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Das Lamm Gottes

von Helga Sautter (37077 Göttingen)

Predigtdatum : 01.04.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Lätare
Textstelle : Johannes 11,47-53
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Wochenspruch:

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele. (Matthäus 20,28)

Psalm: 43 (EG 724)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 22,1-13
Epistel:
Hebräer 5,7-9
Evangelium:
Markus 10,35-45

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 88
Jesu, deine Passion
Wochenlied:
EG 76
O Mensch, bewein dein Sünde groß
Predigtlied:
EG 79
Wir danken dir, Herr Jesu Christ
Schlusslied:
EG 586
Herr, der du einst gekommen bist

(Wir müssen an diesem Sonntag die Predigt aus dem Jahr 1995 wiederholen.)

Liebe Gemeinde!
„Wir haben als Eltern versagt“, so sagte vor einiger Zeit eine Mutter zu mir, „wir sind mit unserer Erziehung gescheitert“. Scheitern. Wer von uns kennt die Erfahrung des Scheiterns nicht: Eltern oder auch Lehrer scheitern im Umgang mit Kindern, eine Frau sieht ihr Leben gescheitert durch das Scheitern ihrer Ehe, ein Student scheitert im Examen... Die Erfahrung des Scheiterns gehört zu unserem Leben dazu. Wie erfahren wir Hilfe in diesen Situationen? Der Predigttext kann uns so eine Hilfe sein.
47 Die Hohenpriester und die Pharisäer versammelten den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. 48 Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute. 49 Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts; 50 ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe. 51 Das sagte er aber nicht von sich aus, sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk, 52 und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen. 53 Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.
Da ist der Hohe Rat, das religiös-politische Organ der Juden. Die Mitglieder dieses Hohen Rates sind von ihren Parteigängern von dem letzten Wunder Jesu, nämlich der Auferweckung von Lazarus unterrichtet worden und davon, welchen unerhörten Zulauf Jesus durch dieses Wunder bekommen hat. Schon lange hatten die Pharisäer und Schriftgelehrten, Mitglieder des Hohen Rates, Jesus skeptisch beobachtet; aber das, was Jetzt geschehen ist, bringt das Fass zum Überlaufen.
Jesus, dieser Wanderprediger, scheint eine regelrechte Volksbewegung in Gang zu setzen - „so werden alle an ihn glauben“, sagen sie. Jesus bringt die Menschen in Bewegung. Und da das Volk in Jesus offensichtlich den Messias sieht, der Messias aber auch politische Auswirkungen haben soll, fürchtet der Hohe Rat eine nationale Bewegung, die von den Römern politisch als Aufstand gedeutet werden kann und dann brutal niedergeschlagen würde. Dabei könnte dann auch der Tempel zerstört werden, der Hohe Rat könnte seine noch verbliebenen politisch-sozialen Machtbefugnisse verlieren. Das wäre das Ende des jüdischen Staates. Genau das ist dann ja auch im Jahre 66 nach Zerschlagung eines Aufstandes eingetreten.
Das muss unter allen Umständen verhindert werden. Es ist Kaiphas, der Hohepriester, der ausspricht, was alle denken, nämlich dass der Wirksamkeit Jesu ein Ende gemacht werden müsse. Wie kann das geschehen? Durch seinen Tod. „Es ist besser, wenn ein Mensch für das Volk stirbt“, so sagt Kaiphas. Es ist besser, dass ein Mensch vorsorglich geopfert wird, als dass bei einem militärischen Eingreifen der Römer das Volk umkommt. Der Wirksamkeit Jesu muss ein Ende gemacht werden durch seinen Tod, eine Volksbewegung würde sich nicht weiter ausbreiten bzw. gar nicht erst entstehen, und seine Anhänger würden sich verlaufen. Jesus wäre damit in seinem Auftrag gescheitert, seine Impulse wären im Sande verlaufen, sein Leben wäre vergeblich gewesen, umsonst. Sein Tod wäre nur noch ein Zeichen für das unwiderrufliche Ende. Aus.
