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Das Bekenntnis der Hoffnung

von Jürgen Grimm (Neustadt)

Predigtdatum : 24.09.2023
Lesereihe : V
Predigttag im Kirchenjahr : 16. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Hebräer 10,35-36(37-38)39
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Wochenspruch: „Christus Jesus hat den Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ (2. Timotheus 1,10b)

Psalm: 68,4-7.20-21.35-36

Predigtreihen

Reihe I: Johannes 11,1(2)3.17-27(28-38a)38b-45 / Jesaja 58,7-12
Reihe II: 2. Timotheus 1,7-10
Reihe III: Klagelieder 3,22-26.31-32
Reihe IV: Lukas 7,11-17
Reihe V: Hebräer 10,35-36(37-38)39
Reihe VI: Psalm 16,(1-4)5-11

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 440,1-4 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 136,1-4 O komm, du Geist der Wahrheit
Predigtlied: EG 395,1-3 Vertraut den neuen Wegen
Schlusslied: EG 171,1-4 Bewahre uns, Gott

Predigttext: Hebräer 10,35-36(37-38)39

35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.

(37 Denn »nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben. 38 Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm« (Habakuk 2,3-4).)

39 Wir aber sind nicht solche, die zurückweichen und verdammt werden, sondern solche, die glauben und die Seele erretten.

Leitgedanke

Werft Euer Vertrauen nicht weg

Resignation war gestern

Predigt

Liebe Gemeinde!

Ein Pfarrer unserer pfälzischen Landeskirche hatte folgenden Traum:

Ich gehe auf die Kanzel, schlag die Bibel auf, lese aus dem Hebräerbrief den Satz: Werft euer Vertrauen nicht weg. Dann mache ich eine Pause und wiederhole: Werft Euer Vertrauen nicht weg. Dann Schweigen. Langes Schweigen. Ich sage Amen und verlasse die Kanzel mit den Worten: Liebe Gemeinde, das war´s für diesen Sonntag. Werft euer Vertrauen nicht weg.

Das hat gesessen. Und recht hat er. Das ist die Botschaft, die wir brauchen. Auch heute. Ein Leuchtwort im Dunkel unserer Zeit. Da steckt alles drin. Leer und müde sind viele. Auch in unseren Gemeinden. Klimawandel. Corona, Inflation, Energiekrise, Ukrainekrieg verschärfen zusätzlich die Situation. Werft euer Vertrauen nicht weg.

[Möglicherweise aktualisieren im Herbst 2023!]

Würde jener Mann, den die Bibel Hebräer nennt, uns jetzt zuhören, er könnte uns aufklären und sagen:

Hört, nach Jesu Tod und Auferstehung bildeten sich die ersten Gemeinden. Wir hatten es nicht leicht. Die Römer duldeten zwar die jüdische Religion. Aber wir, die Anhänger Jesu, wir galten als eine jüdische Sekte. Uns misstraute man, wir wurden diskriminiert. Man machte uns das Leben schwer. Viele unserer Leute wurden bekämpft, verfolgt und misshandelt.

Das war der äußere Druck. Der innere erwies sich vielleicht als noch belastender. Hatten die Apostel doch prophezeit, dass Jesus bald wiederkäme, dass er Gericht hielte, und dass dann die neue Heilszeit anbräche. Aber nichts dergleichen geschah. Das war deprimierend. Viele Gemeindeglieder verließen enttäuscht unsere Versammlungen. Was sollte ich den Leuten sagen?

Ich wollte sie ermutigen.

Die Brocken hinwerfen? Davonlaufen? Das ging gar nicht. War ich doch wie alle Apostel davon überzeugt, dass Gott zu seinen Zusagen steht. Also flehte ich unsere Leute an: Habt Geduld! Werft euer Vertrauen nicht weg. Haltet an eurem Glauben fest. Ich wiederholte, was die ersten Glaubenszeugen auch mir sagten: Jesus kommt zurück. Und zwar bald. Sehr bald.

Ich gestehe, ich hatte selber Zweifel, ob Christus noch zu meiner Lebzeit wiederkäme. Aber das wollte ich meine Gemeinde nicht spüren lassen. So verstieg ich mich in eine Drohung: Wer vom Glauben abfällt, wer die Gemeinde verlässt, den verlässt auch Gott. Der ist verloren. Für immer und ewig. Der darf auch nicht mehr, selbst wenn er es bereut, zurückkehren in die Gemeinde. Nein, nur wer bleibt und vertraut, dem ermöglicht Gott ein gelingendes Leben.

