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Christen leben aus der Taufe, dem Zeichen ihrer Erwählung.

von Christiane Braungart (Zentrum Verkündigung der EKHN)

Predigtdatum : 27.07.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 5. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Petrus 2,1-10
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Wochenspruch:
"Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte die nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!" (Jesaja 43, 1)

Psalm: 139, 1 - 16. 23 - 24


Lesungen
Altes Testament: Jesaja 43, 1 - 7

Epistel: Römer 6, 3 - 8 (9 - 11)

Evangelium: Matthäus 28, 16 - 20

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 454 Auf und macht die Herzen weit
Wochenlied: EG 200, 1. 2. 4 - 6 Ich bin getauft auf deinen Na-men
Predigtlied: EG 245, 1 - 3 Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren
Schlusslied: EG 590

Liebe Gemeinde,

was ist der Mensch, so fragt der Beter des 8. Psalms, was ist der Mensch, Gott, dass du seiner gedenkst?

Was ist der Mensch, so haben es sich Philosophen über Jahrhunderte gefragt und dabei immer wieder ganz unter-schiedliche Aspekte des Menschseins in den Blick genommen. Ist der Mensch zum Beispiel ein Wesen mit einem freien Willen, so haben sie gefragt, oder wird er immer nur von anderen Mächten regiert, sei es von Gott oder vom Teufel.

Was ist der Mensch? Dieser Frage möchte ich heute Morgen nachgehen. Und ich habe dazu zwei Dinge mitgebracht, die uns mit dem vorgeschlagenen Predigttext helfen sollen, diese Frage zu beantworten.

Da ist zum einen diese Blume:
Es ist eine Rose. Sie stammt aus unserem Garten und steht in voller Blüte. Sie steht im Zenit ihres Lebens. Hinter ihr liegen die Zeit der Winterruhe, in der man kaum glauben konnte, dass sich aus dem Rosenstrauch je wieder neues Leben regen könnte. Dann ganz allmählich trieb er doch wieder aus. Es entwickelten sich die ersten Blätter, die grö-ßer und größer wurden. Dann die ersten Blütenansätze. Und jetzt ist sie da, diese Blüte in ihrer schönsten Form, vollen-det, was vor langer Zeit begonnen hat. Ein langer Weg liegt hinter ihr.

Vor ihr liegen ein paar Tage der Vollendung und dann das Vergehen und Sterben. Diese Blüte ist nicht für die Ewigkeit geschaffen. Sie lebt und ist doch in jedem Moment ihres Lebens auch schon der Vergänglichkeit unterworfen. Und obwohl sie der Vergänglichkeit unterworfen ist, ist sie doch wunderschön anzusehen mit ihren Blütenblättern, ihrer Far-be, ihrem Duft.

Was ist der Mensch? Der Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde, aber wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. So lautet die Antwort, die uns der 103 Psalm gibt. Und ähnlich heißt es bei dem Propheten Jesaja: Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, ...

Das biblische Zeugnis vergleicht hier also den Menschen mit einer Blume und stellt insbesondere seine Vergänglichkeit hervor. Aber die Blume ist mehr. Sie ist Entwicklung, sie ist Schönheit, sie ist Vollkommenheit. Sie ist Leben.

Neben dieser Blume, die für das Leben steht, habe ich einen Stein mitgebracht.
Schwer und fest liegt er in meiner Hand. Auf der einen Seite ist er glatt, von Adern durchzogen, auf der anderen Seite rissig. Ich habe ihn hier vor unserer Kirche aufgehoben. Von welchem Steinbruch er kommt, wie er seinen Weg hier her gefunden hat, weiß ich nicht.

Dieser Stein, jeder Stein steht für Festigkeit. Man kann einen Stein nicht einfach zusammendrücken, wie einen Schwamm, man kann ihn nicht einfach auseinanderbrechen oder ihn schneiden wie Holz oder gar Butter. Nein, Stein ist ein ganz besonderes Material. Er steht für Festigkeit und Beständigkeit.

