Menü

Das Leben verlieren um es zu gewinnen

von Elke Burkholz (Messel)

Predigtdatum : 22.03.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Okuli
Textstelle : Johannes 12,20-26
ggf. Homepage, auf der die Predigt verzeichnet ist : http://kirchemessel.de
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Predigt von Elke Burkholz, Messel
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus,
liebe Gemeinde,
wie wird mein Leben fruchtbar? Auf diese Frage antwortet unser heutiger Predigttext. Das ist eine andere Frage als wir sie gewöhnlich stellen. Wir fragen: Wie werde ich glücklich? Wie kann ich Leid vermeiden? Wie kommt Schönheit in mein Leben? Als ich jünger war, habe ich mich gefragt, wie komme ich zu einem unangestrengten Dasein? Alle diese Fragen so unterschiedlich sie auch sind, drehen sich um die eigene Person und deren Befindlichkeit. Die Frage unseres Predigttext dreht sich nicht um die Befindlichkeit der eigenen Person. Sie dreht sich um die Wirksamkeit um die Ausstrahlung nach außen um die Bedeutung des eigenen Lebens für andere. Sie fragt nicht, wie es mir gut gehen kann, sondern wie mein Leben einen Sinn gewinnt. Aber hören wir den Text. Ich lese Johannes 12, 20-26
20Es gab auch einige griechischsprachige Menschen unter denen, die hinaufgingen, um beim Fest anzubeten. 21Diese nun gingen zu Philippus – dem aus Betsaida in Galiläa – und fragten ihn und sagten: »kyriosHerr, wir wollen Jesus sehen!« 22Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus. 23Jesus antwortete ihnen und sagte: »Die Zeit ist gekommen, dass der doxagöttliche Glanz des hyioserwählten Menschen gezeigt werde. 24amenAmen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn, das in die Erde fällt, nicht stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, trägt es viel Frucht.
25Alle, die ihr psycheLeben lieben, verlieren es; und alle, die ihr Leben in dieser Welt hassen, werden es bis in das aionewige Leben bewahren. 26Die mir diakoneodienen, sollen mir folgen; und wo ich bin, dort werden auch die sein, die mir dienen. Alle, die mir dienen, die wird paterGott ehren, weil er mein Ursprung ist.

Der göttliche Glanz Jesu soll in der Welt strahlen. Luther übersetzt: die Herrlichkeit Jesu soll sichtbar werden. Und das geschieht nicht, indem eine Schar Engel vom Himmel kommen und sich um ihn herum gruppieren und laut rufen: Dies ist der Sohn Gottes. Sondern es geschieht, indem er in die schrecklichsten Tiefen, die ein Menschenleben zu bieten hat hinabsteigt, indem er unter furchtbaren Schmerzen gefoltert wird und elend stirbt. Jesus sagt hier: Indem das geschieht wird mein Leben fruchtbar. Indem ich mein Leben verliere werde ich es in Ewigkeit gewinnen. Indem ich mein Leben verliere werdet Ihr ewiges Leben gewinnen. Und er unterstreicht diese Aussage mit einem Bild aus der Landwirtschaft: Wenn das Weizenkorn, das in die Erde fällt, nicht stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, trägt es viel Frucht.
Und Jesus fährt fort, was für mich gilt, gilt auch für euch. Johannes drückt das so aus: 25Alle, die ihr psycheLeben lieben, verlieren es; und alle, die ihr Leben in dieser Welt hassen, werden es bis in das aionewige Leben bewahren. 26Die mir diakoneodienen, sollen mir folgen; und wo ich bin, dort werden auch die sein, die mir dienen.
Wenn wir Jesus folgen werden wir da sein wo er ist. Das heißt hier auf dieser Welt werden wir in Schwierigkeiten, Leid und bitteren Auseinandersetzungen sein. Aber wir werden auch in Ewigkeit dort sein wo er ist, nämlich im göttlichen Lichtglanz und im ewigen Leben.