Wie leicht kommen wir in unseren Erfahrungen des Scheiterns auch zu diesem Schluss: „Das ist das Ende. Da ist keine Hoffnung mehr. Ich kann genauso gut gleich aufgeben, denn ich habe nichts mehr zu erwarten“. Ich habe am Anfang der Predigt von einer Mutter erzählt, die über ihr Scheitern in der Erziehung ihrer Tochter sprach. Diese Tochter war das einzige Kind, das mit Liebe und Fürsorge nur so überschüttet wurde und dann als Teenager dagegen rebellierte.
Sie legte sich bewusst oder un-bewusst Freunde zu, die ihre Eltern für schlechte Gesellschaft hielten; sie lebte ein Leben, das ihre Eltern ablehnten. Sie entwickelte allmählich einen Hass auf ihre spießigen Eltern. Es war kein Miteinander mehr möglich - so gut es ging, lebte man nebeneinander her. Die Eltern machten ihrer Tochter, einander und sich selbst Vorwürfe, sie suchten nach Erklärungen, Rechtfertigungen, nach Hilfe, die sie nicht fanden. Sie hatten schließlich alle Hoffnung auf Änderung aufgegeben. Sie waren in ihrer Erziehung gescheitert. Sie waren verzweifelt, absolut am Ende.
Absolut am Ende? Wie anders sieht Johannes den Tod Jesu. Er greift das Wort auf, das Kaiphas als Prophet wider Willen ausgesprochen hat: „Es ist besser, wenn ein Mensch für das Volk stirbt“. Was Kaiphas vordergründig mit diesem Wort aussprechen will, nämlich, dass mit dem Tod Jesu alles aus ist, das sieht Johannes aus der Perspektive Gottes: Der Tod Jesu ist kein Ende, kein Durchkreuzen der Pläne Gottes. Nein, Jesus sollte für das Volk sterben, Gott hat etwas mit diesem Tod vor. Gott kommt zum Ziel mit dem, was er vorhat. Selbst Menschen wie Kaiphas gebraucht er, um dieses Ziel zu erreichen - nämlich, dass Jesus für das Volk stirbt. Im Johannesbrief heißt es: „Er ist das Sühnopfer für unsere Sünden, aber nicht nur für die unsern, sondern auch für die der ganzen Welt“.
Das ist Gottes Absicht, dass Jesus durch seinen Tod unsere Sünden, unser verfehltes Leben mit allem Scheitern und aller Schuld auf sich nimmt, damit wir davon befreit sind. Gott will zu einem neuen Leben befreien ohne Schuld, Selbstanklagen, Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen. Er will neues Leben ermöglichen gerade da, wo wir am Ende sind.
Das haben die anfangs erwähnten Eltern mit ihrer Tochter erfahren. Als sie hörten, dass Gott aus ihrem absoluten Ende Neues machen konnte, schöpften sie Hoffnung. Mit anderen zusammen fingen sie an, für ihre Familie zu beten. Sie erkannten allmählich, wo sie an ihrer Tochter schuldig geworden waren durch ihre maßlose Fürsorge. Sie konnten ihre Tochter um Vergebung bitten und allmählich lernen, sie loszulassen. Es folgte eine schwierige Zeit, aber schließlich konnte auch ihre Tochter sie um Vergebung bitten. Es kam zu einem neuen Miteinander. Aus dem, was wie ein absolutes Ende ausgesehen hatte, hatte Gott Neues ermöglicht, ja, er hatte dieses Scheitern dazu gebraucht, um eine Beziehung zu ermöglichen, die ohne die schmerzlichen Erfahrungen wahrscheinlich nie so tief geworden wäre.
Wenn wir Gott vertrauen, können wir in der Hoffnung leben, dass unsere Erfahrungen des Scheitern nie das absolute Ende sind. Nach dem Tod Jesu folgt die Auferstehung. In unserem Scheitern eröffnet Gott neue Lebensmöglichkeiten. Er führt weiter. Das gilt auch für die Frau, die für ihr Leben nach ihrer Scheidung keine Perspektive mehr sieht; ebenso für den Studenten nach dem nicht bestandenen Examen. Ja, das gilt sogar für die Erfahrung unseres Todes. Gott kommt zum Ziel mit unserem Leben, wenn wir ihm vertrauen. Dieses Vertrauen wünsche ich uns allen. Amen.

Verfasserin: Prädikantin Helga Sautter, Mühlspielweg 18, 37077 Göttingen

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