. Denn bloßes Murren führt schnell in die Irre. Wie in diesem Fall. Hier beschwört es die falschen Erinnerungen herauf: „Wie bequem war es doch an den Fleischtöpfen Ägyptens! Auch wenn wir nichts zu sagen hatten, – immerhin gab es genug zu essen.“ Vergessen sind die unbarmherzigen Befehle der Aufseher und Antreiber; die Striemen ihrer Peitschenhiebe sind vernarbt.
Mose konnte ihnen noch so oft sagen, dass es doch Gott selber ist, der sie auf den Weg in die Freiheit geführt hat. Selbstverständlich würde er auch ihr Überleben sichern! Sonst wäre die ganze Veranstaltung ja absurd. Aber was hilft die Predigt, wenn man Hunger hat und die Kinder schreien? Sagte nicht Bertolt Brecht kurz und bündig „Erst kommt das Fressen, und dann kommt die Moral“? Es ist eine schwierige Lektion, Gott und die elementaren körperlichen Bedürfnisse zusammen zu bringen.
Das Volk murrt; Mose und sein Bruder Aaron beten. – Am Abend erfüllt plötzlich lautes Vogelgeschrei die Luft. Ein riesiger Wachtelschwarm lässt sich rings um das Lager nieder. Die Sinai-Halbinsel ist ja eine Brücke auf dem Weg der Zugvögel. Siehe da, es gibt sogar Fleisch in der Wüste! – Und am folgenden Morgen bedeckt etwas Seltsames die Erde: kleine runde Körner, die wie Rauhreif aussehen. „Was ist das denn?“ – man hu auf Hebräisch – fragen die Leute. Der wüstenerfahrene Mose weiß Bescheid: „Das ist das Brot, das euch der Herr zu essen gegeben hat.“ Man hu, „Manna“. Dieses Manna war – und ist es heute noch – ein essbares Sekret der zähen Wüstenbäume, der Tamarisken. In der Nachtkühle wird es hart, schmilzt aber rasch in der Sonne und verdirbt.
„Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.“ Diesen Satz der Erzählung sollten wir nicht überhören! Denn hier haben wir ein offenbar funktionierendes Beispiel gelungener sozialer Gerechtigkeit. Alle erhalten das, was sie benötigen, keiner zuviel, keiner zuwenig. Von solchen Zuständen können wir heute nur träumen. Da ist keine „soziale Schere“, die sich zwischen einigen wenigen Spitzenverdienern und dem Heer der Verarmten immer weiter öffnet.
Die Wachteln und das Manna sichern also das Überleben der Israeliten; ihr schwaches und wankelmütiges Gottvertrauen ist für’s Erste gestärkt. Aber menschliche Habgier und menschlicher Egoismus sind enorm starke Gegner des Gottvertrauens. Doch hier folgt die zweite Lektion: Das egoistische Anlegen von Vorräten ist sinnlos! Denn Manna lässt sich in der Wüstenhitze nicht aufheben. Schnell ist es voller Würmer und stinkt. Die Israeliten müssen lernen, jeden Tag neu aus Gottes Hand zu empfangen. Auch spätere Generationen haben oft betont, dass ihnen die Zeiten der Armut und Not zur Schule des Lebens und des Glaubens wurden, trotz aller Entbehrungen, die sie ertragen mussten.
4
Die Erzählung vom Manna in der Wüste erzählt nicht nur von den Anfängen des Gottesglaubens. Sie kann uns auch den Blick für die Probleme unserer Zeit schärfen.
Zwar leben wir weder in einer politischen Diktatur, noch sitzen wir in einer Wüstenlandschaft. Aber sind da nicht andere Diktatoren, die uns das Leben schwer machen? Und gibt es nicht auch andere Formen der Wüste? Etwa die soziale Einsamkeit?
Die alten Israeliten träumten von den Fleischtöpfen Ägyptens und vergaßen, welchen Preis sie dafür zahlen mussten. Ist unsere Wohlstands- und Konsumwelt nicht so etwas wie ein riesiger „ägyptischer Fleischtopf“, voller unbarmherziger Zwänge? Das kann z.B. der Terminkalender sein, der die Zeit auffrisst. Oft ist er so voll geschrieben, dass mancher atemlos durch seine Tage hetzt: „Ich muss, ich muss...“ Am Ende sagt er vielleicht: „Das wirkliche Leben habe ich verpasst.“ – Zu viele Menschen haben zu wenig Zeit. Was treibt sie an? Alles muss immer noch schneller gehen, muss in immer kürzerer Zeit erledigt werden. „Zeit ist Geld“, heißt es, und „Geld regiert die Welt“. Wenn das keine Diktatur ist. Weh dem, der nicht kauft! Weh dem, der arm ist! - Auch die vielen elektronischen Medien können schnell zu Diktatoren werden; sie beherrschen die Fernsehsüchtigen. Andere schlagen sich die Nächte um die Ohren, weil sie ein Computerspiel nicht loslässt. Da ließen sich eine Fülle von Abhängigkeiten und verschiedenste Formen der Sucht aufzählen.
In der Sicht der Bibel sind solche Diktatoren „falsche Götter“, – Götzen. Unter Mose hatten die Israeliten ihnen den Rücken gekehrt. In der Wüste fanden sie Gott und damit den Weg der Freiheit, den Weg des Lebens. Schritt für Schritt lernten sie, worauf es wirklich ankommt. Sie lernten das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Und dass die kleinen Dinge oft mehr Gewicht haben als die großen. Sie lernten, mit ihrer Unzufriedenheit fertig zu werden. Gott begegnete ihnen nicht mehr wie ein ägyptisches Götterbild, wie ein goldglänzender himmlischer Diktator, sondern im täglichen Brot, in Wachteln und Manna. Er öffnete ihnen die Augen dafür, dass es auch in der Wüste verborgene Quellen gibt. Er lehrte sie, dass man zusammenhalten muss, wenn man überleben will; dass einer den anderen braucht. – Auf diese Weise lernten sie ganz alltäglich, ganz konkret, was Gottvertrauen heißt. Dass der Glaube tatsächlich trägt. – Natürlich wurden sie immer wieder auch rückfällig. Denn sie waren Menschen wie wir alle: schwach, wankelmütig, anfällig für Versuchungen aller Art. Dennoch und gerade deshalb: ihre Erfahrungen bilden bis heute den Mutterboden unseres Glaubens.
Denn auch unser Gottvertrauen muss immer wieder aufs Neue gestärkt werden. Das muss nicht unbedingt durch Lehrsätze geschehen, obwohl die natürlich auch ihren guten Sinn haben. Aber der Glaube kann genauso gut nachher am Mittagstisch gestärkt werden, – dort, wo wir unser tägliches Brot finden. Da können wir uns an die Bitte erinnern, die Jesus genau in die Mitte seines Gebetes gestellt hat, in das Vaterunser: „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Heute! Das ist – wie Manna in der Wüste – eine Bitte genau nur für den heutigen Tag, denn, sagt er, „Gott weiß doch, dass ihr zu essen und zu trinken braucht. Sorgt also nicht für den morgigen Tag. Es genug dass jeder Tag seine eigene Plage habe.“
Amen.

Verfasser: Pfr. i.R. Dr. Wolfgang Hermann, Austr. 6, 56379 Geilnau

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