So dachte ich damals. Ich war eben Kind meiner Zeit. Heute würde ich es anders formulieren. Immerhin ein Gedanke von damals gilt mehr denn je. Ich sagte: Was ihr jetzt braucht ist Standhaftigkeit. Denn wenn ihr unbeirrt Gottes Willen tut, dann gewinnt ihr das zugesagte/verheißene Leben.

Ja, lieber Hebräer, ich verstehe. So war das damals. Doch ich vermute, die Glaubensmüdigkeit heutzutage geht noch tiefer. Nach dem 2. Weltkrieg gehörten 90% der Deutschen einer Kirche an, heute sind es nicht einmal mehr 50%. Gewiss, es gibt bei manchen eine Sehnsucht nach Spiritualität. Am besten ohne Kirche.

Selbst Kirchgänger fragen: Hilft Beten? Ist da überhaupt jemand, der mich hört? Warum lässt Gott, wenn es ihn denn gibt, soviel Schlimmes zu? Greift er denn überhaupt ein in diese Welt und in mein Leben? Das sind uralte Fragen. Aber in unserer naturwissenschaftlich geprägten Welt gewinnen diese Fragen immer mehr an Bedeutung. Da ist für Gott wenig Platz.

Der Hebräer meldet sich noch einmal zu Wort:

Ja, ich weiß, ihr bewegt euch in unruhigen Zeiten. Eure Gottesdienste werden schlecht besucht. Immer mehr Leute treten aus der Kirche aus. Mitarbeitende zu gewinnen, ist ein Problem. Das Geld wird knapper. Doch jetzt die Brocken hinschmeißen, das bringt gar nichts. Resignation war gestern. Gott steht zu seinen Verheißungen. Aber nicht unbedingt zu einer Kirche, wie sie im Moment aussieht. Gott kann sich eine ganz neue Kirche suchen. Das werden Menschen sein, die fragen: Was will Gott von mir und mit dieser Welt? Wie steht es um Gerechtigkeit, wie schaffen wir Friede, wie kann Armut beseitigt werden, wie integrieren wir Fremde, wie erhalten wir diesen Planeten, wie können wir bezahlbare und zugleich saubere Energie gewinnen, wie ehrlich bin ich in meinem Urteilen, wie viel Zeit widme ich meiner Familie und und und.

Vielleicht fragst Du jetzt, was hat das alles mit dem Glauben zu tun? Mit Gottvertrauen? Sehr viel! Denn Gottvertrauen bedeutet nicht: Mach du es, lieber Gott! Mein Apostelkollege Timotheus sagte: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit (2.Tim.1,7).

Mit anderen Worten: Nicht Gott muss was tun, sondern wir! Und das können wir, weil Gott uns gegeben hat, was wir brauchen gegen Mutlosigkeit und Verzagtheit: einen Geist, der dreierlei bewirkt: Kraft, Liebe und Besonnenheit. Wie ich meine, drei starke Dinge:

  • Die Kraft anzupacken,
  • die empathische Zuwendung zum anderen,
  • der wohl überlegte, verantwortungsvolle Umgang mit der Welt.

Schon lange vor mir hat ein Prophet von Gott gesagt: ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und darnach tun.…(Hes.36,27)

Und das heißt doch: Der Geist Gottes ist in dieser Welt. Er muss allerdings gesucht und es muss ihm vertraut werden. Die eigene Bequemlichkeit und der Egoismus dürfen diesem Geist nicht im Weg stehen.

Ja, so könnte der Hebräer von damals heute zu uns geredet haben. Mir fallen da spontan die mutigen Christen der ehemaligen DDR ein. Wer hätte 1989 es für möglich gehalten, dass Kerzen, Mut, Gebet und Vertrauen eine Mauer zum Einsturz und ein Regime zu Fall bringen würde?

[Parkplatz für weitere Beispiele.]

Ich mache ich es jetzt wie jener Pfarrer, von dem ich zu Beginn erzählte. Ich verlasse die Kanzel - nicht ohne euch zuzurufen: Werft euer Vertrauen nicht weg. Amen.

Verfasser: Pfarrer Dr. Jürgen Grimm, Klinikseelsorger i. R., 67434 Neustadt / Weinstraße


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