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Das Kreuz Christi

von Karsten Müller (39104 Magdeburg)

Predigtdatum : 06.04.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Gründonnerstag
Textstelle : Hebräer 9,15.26b-28
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Spruch:

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebo-renen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

(Johannes 3, 16)

Psalm: Psalm 22, 2 - 6.12.23 - 28

Lesungen

Altes Testament: Jesaja (52, 13 - 15); 53, 1 - 12

Epistel: 2. Korinther 5, (14b - 18).19 - 21

Evangelium: Johannes 19, 16 - 30

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 91 Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken

Wochenlied: EG 83 oder

EG 92

Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld

Christe, du Schöpfer aller Welt

Predigtlied: EG 79 Wir danken dir, Herr Jesu Christ

Schlusslied: EG 93 Nun gehören unsre Herzen

Das Karfreitagsgeschehen sperrt sich gegen viele Glaubenshaltun-gen und –vollzüge. Vor dem Hintergrund des Kreuzes und der Qualen die mit dieser Hinrichtungsform verbunden sind sowie der Tatsache, das der, der Gottes Sohn ist, am Kreuz sein Ende findet, wenden sich viele irritiert ab. Der Rechtfertigungsgedanke ist vielen Christen fremd geworden: Ostern ja – Karfreitag? Nein Danke!

Das Grundmissverständnis ist, dass Gott Jesus am Kreuz geopfert hätte. Das Opfer am Kreuz fordert aber nicht Gott. Wir fordern durch unser Leben in Sünde das Opfer heraus.

Sünde meint hier die Trennung von Gott, den Versuch eines Lebens, in dem Gott keine Rolle spielt. So ein Leben kann durchaus auch von einem glaubenden Menschen geführt werden, während ein formal Nichtglaubender in der Lage sein kann, in Beziehung zu Gott zu leben, ohne dass ihm das bewusst ist.

Die Predigt versucht, dem Opfergedanken nachzugehen, indem sie fragt und nach Antworten sucht, wer oder was das Opfer am Kreuz herausfordert.

Liebe Gemeinde,

am Karfreitag geht es um Begriffe, die nicht positiv besetzt sind. Es geht um Sünde, Opfer und Tod. Am Karfreitag geht es aber auch um Begriffe, die eigentlich gar nicht zusammen gehören: es geht um Erlösung und Heil. Mit dem Hinweis auf das Heil endet unser Text-abschnitt.

Sünde, Opfer Tod und auf der anderen Seite Erlösung und Heil, wie geht das zusammen? Wie geht es überhaupt zusammen, dass Opfer und Tod notwendig sind, um Erlösung und Heil zu erlangen? Am Karfreitag geht es in die Tiefe. Wir merken, dass unser Glaube eine Zumutung ist, nichts für Leute, die so durch das Leben leben ohne sich groß Gedanken zu machen. Manchmal gehören wir ja auch zu ihnen. Wer will sich denn schon immer Gedanken manchen, ob das Leben, das ich lebe, so ist wie es sein soll. Man muss doch auch mal den lieben Gott einen frommen Mann sein lassen können!

Ist so ein Gedanke schon Sünde? Eine Sünde, die dem lieben Gott gar nicht gefällt und die nach einem Opfer zur Sühne ruft? Unser Sündenbegriff, den wir von der Straße oder aus unserem Leben mit in die Kirche bringen, ist wahrscheinlich nicht geeignet, den Ernst der Lage zu beschreiben. Hier geht es nicht um das Tortenstück zu viel, es geht nicht um die Frage, ob Liebe Sünde sein kann, es geht nicht um Moral, um sexuelle Ausrichtungen oder die Erfüllung irgendwelcher Normen.

Die Sünde trennt den Menschen von Gott. Hier geht es um Kräfte und Mächte, die uns von Gott trennen. Es geht um Kräfte und Mächte, die Gott aus unserem Leben verbannen. Das sind keine Leichtgewichte. Sie können die Mehrheit hinter sich bringen. Sie fragen immer wieder: Ist mit Gott tatsächlich zu rechnen? Geht es ohne Gott nicht besser, einfacher? Was soll ein Kreuz in deinem Leben? Was ist das für ein Gott, der seinen Sohn an das Kreuz hängen lässt? Fordert Gott ein Opfer zu unserer Rechtfertigung?

Die Antwort ist: Nein! Gott fordert kein Opfer. Gott ist kein unbe-rechenbarer Tyrann. Er ist nicht zu vergleichen oder gar in eine Reihe zu setzen mit Gewaltherrschern, Diktatoren oder wie auch immer sie sich nennen, deren Herrschaft nur ihrem Machterhalt dient und denen, die unter ihr leben oder leiden, das Blut aussaugt.

Gott fordert kein Opfer, aber er bringt ein Opfer. In Christus ist Gott Mensch geworden. Gott hat unser menschliches Schicksal geteilt. Nichts Menschliches ist ihm fremd. Mit einer Ausnahme: Er war ohne Sünde. Das ist logisch, weil sich ja Gott selbst nicht von Gott trennen kann. Nichts anderes ist ja die Sünde: Sie ist die Trennung von Gott.

