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Das Geheimnis der Herkunft

von Uwe Handschuch (Dietzenbach-Steinberg)

Predigtdatum : 24.12.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : 1. Timotheus 3,16
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Wochenspruch:

"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,

und wir sahen seine Herrlichkeit." (Johannes 1, 14 a)



Psalm: 2



Lesungen

Altes Testament: Jesaja 9, 1 - 6

Epistel: Titus 2, 11 - 14

Evangelium: Lukas 2, 1 - 14 (15 - 20)





Liedvorschläge

Eingangslied: EG 27, 1 - 6 Lobt Gott, ihr Christen allegleich

Wochenlied: EG 24, 1 - 6 Vom Himmel hoch

Predigtlied: EG 44, 1 - 3 O du fröhliche

Schlusslied: EG 46, 1 - 3 Stille Nacht



Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheim-nis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, ge-glaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.

1. Timotheusbrief 3, 16



Hallo Weihnachten!



Sei gegrüßt! Schön, dass Du da bist! Ja, ich weiß: „Schon wieder!“ sagen diejenigen, die noch genug von Deinem Be-such im letzten Jahr haben. Aber „Endlich!“, so seufzen die, welche schon seit geraumer Zeit - spätestens seit Ende No-vember - auf Dich warten. Mit Dir ist es ja schon so eine Sache: Die einen verbinden mit Dir all ihre Hoffnungen, für die anderen bist Du eine einzige Enttäuschung. Für die einen kommst Du immer völlig unerwartet, auch wenn sie es eigentlich besser wissen müssten (die Vorzeichen deines Kommens sind ja kaum zu übersehen). Für die anderen bist du mindestens so heiß ersehnt wie ein Glühwein an einem kalten Winterabend.



Also, grüß Dich, Fest!



Die einen haben die Tage bis zu Deiner Ankunft gezählt und ihre Erwartungen an Dich auch durch die kleinen täglichen süßen Abgaben nicht mindern lassen. Die anderen reagieren auf Dich, wie wenn sie in der Zeitung lesen, dass da ein zu ihren Kindertagen berühmter Sänger seinen 90. Geburtstag feiert, obwohl sie ihn eigentlich schon längst für tot gehalten haben. Vielleicht trauen sie sich ja deshalb nicht, Dich beim Namen zu nennen. „Weihnachten“, das klingt ja auch ziem-lich geheimnisvoll, oder „Heiliger Abend“, das hat schon war Mystisches. Und Platz für Geheimnisse und Mystik haben wir nicht mehr so viel in unserer Welt: Mystik finden wir als „Mystery“ in Serie auf unseren Bildschirmen, und Geheim-nisse sind in Zeiten von Facebook und NSA auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Auch deshalb nennen sie Dich wohl gerne etwas unverbindlicher das „frohe Fest“ oder die „schönen Feiertage“ und treten damit wenigstens auch bei „religiös unmusikalischen“ Mitmenschen nicht so sehr ins Fettnäpfchen.



Sei gegrüßt, du liebe Weihnachtszeit,



die Du ja heute eigentlich erst beginnst und die Du doch ständig mit der Adventszeit verwechselt wirst. Weißt Du noch, wie das früher war? Ja, ich meine die Zeiten, die wir nur noch aus den vergilbten Kinderbüchern von Menschen aus dem letzten Jahrhundert kennen. War der Schnee da-mals wirklich immer so meterhoch zu Deiner Zeit? Haben sich damals wirklich alle Familien geschlossen von den Kir-chenglocken zur Christmette rufen lassen? Waren die Kinder damals wirklich mit einer Orange und einem neuen Kleid für die Puppe zufrieden? Haben damals auch die Väter noch Weihnachtslieder mitgesungen – etwa sogar auswendig? Haben die Waffen im Krieg zu Deiner Zeit wirklich ge-schwiegen?



Einen guten Abend, Heiliger Abend!



Kannst Du Dich noch an die Zeiten erinnern, wo kein grüner Baum in der guten Stuben gestanden hat? Was stand denn da so im Mittelpunkt? Mittlerweile ist es ja ethisch und öko-logisch gar nicht mehr so verantwortbar, eine Nordmann-tanne für die paar Tage aus Dänemark exportieren zu las-sen. Du musst es doch wissen: Kann man denn ohne Baum so richtig feiern? Vor ein paar hundert Jahren war das of-fenbar kein Problem. Versammelten sich „Urahne, Großmut-ter, Mutter und Kind“ damals einträchtig um eine Krippe im Wohnzimmer, das nur an wenigen Tagen im Jahr bewohnt war und benutzt wurde? Schauten sie gar gemeinsam auf ein Kreuz an der Wand? Oder waren etwa die Sorgen für den nächsten Tag so übermächtig, dass Dein Feiertag gar keinen Anlass zum Feiern bot?