Ein Haus sollte nicht auf Sand, sondern klugerweise auf Stein gebaut werden.
Die 10 Gebote wurden auf steinerne Tafeln geschrieben, gemeißelt, zum Zeichen ihrer Dauerhaftigkeit, ihrer Gültig-keit. Nicht auf Schiefertafeln, bei denen man alles mit einem Lappen, einem Schwamm schnell wieder entfernen kann, so als sei nichts gewesen. Mit der Vergänglichkeit der Blume hat der Stein also nichts im Sinn.

Wer auf Steine baut, wer mit Steinen baut, hat Beständigkeit, ja manchmal Ewigkeit im Sinn. Und beeindrucken uns nicht in der Tat die Pyramiden in Ägypten, weht uns da nicht ein Hauch von Ewigkeit entgegen?

Doch die Festigkeit des Steines hat auch ihren Preis. Er ist nicht oder kaum wandelbar. Veränderung liegt nicht im We-sen des Steines. Wind und Wetter können ihn zwar ober-flächlich verändern, aber im Kern bleibt er was und wie er ist: ein Stein. Wo er liegt, liegt er fest, sein Standpunkt ist unverrückbar. Liegt ein Stein im Weg, so ist er nicht so schnell zu überwinden, versperrt vielleicht sogar den ret-tenden Ausweg.

Und ist es nicht mit der schlimmste Vorwurf, dem man einen Menschen machen das: Du bist wie ein Stein, du hast ein Herz aus Stein.
Was ist der Mensch? Wem ist der Mensch zu vergleichen? Mit der Blume, die für das Leben steht oder mit einem Stein?

Manchmal wünschen wir uns wohl so zu sein wie eine schöne Blume, die uns fasziniert in ihrer Farbenpracht und ihrem Duft. Aber auf der anderen Seite ängstigt uns dann auch wieder ihre Vergänglichkeit, die uns an unsere Vergäng-lichkeit erinnert.

Und da möchten wir wohl gerne wie dieser Stein sein, fest, beständig, nicht so leicht zu bezwingen, mit einem Hauch von Ewigkeit. Und doch merken wir, wie uns dabei das Leben, die Entwicklung, die Veränderung, das Gefühl abhandenkommen können.

Was ist der Mensch? Was sind wir?
„Ihr seid lebendige Steine“, so schreibt es der Verfasser des 1. Petrusbriefes an seine Gemeinde, „als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Prie-sterschaft zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.“

Lebendige Steine... Wie soll dieser Gegensatz, den man sich kaum größer vorstellen kann, zusammengebracht werden? Muss da nicht notwendig entweder das Leben oder die Be-ständigkeit auf der Strecke bleiben? Wie können wir fest und doch lebendig sein?

Die Bibel kennt durchaus Geschichten, in denen beides zu-sammenkommt, der Stein und das Leben.
Denken wir z. B. an die Geschichte vom Durchzug des Vol-kes Israel durch die Wüste. Die Wasservorräte, die sie bei ihrem raschen Aufbruch mitgenommen hatten, waren schon längst verbraucht. Sie hatten den qualvollen Tod durch Verdursten vor Augen. Wieder und wieder murrten die Israeliten mit Moses, und er wandte sich in seiner Not an Gott. Der wies ihn an, mit einem Stab gegen einen Stein zu schlagen. Und siehe, aus diesem Stein trat das lebensspendende Wasser hervor und rettete die Israeliten.

Und ein mächtiger Stein, ein Fels, verbarg den Eingang zur Grabeshöhle Jesu. Die Jüngerinnen, die nach dem Sabbat dorthin gekommen waren, um Jesus zu salben, konnten sich nur fragen: „Wer wälzt uns den Fels von des Grabes Tür?“ Und doch steckt hinter dieser ganz praktischen Frage viel mehr: „Wer wälzt uns den Stein von unserem Herzen? Dachten wir doch, mit Jesus würde ein ganz neues Leben beginnen, ein Leben aus der Liebe und der Vergebung Got-tes.“ Doch sein Tod hatte alle Hoffnungen beendet und der Stein lag vor seinem Grab und damit auf allen Hoffnungen.
Und siehe, der Stein war weggewälzt, Jesus auferstanden, der Tod hatte nicht das letzte Wort behalten, sondern das Leben.

