Das Lamm Gottes
von Mechthild Gäntzle (64354 Reinheim)
Predigtdatum
:
17.03.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Lätare
Textstelle
:
Hebräer 13,12-14
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Wochenspruch:
Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele. (Matthäus 20,28)
Psalm: 43 (EG 724)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 22,1-13
Epistel:
Hebräer 5,7-9
Evangelium:
Markus 10,35-45
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 79
Wir danken dir, Herr Jesu Christ
Wochenlied:
EG 76
O Mensch, bewein dein Sünde groß
Predigtlied:
EG 84
O Welt, sieh hier dein Leben
Schlusslied:
EG 86
Jesu, meines Lebens Leben
12 Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Hinführung
Die drei Verse des Predigttextes sind aus einer Mahnrede, die an Menschen der 2. und 3. christlichen Generation gerichtet ist. Der Brief bezeichnet sich selbst als Mahnrede (13,22).
Zur damaligen Situation
Die Leser sind im Glauben stumpf geworden, der Gottesdienstbesuch lässt nach (10,25), darum der Ruf und die Aufforderung, aufeinander acht zu haben und zur Liebe und zu guten Werken anzureizen (10,24). In den Verfolgungszeiten, die sie früher durchlitten und einen großen Kampf des Leidens erfahren hatten, erduldeten sie sogar den Raub ihrer Güter mit Freuden: „weil sie um eine bessere und bleibende Habe wussten“.
Kap. 12,4 zeigt, dass vielleicht wieder eine Verfolgung über die Gemeinde kommen könnte, deshalb die Bitte (13,22), dass diese Worte der Ermahnung ernst genommen werden sollten.
Doch das entscheidende Anliegen des Hebräerbriefes zeigt Jesus als den Hohenpriester, der mit seinem Blut ein für allemal die Sühne vollzogen hat. Deshalb schauen die Christen hier auf Erden zu ihrem Hohenpriester auf, sie sind das „wandernde Gottesvolk auf Erden, aber ihre Heimat und ihr Bürgerrecht sind im Himmel.“
Gliederung:
1. Das Ereignis vor dem Tor
2. Der Ruf zur Nachfolge
3. Die Hoffnung für das Leben
Liebe Gemeinde!
Der heutige Predigttext aus dem 13. Kapitel des Hebräerbriefes ist in der Lutherbibel überschrieben mit den Worten: „Letzte Mahnungen“.
Mahnungen aber hören wir nicht gern und schon gar nicht in unserer Zeit. Wer könnte schon so vollkommen sein, um uns Mahnungen zu erteilen? Man sieht im Geist den erhobenen Zeigefinger eines Besserwissers und empfindet sofort eine Abwehrhaltung, denn die Frage stellt sich: Will uns jemand in unserer grenzenlosen Freiheit einengen?
Und noch eine Stufe bedrohlicher klingt „letzte Mahnungen“. Möchten wir diese denn hören? Haben wir heute nicht ganz andere Probleme?
Doch unser Text steht in diesem Zusammenhang, und die wenigen Verse erhalten eine besondere Bedeutung, wenn sie man sie in diesem Kontext sieht.
Denn „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.“
So wird der Gemeinde einst geraten:
„Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehre umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde.“
Einige der Ermahnungen, werden auch wir heute sofort unterstreichen und akzeptieren, wie: gastfrei zu sein und geschwisterlichen Umgang zu pflegen. Mitmenschlichkeit mit den Gefangenen und Misshandelten zu haben, das scheinen auch wichtige Forderungen unserer Zeit zu sein.
Aber die Ehen in Ehren zu halten und „Ehebrecher und Unzüchtigen, die Gott richten will“, das möchten wir lieber ganz außen vor lassen, weil wir meinen, damit in unserer heutigen Gesellschaft nicht den rechten Ton zu treffen.
Wir wollen, obwohl der Text weder zeitgemäß noch uns angenehm ist, uns ihm stellen und fragen, was wir heute aus diesem Abschnitt für uns an Erkenntnis herausfinden können und fragen, wie der Text uns ansprechen kann.