Wir trennen uns oft von Gott. Wir sollten die Sünde nicht klein reden mit unseren Verniedlichungen. Die Sünde ist nicht der Verstoß gegen diese oder jene moralisch oder vielleicht auch religiöse Norm. Auf die Frage, was denn am Sabbat erlaubt sei oder was nicht, wusste schon Jesus zu antworten: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. (Mk. 2,27)

Sünde ist, wenn wir unser Leben führen, als gäbe es Gott nicht. Wenn wir so tun, als ob unsere Art zu leben, zu lieben oder auch zu glauben die einzig Richtige sei. Sünde ist, wenn wir glauben, dass das Recht immer auf unserer Seite zu haben. Sünde ist, wenn wir auf andere hochmütig oder auch mitleidig herabsehen, weil sie anders sind als wir. Sünde ist, wenn wir ganz genau wissen, wer die Sünderinnen und Sünder unter uns sind.

Gott fordert kein Opfer, aber die Sünde, die Trennung von Gott, die fordert in der Tat Opfer. Wir fordern das Opfer. Das Kreuz steht nicht auf Golgatha, weil Gott es so will. Das Kreuz steht auf Golgatha, weil die Sünde Opfer fordert.

Die Sünde, die Trennung von Gott, fordert Opfer und zwar in einem doppelten Sinn: Wir müssen fragen, wer an unserer Art zu leben, an den dauernden Versuchen, ohne Gott das Leben zu gestalten, leidet. Da stehen zunächst Menschen vor Augen, die wir benachteiligen, in Schubladen stecken, ausgrenzen, abstempeln. Sicher geschieht das hin und wieder auch, ohne, dass es uns bewusst ist. Wir oft handeln wir achtlos, tun oder unterlassen Dinge, ohne groß über die Folgen unseres Handeln nachzudenken oder gar diese Dinge in das Verhält-nis unseres Lebens mit Gott zu setzen.

Die Sünde fordert Opfer. In der deutschen Sprache liegen Sünde und Sühne vom Klang her eng beieinander. Die Sühne ist ja der Versuch, den Schaden, der durch die Sünde entsteht, wenigstens in Teilen wieder gut zu machen. Das ist die Vorstellung, die jedem Opferkult, auch dem im Jerusalemer Tempel, zugrunde liegt: Durch das Opfern eines Tieres wird die Schuld abgetragen, wird ein Ausgleich geschaf-fen. Das Strafrecht funktioniert bis heute durch diesen Mechanismus. Aber gerade im Strafrecht wird die Grenze dieses Mechanismus deutlich: Was ist ein Leben wert? Wie soll jemand bestraft werden, der sich an anderen Menschen sexuell vergangen hat? Selbst die von Populisten in diesem Fall geforderte Wiedereinführung der Todes-strafe macht ja die seelische Qual der Gequälten nicht ungeschehen.

Wir können uns vor Gott unsere Schuld nicht abwaschen, die wir durch die Sünde auf uns laden. Das wissen wir und Gott weiß es auch. Wahrscheinlich weiß er es noch viel mehr als wir. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht möglich, immer schuldig zu leben. Das wird an vielen Tätern deutlich, die nach einem Geständnis ihrer Tat und einer Verurteilung eine große Erleichterung verspüren.

Nicht Gott, sondern unsere Sünde fordert Opfer. Um uns von der Macht der Sünde zu befreien, opfert Gott sich als Mensch daher selbst am Kreuz auf Golgatha. Das ist ein radikaler Schritt, den kein Mensch gehen kann. Der Schritt Gottes an das Kreuz packt die Sünde bei der Wurzel, ein radikaler Schritt eben.

Wie oft bei radikalen Schritten, fällt es schwer, das Geschehen nach-zuvollziehen. Viele schütteln den Kopf, manche wenden sich ab. Viele Missverständnisse liegen in der Luft. Das soll ein allmächtiger Gott sein, der am Kreuz endet, der ein solches Ereignis nicht verhin-dern kann?

Die Sünde ist durch das Opfer Gottes bei der Wurzel gepackt. Sie ist nicht aus der Welt, aber ihre scheinbar endgültige Macht ist gebro-chen. Kein ernsthafter Mensch wird aus dem Opfer Gottes einen Blankoscheck für sündiges Leben ableiten, für ein Leben, das nur um sich selbst kreist.

Wenn wir der Sünde den Abschied geben, unser Leben also in Beziehung zu Gott führen, im Dialog mit ihm unsere Entscheidungen treffen und Weichenstellungen vornehmen, dann spüren wir etwas von dem Geschenk der Freiheit, das uns durch Gottes Opfer in den Schoß fällt.

Ein Gedanke muss uns in unserem Leben nicht mehr beschweren, bei manchem Schweren, das zu tragen ist. Der Gedanke der Sühne für unsere Sünde muss uns nicht quälen. Was für ein Geschenk! Durch sein Opfer hat Gott uns befreit aus den Zwängen, für die Schuld, die wir uns aufgeladen haben, einen Ausgleich suchen zu müssen.

Gott hat uns befreit aus dem Gefängnis unserer Schuld, indem er sie auf sich nimmt und wegträgt wie der Sündenbock aus dem Alten Bund. Unsere Aufgabe ist nicht, Sühne für unsere Sünde zu leisten. Diese Aufgabe wäre befriedigend nicht erfüllbar. Das wissen wir und Gott weiß es auch. So geht er den Weg, der im Stall von Bethlehem begann, konsequent zu Ende an das Kreuz, das auf Golgatha steht. Dort befreit uns Gott ein für allemal von den Fesseln, die die Sünde uns angelegt hat.

Unsere Aufgabe ist es, in der geschenkten Freiheit unser Leben zu gestalten. Für andere soll spürbar sein: Der Glaube ermöglicht Freiheit. Je mehr uns das gelingt, desto weniger Opfer kann die Sünde fordern. Amen

Verfasser: Karsten Müller

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