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Das Gute wächst von selbst

von Elke Burkholz (Messel)

Predigtdatum : 27.02.2011
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : Markus 4,26-29
ggf. Homepage, auf der die Predigt verzeichnet ist : http://kirchemessel.de
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Predigt von Albrecht Burkholz Messel
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
das Gute wächst von selbst habe ich als Thema im Nachrichtenblatt für diesen Gottesdienst angegeben. Jemand sagte mir dazu: Das Gute wächst von selbst – hm, schön wärs. Dann könnte ich mich ja ganz entspannt zurücklegen, die Füße hochlegen und müsste gar nichts dafür tun.
Schauen wir uns, was unser Predigttext uns sagt. Ich lese das Gleichnis von der von selbst wachsenden Saat Markus 4,26-29
26 »Mit dem Reich Gottes«, so erklärte Jesus weiter, »ist es wie mit einem Bauern, der die Saat auf seinem Acker ausgestreut hat. 27 Er legt sich schlafen, er steht wieder auf, ein Tag folgt dem anderen; und die Saat geht auf und wächst – wie, das weiß er selbst nicht. 28 Ganz von selbst bringt die Erde Frucht hervor: zuerst die Halme, dann die Ähren und schließlich das ausgereifte Korn in den Ähren. 29 Sobald die Frucht reif ist, lässt er das Getreide schneiden; die Zeit der Ernte ist da.«

Von selbst wächst die Saat, automatisch. Der Bauer tut, was nötig ist. Er hat den Boden vorbereitet. Er hat geguckt, ob die Zeit und das Wetter stimmen. Dann sät er. Und dann kann er die Halme nicht aus dem Boden ziehen. Er muss warten. Geduldig warten. Und nichts dafür tun, dass das Wunder des Wachstums geschieht. Im Gegenteil, Tun wäre schädlich. Wenn er ein Vergrößerungsglas nehmen würde, damit das Sonnenlicht verstärkt wird. Wenn er warmes Wasser auf das Feld gießen würde (und dabei noch den Boden festtrampeln würde). Das alles würde nichts nützen. Er muss warten. Geduld an den Tag legen. Nachts schlafen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

Was ist die Saat? Die Saat wird mit dem Wort Gottes verglichen, das in uns Gutes bewirken will. In uns werden Worte und Bilder, Vorstellungen und Einstellungen hinein gelegt. Wir werden geprägt durch die Einstellungen der Menschen, mit denen wir reden. Wir werden geprägt durch das, was im Fernsehen und in der Zeitung erzählt wird oder im Internet. Und in all dem gibt es auch das, was uns befreien will und glücklich machen kann. Worte von Gott, die uns helfen. Worte, mit denen Gott in uns sein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, der Freude und der Seligkeit bewirken will.
Von selbst wächst da etwas. Und wir können es nicht mit Gewalt und Anstrengung beschleunigen. Wir müssen geduldig warten und in Frieden schlafen, bis es kommt.
Paul Gerhardt hat das so ausgedrückt, wie wir es gerade gesungen haben:
Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht
wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen ist voller Lieb und Lust
all Angst und Not zu stillen die ihm an euch bewusst.
Das ist ein Adventslied. Aber es gilt auch den Rest des Jahres. Gott kommt uns entgegen. Gott bewirkt, dass in uns das Gute wächst. Gott verwandelt uns und befreit uns. Alle Angst und Not will er stillen.
Als ich das Thema: Das Gute wächst von selbst jemandem erzählte, war die Reaktion: Schön wärs. Dann könnte ich mich ja zurücklegen und entspannen und müsste nichts mehr tun.
Meine Antwort nach einer Woche Nachdenken lautet: Wir müssen tun, was nötig ist. Aber dann sollen wir uns entspannt zurücklegen.
Wenn wir wollen, dass Gott zu uns kommt voller Lieb und Lust und alle Angst und Not stillt – was müssen wir dann tun?
Wir müssen uns dafür öffnen, dass diese Macht Gottes, die still und im Hintergrund wächst, bei uns nicht untergeht, sondern wirksam werden kann. Wir können z.B. gute Gewohnheiten entwickeln die dann allmählich schlechte Gewohnheiten ablösen. Ich brauche Orte in meinem Alltag, an denen ich mich öffne für Ruhe, Entspannung und die göttlichen Worte. Z.B. indem ich einen Abschnitt in der Bibel, ein Andachtsbuch, ein Gebetsbuch, die Losungen, lese oder jeden Tag eine Strophe im Gesangbuch lese und so pro Woche vielleicht eine Strophe auswendig lerne. Ich kann aufschreiben, in einem Tagebuch z.B.
Wir werden dabei beobachten, dass wir uns ständig weiterentwickeln und dass Dinge, die uns so sehr belastet haben, mit der Zeit unbedeutend geworden sind oder sich von selbst erledigt haben.