Gute Nacht, stille Nacht!

Wie war das, als die Menschen noch nicht vom „holden Kna-ben im lockigen Haar“ singen konnten oder sich eine CD mit Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium aufgelegt ha-ben? Wo war da denn Musik drin? Du hast ja Legionen von Komponisten inspiriert, und bis heute lebt die Plattenindustrie von deren Einfällen zu Dir. Das klingt ja auch alles so schön, aber es prägt doch auch unsere Bilder von Dir und legt sie fest. Deshalb frage ich Dich: Kann es sein, dass wir am Ende die Engel auf den Feldern bei den Hürden nur dann wirklich jubeln hören können, wenn wir unsere Lautsprecher endlich abschalten? Bewahrt sich festliche Stimmung im Herzen etwa besser ohne Konserve?



Einen schönen Sommeranfang, Du heller Tag,



denn für viele Millionen Menschen beginnt ja, wenn Du auf-tauchst, der Sommer. Unvorstellbar für die meisten von uns, Dich zu feiern bei 30 Grad im Schatten. Aber Du wirst es ja besser wissen! Du kannst dich sicherlich noch daran erinnern, als Dein Tag noch gar nicht kalendarisch auf die Wintersonnenwende der nördlichen Erdhalbkugel festgelegt war, sondern man Dich im März oder im Mai feierte. Ging das wirklich? Und ging das etwa sogar gut?



Grüß Gott, Christfest!



Wie konnten Menschen Dich feiern, wie konnten Christinnen und Christen Dich als etwas Besonderes sehen, bevor die Evangelisten Matthäus und Lukas damals Dein Geheimnis lüfteten, bevor sie Maria und Joseph nach Bethlehem zitier-ten, die Hirten an einer Futterkrippen auftreten oder Weise aus dem Osten zu Eltern und Kind kommen ließen? Also, kurz und gut: Wie feiert man eigentlich Weihnachten ohne Weihnachten?



Und was bleibt von Dir überhaupt übrig, wenn Du nackt und bloß dastehst; wenn all das weg ist, mit dem wir Menschen Dich über Jahrhunderte umkleidet, bedeckt, verschönt, ver-ziert, ritualisiert, verschlimmbessert haben? Gibt es Dich etwa nicht nur in purpur, sondern auch in pur? Was haben die Menschen von Dir gehalten, die an den glaubten, der bei Dir in der Mitte steht, aber es all das noch nicht gab, was für uns inzwischen einfach zu Dir dazu gehört?



Nun, Gott sei Dank haben wir heute, an Deinem Abend von einem gehört, der damit offenbar gar keine Probleme hatte, der Dich in einem einzigen Satz „singen und sagen“ konnte, der noch dazu nicht bei Dir stehen blieb, sondern weiter dachte, weiter glaubte als die meisten von uns es an Deinen Tagen tun. „Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“



Ja, das klingt wie ein kurzes Glaubensbekenntnis, fast wie ein uraltes Lied, dessen Melodie wir nicht mehr kennen, aber dessen Klang uns dennoch erreicht. Ein kurzes Lied, so kurz und so leicht auswendig zu lernen wie Dein Klassiker „O du fröhliche“: „Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, ge-glaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“



Als dies Lied in der christlichen Gemeinde entstand, ja, ich muss es wohl sagen, da gab es Dich eigentlich doch noch gar nicht. Da hatte sich Lukas noch nicht aufgemacht, seinem Freund Theophilus vom Gesang der Engel bei der Geburt Jesus zu berichten; da hatte Matthäus noch lange nicht zu seinem Griffel gegriffen, um über diesen fiesen Kindsmörder Herodes zu schreiben. Als dies Lied zum ersten Mal von einer christlichen Gemeinde gesungen wurde, schauten die Christen nicht auf einen Christbaum, knabberten keine Plätzchen und Lebkuchen, hatten nicht gerade das 24. Tür-chen am Adventskalender geöffnet und überreichten sich zur Zeit der Wintersonnenwende wohl erst recht keine Ge-schenke. Als dieses Lied zum ersten Mal gesungen wurde, warst Du noch nicht erfunden. Und dennoch haben unsere Vorfahren im Glauben einen Zugang zu Dir gefunden: Auch ohne die Heimlichkeiten unserer Tage war das große Ge-heimnis des Glaubens in und unter den Christenmenschen. Das Geheimnis, das den Namen einer einzigen Person trägt: Jesus Christus.



„Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschie-nen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“ Also: Keine „stille Nacht“ und auch keine „kommenden Kinderlein“, nicht: „Alle Jahre wieder rieselt leise der Schnee, wenn die Glocken süß klingelingeling machen“, sondern ganz nüchtern, ganz schlicht und ergreifend: „Er ist“.



Ich glaube, wenn etwas in diesem Lied, das uns der erste Brief an Timotheus überliefert hat, wenn etwas daran weih-nachtlich ist, dann dies, dass es allein den zum Inhalt hat, um den es an Dir, Weihnachten, eigentlich geht. Den, der heute unter Tannengrün, Lichterglanz und Geschenkpapier manchmal schon fast verschwunden ist.



Jesus Christus, das Geheimnis des Glaubens wird in diesem urchristlichen Lied nicht gelüftet, das Geheimnis des Glau-bens wird stehen gelassen in seiner ganzen Widersprüch-lichkeit. Und diese Widersprüchlichkeit ist der Widerspruch, der in der Person Jesus Christus selbst steckt, ist der Wider-spruch zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen.



Jesus ist das Geheimnis, das zwischen Gott und den Men-schen steht: ganz irdisch-menschlich offenbart im Fleisch, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, und doch auch ganz himmlisch-göttlich gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, aufgenommen in die Herrlichkeit. Die unverein-baren Welten, dass Gott Mensch werden will und dass ein Mensch aus Fleisch und Blut Gottes Sohn sein soll, diese unvereinbaren Welten werden in Jesus Christus eins.



Aber das Geheimnis bleibt. Es ist das Geheimnis Gottes, dass hier Einer aus Gott geboren wird, der das Schicksal seiner Menschen teilt und später einen schrecklichen Tod stirbt. Es ist das Geheimnis Gottes, dass hier Einer, der wie unser Fleisch und Blut war und darum so sehr oder so wenig hold lachte und lockige, glatte oder gar keine Haare hatte wie jedes andere Neugeborene. Es ist das Geheimnis, dass dieser sein Leben lebte wie wir; dass er starb, wie wir ster-ben, und Menschen begriffen, dass sein Tod etwas mit ihnen zu tun hatte. Das ist das große Geheimnis Gottes, und wir müssen da gar nicht erst ein Geheimnis daraus machen. Denn die göttliche Liebe, die dahinter steckt, die will sich in diesem Geheimnis offenbaren.



Und Du, Weihnachten, willst wohl die Tür zu dieser Liebe Gottes sein?! Eine Tür, die heute, an Deinem Tag besonders offensteht; die Tür zu einem Gott, der es uns Menschen heute ganz besonders leicht machen will, ihn zu lieben und einfach einmal anzunehmen, dass wir alle Schwestern und Brüder dieses offenbarten, gerechtfertigten, erschienen, gepredigten, geglaubten und aufgenommenen Menschen Gottes sind - und damit „alle gleich“ Kinder seines Vaters im Himmel.



Das Geheimnis des Glaubens bewahrt uns davor, uns allzu süße und auch allzu deutliche Bilder zu machen davon, wie das angehen kann, dass der „Himmel die Erde still geküsst“ hat und Gott unter Menschen ist. Das Lied von Dir aus dem ersten Timotheusbrief spricht da eine eindeutige Sprache: Das Geheimnis des Glaubens bleibt bestehen, weil es sich nur dem erschließt, der sich auf den Glauben an jenes ge-heimnisvolle Geschehen, das wir mit Dir, Weihnachten, fei-ern, einlässt. Gottes Sohn ist Fleisch und Blut geworden, er hat gelebt wie wir, er ist gestorben wie wir, alle Welt hat von ihm gehört. Da hat uns ein Mensch Gott unvergleichlich nahegebracht, und sein Lebensweg erhielt die göttliche Be-stätigung, weil sein Ende ein neuer herrlicher Anfang wurde.

In ihm allein fallen alle Gegensätze zusammen, in ihm ist Frieden mitten im Streit, in ihm ist Licht mitten in der Dun-kelheit, in ihm ist Majestät mitten in der erbärmlichsten Ärmlichkeit, in ihm ist Platz für die Niedrigkeit mitten in aller Pracht, in ihm ist das Leben mitten im Tod. In ihm ist Gnade mitten in aller Rechthaberei, in ihm ist das Recht mitten in aller Ungerechtigkeit, in ihm ist die Liebe mitten im Hass, in ihm ist das Geheimnis des Glaubens offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.



Und darum: Sei uns von Herzen willkommen, o du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit. Amen.



Verfasser: Pfarrer Uwe Handschuch

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