Das Ereignis draußen vor dem Tor
„Draußen vor der Tür“, so heißt die bekannte Erzählung von Wolfgang Borchert. In der Zeit nach dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg und der damaligen Not schrieb Borchert die beeindruckenden Worte. „Ich stehe draußen, wieder draußen. Gestern Abend stand ich draußen. Heute stehe ich draußen. Immer stehe ich draußen. Und die Türen sind zu. Und dabei bin ich ein Mensch mit Beinen, die schwer und müde sind. Mit einem Bauch, der vor Hunger bellt. Mit einem Blut, das friert hier draußen in der Nacht“... Empfindungen eines Menschen, der draußen vor der Tür ist.
Zu seinen Lebzeiten war Jesus aber nie draußen, er war mitten unter den Menschen, er war alle Tage im Tempel, lehrte, heilte und half den Menschen. Immer wenn er mit Menschen zusammentraf, war seine heilende und helfende Liebe zu ihnen erkennbar. Mit seinem Kommen war das Reich Gottes angebrochen, aber die Menschen nahmen es nicht war, nur Einzelne erkannten ihn als den Messias, den Gott mit und für uns. Die Menschen damals warteten auf einen, der sichtbar die Verhältnisse verändern würde, der Frieden und Wohlstand für alle bringen sollte. Einem solchen König hätten sie zugejubelt, aber einem, der selbst Leiden ertragen musste, der mit den Armen, den Sündern, den Dirnen und Zöllnern aß und zu ihnen sprach, für den hatten sie nur die schrecklichen Worte: „Hinweg mit ihm, kreuzige ihn!“
Und wie es den Übeltätern damals erging, sollte der Tod außerhalb der Stadt geschehen. So endete sein Leben, ausgestoßen von der Gemeinschaft, dort am Kreuz, dem Zeichen der Schmach und der tiefsten Verachtung. Er hat gelitten und den Tod am Kreuz erduldet, draußen vor dem Tor. Wer dort stirbt, der ist ein Verbrecher. Wenn er wirklich der „Sohn Gottes ist, dann kann das nur heißen, der seiner Welt zugewandte Gott wird aus dieser Welt hinausgedrängt“ (Bonhoeffer).
Der Skandal des Kreuzes war den Juden damals ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit, wie es Paulus im 1. Korintherbrief schreibt. Das Kreuz ist auch heute vielen Menschen Anstoß und unbegreiflich. In der Welt war und ist kein Platz für ihn, gelitten und gestorben ist er draußen vor dem Tor. Wie kann man an ihn glauben?
Aber, so weiß der Schreiber des Hebräerbriefes zu sagen, dieser Tod war nicht sinnlos oder vergeblich, er war Zeichen für das, was den Juden damals durch ihre gottesdienstlichen Gebräuche bekannt war. Blut, Zeichen des Lebens und der Sühne, der Vergebung. Das Blut eines Tieres wurde als Sühnopfer dargebracht, aber der Körper des Tiers wurde vor dem Lager, draußen vor dem Tor, verbrannt.
Mit seinem Tod hat Jesus das einmalige Sühneopfer gebracht und damit das Volk geheiligt, für Gott in Beschlag genommen, draußen vor dem Tor.
Draußen, ausgeschlossen aus dem Leben, aus dem pulsierenden Geschehen der Zeit. Einsamkeit, Verlassenheit und Verachtung beinhaltet dieses „draußen vor dem Tor“.
Wer möchte schon draußen stehen? Alles gibt man heute dran, um „in“ zu sein, dabei sein ist alles. Wie viele geben ihre eigene Meinung auf, handeln gegen besseres Wissen, nur um nicht in diese Abseitsstellung gedrängt zu werden? Ist nicht etwas von dem „nicht draußen zu sein“ auch in unseren Kirchen und Gemeinden zu spüren? Wer möchte schon den Anschein haben, nicht mit dem Strom zu schwimmen? Anpassung an die Normen der Gesellschaft ist gefragt. Wie schnell werden alte Werte aufgegeben, ja bis dahin, dass biblische Texte uns gefällig gemacht werden müssen. Für nicht mehr zeitgemäß erachtet werden. Man braucht dann auch diese biblischen Mahnungen nicht ernst zu nehmen.