Diese Woche stand im Darmstädter Echo folgendes. In England ist es gerade in, in Pubs als Erwachsener mit großem Abstand aus den eigenen Teenager-Tagebüchern vorzulesen. Eine Frau liest z.B. vor: Ich schäme mich. Ich küsse so schlecht. Oder: Phil fragte mich, ob ich mit ihm ausgehen wolle. Ich sagte nein, weil ich dachte, wenn ich ja gesagt hätte, hätte er gedacht, dass ich auf ihn stehe.
Wenn wir unsere Gedanken und Gefühle aufschreiben, gewinnen wir Abstand dazu und bekommen sie geordnet. Und dann können wir vielleicht dazu kommen, uns einfach entspannt zurück zu legen und Gott machen zu lassen. Oder die Zeit, denn wir verändern uns ja sowieso.
Wenn Eltern gestresst sind von der Kleinkindphase – sie geht wirklich schnell vorbei. Und die Zeit der Pubertät, wo ich denke, das was mir passiert ist wahrscheinlich das Schlimmste, was je einem Menschen passiert ist – auch diese Zeit geht vorbei und ich werde als Erwachsener in der Rückschau lachen können.
Ich werde jetzt bald 50 und ich mache mir Gedanken wie das ist mit Alter und Krankheit und Sterben. Ich gehe mal davon aus, dass ich dort in der Ewigkeit in der Rückschau diese Sorgenmacherei so komisch finde wie die Erwachsenen in englischen Pubs die Teenagertagebücher.

Jetzt könnten sie natürlich sagen: Es gibt doch nicht nur Wachstum. Es gibt doch auch Niedergang. Im Alter verlieren wir Fähigkeiten. Der Westen verliert an Macht gegenüber Asien. Wir werden nie das romantische Deutschland meiner Jugend wieder kriegen. Und die Klimaveränderung ist erschreckend und das Artensterben. Und das sind Entwicklungen, die nicht zurückzuschrauben sind.
Ja, das stimmt. Im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld im gleichen 4. Kapitel des Markusevangeliums geht nur ein Viertel der Saat auf. Der Rest wird von den Vögeln gefressen, den Dornen erstickt und vertrocknet auf dem Fels. Aber was aufgeht – das bringt hundertfältig Frucht. Das Verhältnis zwischen Wachstum und Niedergang ist also insgesamt hoffnungsvoll.
Ich denke, so ist auch bei uns. Das was uns hoffen lässt, ist stärker als das, was uns Sorgen macht, wie berechtigt die Sorgen auch immer sein mögen. Denn das Sorgen hat noch nie genützt. Nur das Tun hilft.
Ich will es noch einmal am Beispiel meines Berufs sagen. Ich mache mir mit meiner Frau zusammen viele Gedanken über die Zukunft der Kirche. Und wir leben da in einem Niedergang. Die Zahlen der Mitglieder der Evangelischen Kirche in Deutschland sinken. Und ich würde gerne viel mehr Menschen dazu bringen, das Befreiende, Erlösende und Heilende des christlichen Glaubens zu entdecken. Aber ich kann es nicht. Ich kann es auf jeden Fall nicht mit Gewalt. Ich kann das, was ich will, nicht herbeizaubern und wenn ich mich auf den Kopf stelle und mit den Ohren wackle. Ich kann es nicht. Ich kann nur darauf vertrauen, dass Gott wirksam wird. Und dass sie Saat von selbst wächst. Dass das, was meine Frau und ich und viele Kolleginnen und Kollegen und viele Christinnen und Christen tun – für den christlichen Glauben einstehen mit unseren begrenzten Fähigkeiten – dass das Wirkungen haben wird. Mehr Wirkungen als wir jetzt sehen können. Ich kann darauf vertrauen, dass Gott eine Trendwende herbei führt. Dass Menschen aus ihren Vorurteilen rauskommen und dem befreienden Handeln Gottes begegnen.
Meine Frau und ich waren diesen Mittwoch Gastgeber der regionalen Pfarrkonferenz des Nordbezirks unseres Dekanats Groß-Umstadt. Dabei haben wir das Buch Gott 9.0 von Küstenmacher vorgestellt. Das Buch ist ganz optimistisch, was die Zukunft des christlichen Glaubens angeht. Viele von denen, die sich von der Kirche abgewendet haben, sind spirituell auf der Suche. Und dabei gehört der Zweifel zum Weg. Und Gott ist dabei auf diesem Weg. Was auch immer am Ende dabei rauskommen mag.
Liebe Gemeinde, das Gute wächst von selbst. Und weil das so ist, empfehle ich mehr die Füße hoch zu legen und weniger zu tun. Ihnen kann ich das empfehlen, Sie sind keine, die nur Fernsehen gucken. Wenn das Gute von selbst wächst, dann ist die Frage: muss ich jetzt was tun oder ist Nichtstun die bessere Möglichkeit. Ich empfehle: auf jeden Fall erst mal eine Denkpause einlegen, v.a. wenn es stressig ist und ich mich unwohl fühle. Ich kann mir ja immer Bedenkzeit nehmen. Und dann kann das Gute in mir wachsen und ich kann zu einer sinnvollen Entscheidung kommen, ob und was zu tun ist und von wem.
Das Gute wächst von selbst. Ich wünsche Ihnen, dass es bei Ihnen wächst. Und dass Sie aus dieser Entspannung heraus leben können. Ohne Sorgen. Mit viel Füße hochlegen. Ich schließe mit diesem wunderschönen Vers von Paul Gerhardt
Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht
wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen ist voller Lieb und Lust
all Angst und Not zu stillen die ihm an euch bewusst.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben. Amen.