Leben, das aus einem Stein entspringt oder trotz eines Stei-nes siegt, solche Geschichten kennt also die Bibel durchaus.
Aber lebendige Steine... wir als lebendige Steine, das ist noch etwas anderes. Denn es kommt ja hinzu, dass der Ver-fasser des Petrusbriefes diesen Vergleich, diese Metapher zur Charakterisierung für das Leben von Getauften, also zur Charakterisierung von Christen und Christinnen verwendet.
Lebendige Steine ... wenn wir so bezeichnet werden, dann sind wir weder ganz der Vergänglichkeit unterworfen, wie die Blume, aber wir haben wie sie die Möglichkeit der Ent-wicklung, der Veränderung.

Lebendige Steine ... wenn wir so bezeichnet werden, dann können wir Beständigkeit und Festigkeit erleben wie der Stein, aber sind dennoch frei von Starrheit und Tod.

Lebendige Steine ... wir dürfen auch einmal unseren Platz, unseren Standpunkt wechseln. Wir dürfen etwas wagen im Leben, wir dürfen Meinungen überprüfen und verändern, ja unsere eigenen Meinungen verändern und wechseln. Wir dürfen manches noch einmal ganz von vorne betrachten und bedenken. Wir dürfen auch selbst ganz von vorne anfangen.

Lebendige Steine ... wir dürfen uns in all unserer notwendi-gen Entwicklung und Veränderung, in den unterschiedlich-sten Erfahrungen des Lebens, auch in der Erfahrung der Vergänglichkeit, uns selbst immer wieder ganz als uns selbst erleben und erfahren.

Was macht unsere Festigkeit und Beständigkeit in aller Ver-änderung und aller Entwicklung aus?
Wir sind nicht fest, beständig und stabil durch die Un-verrückbarkeit von Meinungen und Idealen, nicht fest durch Urteile und Vorurteile über mich oder andere. Das ist oftmals eine Festigkeit, die der Starrheit gleicht, und die mich oder andere zerbricht.

Die Festigkeit und die Beständigkeit, dass ich die bin und bleibe, die ich bin, das kommt nicht aus mir selbst, sondern durch das Wort, das Gott zu mir spricht, durch seine Anrede an mich, durch die Beziehung, die er schafft, indem er mich anspricht.

In aller Veränderung, in aller Entwicklung, in aller Vollkom-menheit, in aller Vergänglichkeit bin ich doch dieselbe durch das Wort Gottes, das er zu mir spricht. Das Wort von seiner Liebe und seiner Vergebung.

Es ist kein Wort, das mich festlegt, sondern mich anspricht, mich freispricht, auch zu einem Leben der Entwicklung, der Veränderung.

Sein Wort macht mich gewiss, dass ich es wagen kann, mich auf das Leben in seiner Fülle einzulassen. Ohne Angst, die mich dazu bringen kann, meine Zuflucht zu falschen Sicherheiten zu nehmen.

Sein beständiges Wort von der Liebe und der Vergebung wird deutlich in der Taufe. Damit beginnt ein Leben, das Veränderung und Festigkeit in sich vereinigen will. Und dann ist es durchaus angebracht uns als lebendige Steine zu be-zeichnen. Wir brauchen nicht nur auf die Blume zu schielen in ihrer Schönheit, aber zurückzuschrecken vor ihrer Ver-gänglichkeit. Durch die Taufe will Gott uns hier und heute schon Anteil an seiner Ewigkeit geben. Wir brauchen uns nicht zu wünschen wir wären beständig wie ein Stein, schrecken dann aber zurück vor seiner allzu großen Festigkeit, die manchmal auch das Leben verdrängt und den Tod bringt. Gott will mich fest machen, fest machen in ihm. Das Leben, das mit der Taufe beginnt, und jeden Tag neu gelebt und bestanden werden will, ist ein Leben, das Beständigkeit und Veränderung gleichermaßen in sich schließt. Darum sind wir lebendige Steine, berufen mit dem Eckstein Jesus Christus mit zubauen an Gottes Reich hier auf Erden. Ein Reich, in dem Gottes Liebe und Vergebung deutlich und spürbar wird, das, wovon wir leben als die lebendigen Steine.

AMEN

Verfasserin: Pfarrerin Dr. Christiane Braungart
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