Ruf in die Nachfolge
Aber unser Text redet eine sehr ernste Sprache, eine Aufforderung, die wir so eigentlich weder erwarten noch befolgen möchten. Der Schreiber des Briefes fordert auf: „Lasst uns auch hinausgehen und seine Schmach tragen!“
Schmach tragen, ist damit heute noch jemand geholfen? Was würde das denn für uns bedeuten? „Freudig trag’ ich Christi Schmach“, so heißt es in einem alten Lied. Sollen wir das Leiden suchen?
An seine Seite sollen wir uns stellen; so wie es Paulus sagt: „Lasst uns gesinnt sein“ wie Jesus es war, der schwieg, als er geschlagen wurde, der Unrecht ertrug, der im Sinn der Bergpredigt seine Feinde liebte, der sich zu denen hielt und ihnen half, die ganz unten waren, und denen vergab, die ihm fluchten.
Schmach Christi tragen heißt in einer säkular gewordenen Welt: mich zu ihm bekennen.
Ja, im Alltag muss es deutlich werden, nicht mit frommen Worten oder salbungsvollen Reden, sondern im Tun und in unserer Haltung. Die Menschen, an die diese Worte einst gerichtet waren, wussten, dass ein christliches Leben sich sehr deutlich von dem ihrer heidnischen Umwelt unterscheiden muss und wird.
Allen Menschen gilt sein Heil. Jesu Tod draußen vor dem Tor ist für alle geschehen, ein Geschenk für alle.
Ein Geschenk aber werde ich nur besitzen, wenn ich es annehme. Dieses Hinausgehen zeigt nicht nur mein Interesse, sondern auch meine Bereitschaft, es für mich in Anspruch zu nehmen. Heute jedoch ist die Botschaft vom Kreuz nicht gefragt. Verlierer sind nicht willkommen. Einer, den Gott am Kreuz sterben lässt, passt nicht in die Vorstellung von Heil und Wohlergehen. Gott müsste doch alles zum Besten geschehen lassen. Allen Hunger stillen, Frieden sichern, Terror vermeiden, Gerechtigkeit durchsetzen und dafür sorgen, dass die Menschlichkeit siegen kann.
Auch in diesem Jahr steht der Karfreitag, Golgatha, wieder vor uns. Jesu Opfertod für uns, damit wir geheiligt werden durch ihn.
Hoffnung für das Leben
Was hat Jesu Tod in der 2000jährigen Geschichte des Christentums bewirkt? Sind wir nicht angesichts all der Gräueltaten, die auch im Namen des Christentums geschehen sind, im Glauben müde, stumpf und lau geworden? Wie viel Leid, Trauer und Sterben haben die letzten Monate der Welt gebracht? Manch einer, der sich hier auf Erden im Diesseits eingerichtet hat, erkennt wie brüchig und zerbrechlich dieses irdische Glück und Leben ist. Merkt etwas von dem, was der Schreiber des Hebräerbriefes so ausdrückt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, aber die zukünftige suchen wir.“
Terroranschläge, Krieg, Giftgasdrohungen, Bakterien-Verseuchungen, will schnell kann sich alles verändern?
Aber wir haben eine Hoffnung, die sich in unserem Leben hier schon auswirkt. Eine Hoffnung auf das, was kommt, wenn alles vergeht.
Das heißt für uns Christen nicht, weltabgewandt zu leben, sondern von dieser Hoffnung getragen, hier das tägliche Leben zu führen und sinnvoll zu gestalten. So wie es Marie Schmalenbach in ihrem Lied ausdrückt:
„Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell herein, dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine.“
Und gerade in dieser Passionszeit dürfen wir uns wieder neu daran erinnern: Durch Jesu Erlösungstat am Kreuz von Golgatha haben wir einen tragfähigen Grund für unser Leben und die Hoffnung, dass die Tür zum ewigen Leben für uns offen ist. Amen.
Verfasserin: Prädikantin Mechthild Gäntzle, Egerländer Str. 33, 64354 Reinheim
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