Kommen wir irgendwie mit diesen Widersprüchen klar? Sterben um zu leben. Das Leben verlieren um es zu gewinnen. Das Leben in dieser Welt hassen um es in Ewigkeit zu bewahren? Wie sollen wir das verstehen?
Ich erkläre am besten erst mal wie es nicht zu verstehen ist. Vielleicht kommen wir der Sache dann näher. Diese Sätze wurden lange so missverstanden: Hier in diesem Leben lebe ich moralisch, ich opfere mich für andere auf und dann bekomme ich nach meinem Tod den Lohn dafür im Himmel in Form des ewigen Lebens. So ist das nicht zu verstehen. Denn ewiges Leben fängt nicht erst nach dem Tod an, es beginnt hier auf dieser Erde. Aber wie sind die Widersprüche dann zu verstehen: Sterben um zu leben. Das Leben verlieren um es zu gewinnen. Das Leben in dieser Welt hassen um es in Ewigkeit zu bewahren?
Ich glaube es geht um Entwicklungsaufgaben. Wir bleiben nur lebendig, wenn wir uns ständig verändern und uns neuen Herausforderungen stellen und die Verbindung zu anderen stärken. Tot bin ich, wenn ich mich den ganzen Tag vor den Fernseher setze mich unterhalten lasse mir ab und zu ein paar Chips hole und eine Pizza aufbacke und mich ansonsten nicht für die Menschen in meiner Umgebung interessiere. Wenn ich so lebe, dann lebe ich an dem Leben, das Gott mir geschenkt hat vorbei und bin auf dem Weg in den ewigen Tod.
Wenn ich aber Jesus nachfolge, dann interessiere ich mich für andere Menschen. Dann frage ich die Nachbarin, die mir auf der Strasse begegnet, wie es ihr geht. Und ich nehme Anteil daran, wenn sie über Schmerzen klagt. Und dann frage ich einen Freund wie der Betrieb läuft und lasse ihn erzählen, dass er nachts nicht mehr schlafen kann, weil die Aufträge eingebrochen sind und er nicht weiß wie lange er sein an sich gesundes Unternehmen noch halten kann. Ich halte mit ihm zusammen seine Angst aus. Ich gebe seiner Angst Raum in meinem Herzen und ich bete für ihn. Oder ich höre meiner Tochter zu, und beruhige sie, wenn der Abistress zu groß wird. Wenn wir so leben, dass wir in unserem Leben Raum für die Probleme anderer Menschen lassen, dann verlieren wir von unserer Lebenszeit, Zeit, die wir nicht unserem eigenen Vergnügen widmen können, wir verlieren wie Jesus sagt unser Leben. Aber wir gewinnen es auch. Denn so zu leben ist ungeheuer sinnvoll und befriedigend.
Aber kann es so einfach sein, Jesus nachzufolgen? Ist das wirklich gemeint, wenn da steht: alle, die ihr Leben in dieser Welt hassen, werden es bis in das aionewige Leben bewahren. Das eigene Leben hassen ist das nicht etwas anderes als ein bisschen Freundlichkeit im Alltag und Anteilnahme an den Schwierigkeiten anderer? Nein, ich glaube nicht. Denn ich kann nicht wirklich auf andere zugehen und mit ganzem Herzen bei ihnen sein, wenn ich mich nicht für die Kraft Gottes öffne. Und wenn ich mich auf die Gegenwart Jesu Christi in dieser Welt einlasse, dann ist es manchmal nötig, das eigene Leben zu hassen. Denn sonst finde ich nicht die Kraft finden mich von Gott her verändern zu lassen. Hass ist ein starkes Gefühl und manchmal brauchen wir starke Gefühle, um etwas im eigenen Leben zu verändern. Wir müssen die Ungerechtigkeit hassen, damit wir lernen uns für die Gerechtigkeit einzusetzen. Wenn wir etwas Falsches und Böses nicht hassen, werden wir nicht die Kraft finden, dagegen zu kämpfen und uns und andere daraus zu befreien.
