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Das Lamm Gottes

von

Predigtdatum : 02.04.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Lätare
Textstelle : 4. Mose 21,4-9
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Wochenspruch:

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele. (Matthäus 20,28)
Psalm: 43 (EG 724)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 22,1-13
Epistel:
Hebräer 5,7-9
Evangelium:
Markus 10,35-45

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 545
Wir gehen hinauf nach Jerusalem
Wochenlied:
EG 76
O Mensch, bewein dein Sünde groß
Predigtlied:
EG 94
Das Kreuz ist aufgerichtet
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott

4 Die Israeliten brachen auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege 5 und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier und uns ekelt vor dieser mageren Speise. 6 Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. 7 Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. 8 Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. 9 Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

Hinführung
Der biblische Text 4. Mose 21,4-9 steht an einer Stelle der Übergangs. Das Murren des Volkes Israel hat zur Folge die vierzigjährige Wanderschaft in der Wüste gehabt. Vom Berg Hor aus lässt sich überblicken, was auf dem Weg ins gelobte Land noch an Schwierigkeiten auf dem Weg liegt. Es folgt der Aufbruch Israels und die Auseinandersetzung mit den Völkern auf dem Weg ins verheißene Land. An dieser Stelle wird schon wie beim Anfang der Wüstenwanderung die Erzählung von der ehernen Schlange eingeflochten, die das Lamento des Volkes aufnimmt.
Das Gift der Erinnerung spült sich in die nächsten heranwachsenden Generationen, selbst wenn diese Ägypten nur aus den Erzählungen der älteren Generation her kennen. Ich nehme diese Art der Wahrnehmung als sich durchziehendes Motiv für meine Predigt auf. Gott verwandelt die Wahrnehmung, indem er Zeichen setzt, die den Blick verändern.
In den Predigtkanon des Passionssonntags Judika ist dieser Predigttext wohl gekommen wegen seiner Parallele mit der Erhöhung des Christus am Kreuz von Golgatha. Diesen Faden nehme ich auf im Rahmen meiner Predigt, wo es um den Weg durch die Passionszeit hin zu Karfreitag und Ostern geht.
Mit dem Sonntag Judika, liebe Gemeinde, bewegen wir uns in der Passion mehr und mehr auf das Zeichen des Kreuzes zu. Den erhöhten Christus in den Blick zu nehmen, um Heilung zu erfahren, dazu wollen uns die Texte der Passionszeit ermutigen.
Dazu hören wir heute eine Erzählung aus dem 4. Buch Mose. Sie führt uns zum Volk Israel an einen Ort des Aufbruchs. 40 Jahre haben die Menschen in der Wüste verbracht, weil sie das Lamento nicht lassen konnten im Rückblick auf die angeblichen „Fleischtöpfe“ Ägyptens. Die Generation der Sklaven neigt sich dem Ende zu. Menschen der nächsten Generation kennen nur noch das Leben in der Wüste. Sie sind darin aufgewachsen und haben sich mit ihrer Lebensweise darauf eingestellt. Nun aber soll es aus der Wüste herausgehen, aber vor dem Einzug ins gelobte Land stehen Auseinandersetzungen an mit den Völkern, die das Land bewohnen und die Nomadenvölker Israels als Bedrohung empfinden. In diese Situation des Aufbruchs hören wir hinein:
„Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise.“
Die alten Verhaltensmuster scheinen von einer zur anderen Generation vererbt worden zu sein. Das alte Gift wird wieder neu verspritzt. Ein Lamentieren beginnt: Wären wir doch nur in Ägypten geblieben? Hier gibt es nicht, wovon wir leben können. Und das, was uns hier überleben lässt, ist einfach nur ekelhaft.
Durch die Generationen hindurch hat sich das Gift erhalten. 60 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges gibt es immer noch Stimmen, die die Diktatur des Nationalsozialismus schönreden. Die auf das wirtschaftliche Aufblühen in den 30er Jahren verweisen und die Leiden und die Gewalt ausblenden, die die Nazi-Herrschaft über die Menschen im eigenen Land wie noch viel mehr im Ausland angerichtet haben.
Auch in unserer heutigen Zeit des Umbruchs von einer Industriegesellschaft in eine Dienstleistungsgesellschaft ist das Lamentieren populär. Im Vordergrund stehen die Gefährdungen der Menschen durch Arbeitslosigkeit und Altersarmut, soziale Kälte und Ausgrenzung von Randgruppen. Das Gift eines rückwärtsgewandten Blicks pulsiert in den Adern und Köpfen auch heutiger Menschen. Ausgeblendet wird dabei, dass wir in unserem Land in einem Wohlstand leben, den keine Generation vorher hat erleben dürfen. Aber der Wandel, der sich in einer Zahl hoher Arbeitslosigkeit andeutet, macht die Menschen empfindsam für das Gift der Rückwärtsgewandtheit.
„Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme.“
Das Gift in den Herzen und Köpfen der Menschen wird anschaulich. Feurige Schlangen verbreiten Angst und Tod. Jeder und jede hat den Blick gesenkt. Wo immer der Fuß hingesetzt wird, kann sich die tödliche Gefahr befinden. Wie das besagte Kaninchen vor der Schlange bewegt sich nun rein gar nichts mehr. Die Menschen halten inne, sie erstarren und spüren das Gift, das sie eben noch selbst versprüht haben als Feuer in ihren Gliedern. Jetzt brennen sich die Worte ein, die gefallen sind. Wäre, hätte, könnte - ihre Rückwärtsgewandtheit hat ihnen den Blick auf das Leben verstellt, das ihnen von Gott jeden Tag von neuem geschenkt wird. Gott ist es, mit dem sie unterwegs sind, Gott ist es, der sie von Tag zu Tag am Leben erhält, Gott ist es, der ihnen eine Zukunft in Aussicht stellt, auf die sie sich zubewegen. Dafür war ihnen die Wahrnehmung verstellt. Erst als jede Bewegung zur Gefahr für Leib und Leben wird, da nehmen sie die verfehlte Blickweise wahr: Wir haben uns gegen Gott und Mose versündigt.
Unsere einseitige Wahrnehmung hat einen tiefen Abgrund aufgetan zwischen uns und Gott. Und das Gift, das wir eben noch selbst versprüht haben, richtet sich nun gegen uns selbst. Damals wie heute.
Die verstellte Wahrnehmung, die Vergangenes schön zeichnet und die Gegenwart damit vergiftet, fällt auf die Menschen selbst zurück. Nun gilt es, das Gift in ein Mittel der Heilung zu verwandeln. Nur Gott vermag dies und so wenden sich die Menschen an Gott und Mose als ihren Fürsprecher:
„Und Mose bat für das Volk. Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.“
Gott verändert als erstes die Blickrichtung. Er setzt ein Zeichen und lässt es hoch aufrichten. Wer leben will, muss den Blick davon wenden, was vor Füßen liegt. Es kostet schon eine Menge an Überwindung, wenn die Gefahr so nah ist, die Bedrohung so klar vor Augen liegt, eben nicht mit dem Blick darauf zu verharren, sondern die Wahrnehmung zu verändern.
Menschen wenden ihren Blick ab von der realen Bedrohung. Sie sehen auf und gewinnen dadurch ein geweitetes Blickfeld. War ihr Blickfeld eben noch begrenzt auf den Boden und die Gefahr, die ihnen droht, so öffnet sich nun der Blick. Der Horizont weitet sich und das Zeichen zur Heilung gerät in den Blick. Es scheint in Gottes Absicht zu liegen, gerade so heilsam auf die Menschen im Aufbruch einzuwirken. Indem er den Blick auf das Hohe wendet, kann sich auch das Schicksal der Menschen wenden. Sie erfahren Heilung im Blick auf die aufgerichtete Schlange aus Erz. Die reale Gefahr und Bedrohung wird gewandelt zum Zeichen von Hoffnung und Heilung. Dabei ist das Zeichen der Schlange ja durchaus ambivalent. Ihr Gift tötet Menschen, in geringer Dosierung aber wird es zum Heilmittel. Das griechische Wort „Pharmakon“ trägt beide Bedeutungen noch im Namen. Die eherne Schlange ist das „Pharmakon“ des Lebens.
Es ist diese Herausforderung, zu der uns Gott bis heute in den Zeiten des Aufbruchs locken will. Die veränderte Blickrichtung weitet den Horizont, selbst wenn die Gegenwart bedrohlich erscheint und Wunden in uns zurücklässt. Aufschauen und davon den Blick erheben ist schon Teil eines heilsamen Prozesses, an dem am Ende die Aussicht auf Leben steht. So kann aus dem Gift einer verstellten Wahrnehmung auf Vergangenheit und Gegenwart ein heilsamer Blick auf die Zukunft werden. Noch ist das Volk nicht angekommen im gelobten Land, aber mit der veränderten Wahrnehmung lässt sich neue Lebensqualität gewinnen und mit Gott werden die Herausforderungen des Weges angegangen.
Ein Zeichen der Heilung stellt uns dieser Sonntag Judika in den Blick. Das Zeichen der ehernen Schlange ist wie das Zeichen des Kreuzes ambivalent und paradox. Das Zeichen menschlicher Erniedrigung und grausamen Todes ist zugleich das Zeichen göttlicher Erhöhung und heilsamen Lebens. Das ist die Aussicht des Sonntages Judika, mit dem wir aufbrechen erhobenen Blickes Richtung Karfreitag und Ostern.
„Das Kreuz ist aufgerichtet, der große Streit geschlichtet. Dass er das Heil der Welt in diesem Zeichen gründe, gibt sich für ihre Sünde der Schöpfer selber zum Entgelt.“ (EG 94,1)
Amen.

Verfasser: Pfr. Hartmut Lotz, Bubenheimer Str. 2, 55270 Engelstadt

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