Ich erkläre das mal an einem einfachen Beispiel: Eine Frau kam aus einer Familie, in der es üblich war, dass die einen etwas wussten und eine Information bekamen, die sie nicht an die anderen weitergeben durften. Die einen durften das nicht wissen, die anderen jenes. Aber dann erfuhren doch welche das Geheimnis. Aber die einen wussten dann nicht dass die anderen es doch wissen. In der Familie entwickelte sich großes Misstrauen. Alle waren vorsichtig. Man redete nicht mehr offen miteinander, weil man ja immer aufpassen musste, was man sagt oder was man verschweigen sollte. Die Mitglieder der Familie wurden voneinander getrennt und gegeneinander ausgespielt. Irgendwann merkte die Frau, was diese Geheimniskrämerei anrichtet, und sie hat es gehasst. Sie hat beschlossen dabei nicht mehr mitzuspielen. Wenn ihr jemand etwas unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen wollte, hat sie gesagt: Ich werde das nicht verschweigen. Ich finde alle sollten das wissen. Manche waren dann erst mal beleidigt. Aber andere sind ihrem Beispiel gefolgt. Die Atmosphäre in der Familie wurde offener, Verletzungen, die durch die Geheimniskrämerei entstanden sind wurden geheilt. Aber es war nötig, das was in der Familie los ist zu hassen, um etwas zu verändern. Wenn wir uns für Gottes Gegenwart in Jesus Christus öffnen, dann werden wir in unserem Leben immer etwas finden, was wir hassen werden. Der Weg in ein gutes Leben führt darüber, dass wir Dinge, die falsch sind in unserem Leben aufgeben. Manchmal muss etwas in uns sterben, damit wir lebendiger werden können.
Und manchmal ist es dazu nötig etwas zu riskieren und das kann auch mal zu Schwierigkeiten führen. Fruchtbares Leben heißt eben auch, dass wir nicht immer allen Schwierigkeiten ausweichen dürfen. Denn durch Schwierigkeiten hindurch vertiefen sich unsere Beziehungen und gewinnt unser Leben Sinn.
Jesus Christus hat uns gezeigt, wie extrem fruchtbar es manchmal sein kann, Leiden freiwillig auf sich zu nehmen. Er hat seine Botschaft mit seinem Tod bezeugt. Viele sind ihm gefolgt. Ich glaube nicht, dass je jemand gelebt hat, der die Welt in stärkerem Maße verändert hat als Jesus und das in nur drei Jahren öffentlichen Auftretens.
Jesus Christus hat uns den Weg zum ewigen Leben gezeigt, zu einem guten Leben hier auf dieser Erde, das mit dem Tod nicht zu Ende sein wird. In der Passionszeit konzentrieren wir uns auf die dunkle Seite dieses Weges zum ewigen Leben. Diese dunkle Seite kann uns zum Licht werden. Jemand hat mir kürzlich davon erzählt. Er hat in der Nacht wach gelegen und hatte Angst und war verzweifelt. Und die Sonne ging auf und er hat in seinem Fenster das Kreuz gesehen und wusste plötzlich: Ich bin nicht allein. Jesus Christus ist bei mir. Er hat das, was ich jetzt gerade durchstehen muss auch erlebt, die Angst und die Verzweiflung. Dieser Mann fühlte sich davon ungeheuer getröstet. Ja, ich weiß nicht warum das so ist. Aber das Leben enthält einfach Schmerz und Angst und Verzweiflung. Ich wünsche uns allen, wenn wir da hinein geraten, dass es uns dann geht wie diesem Mann. Dass wir die tröstliche Gegenwart Jesu spüren, die uns da hindurch trägt. Und der Friede Gottes ….