Das Lied der Erlösten
von Hans Reiner Haberstock (Ev. Luthergem. Frankfurt a. M.)
Predigtdatum
:
06.05.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Jubilate
Textstelle
:
Jesaja 12,1-6
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Wochenspruch:
Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder
(Psalm 98, 1)
Psalm:
98 (EG 739)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 12, 1 – 6
Epistel:
Kolosser 3, 12 – 17
Evangelium:
Matthäus 11, 25 – 30
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 243
Lob Gott getrost mit Singen
Wochenlied:
EG 341
Nun freut euch, lieben Christen g´mein
Predigtlied:
EG 289
Nun lob, mein Seel, den Herren
Schlusslied:
EG 181.6
Laudate omnes gentes
Jesaja 12, 1 - 6
1 Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. 2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. 3 Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen. 4 Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! 5 Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! 6 Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!
Hinführung:
Das Kapitel 12 im Buch des Propheten Jesaja ist, wie dies unter anderem aus den Evangelischen Predigtmeditationen Band II, 1982/83 zu entnehmen ist, nach Meinung der Exegeten nicht dem Propheten selbst, sondern einem seiner Schüler oder der Gruppe, die das Prophetenbuch aufbewahrt hat (nach Claus Westermann, Bibelkunde) zuzuschreiben.
Der Prophetenschüler oder die genannte Gruppe hat das Kapitel 12 als liturgischen Abschluss an die Kapitel 1-11 angefügt.
Kapitel 12 ist ein prophetisches Danklied. Es sind Bezüge zu den Verheißungen aus Kapitel 11 zu erkennen. In dem vorliegenden Predigtvorschlag stelle ich auf diesem Hintergrund den Bezug von Jesaja 11, 15-16 zu 12,2 deutlich heraus. Mir ist bei der Auseinandersetzung mit dem Predigttext und der Stellung des Textes im Kirchenjahr( Sonntag Kantate im österlichen Festkreis) deutlich geworden, dass ausgehend davon, dass 12,2 ein wörtliches Zitat aus dem Moselied in Exodus 15, eine Linie gezogen werden kann vom Lied des Mose über das Lied im Jesajabuch, das wohl zur Zeit des babylonischen Exils entstanden ist bis hin zu den Osterliedern. So ging es mir darum, die Exodustradition mit ihrer Verbindung zur Osterbotschaft herauszustellen. Vom Lied des Mose her, das aufgenommen ist im prophetischen Dank – und Hoffnungslied in Jesaja 12 kann uns bewusst werden, was es bedeuten kann: Gottes Lob zu singen. Gott ist mein Loblied, diese Worte aus 12,2 bilden für mich den Kernsatz, der zu entfalten ist und deutlich macht, was das Singen von Gotteslob für unser Leben und unsere Gottesbeziehung bedeuten kann.
Zu solchem Singen möchte ich ermutigen. Selbst singe ich seit mehr als 30 Jahren in Chören , unter anderem in der Hessischen Kantorei, von daher kenne ich es aus eigenem Erleben, wie das Herz, die Seele, der ganze Mensch beim Singen von Gottes Lob aufleben kann.
Singen ist ein elementarer Bestandteil unseres Gottesdienstes, mit der Predigt will ich bewusst machen, jede und jeder, die ganze Gemeinde soll ermuntert werden, das Singen als elementare Lebensäußerung, als Gottesgabe für uns Menschen zu entdecken.
Der Sonntag Kantate gehört zum österlichen Festkreis und so wie Miriam und Mose das, was Israel am Schilfmeer erfahren hat, in einem Lied ausdrücken, verdichten und weitertragen, so kommt den Osterliedern eine wesentliche Rolle zu , um die Osterbotschaft weiterzutragen. Von dem zu singen, was wir nicht fassen können, „Lobsinget Gott, der Wunderbares tat“, dazu sind wir als Gemeinden berufen und begabt.
Predigt:
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen!
Der Predigttext zum Sonntag Kantate ist in diesem Jahr das 12. Kapitel im Buch des Propheten Jesaja: … (der Predigttext wird vorgelesen)
Freie Wiedergabe des Textes als Alternative zur Lutherübersetzung: (aus Evangelische Predigtmeditationen 1982/83 Band II, ev. Verlagsanstalt Berlin):
(1)Es kommt ein Tag, da wirst du sprechen:
Ich dank dir, Gott, denn du hast mir gezürnt/
Doch wandte sich dein Zorn, und du hast mich getröstet.
(2) Fürwahr, Gott ist mein Heil/
Vertrauen kann ich, brauche nichts zu fürchten,
Gott ist meine Stärke und mein Loblied,
er wurde mir zum Heil.
(3) Mit Freuden könnt ihr Wasser schöpfen/
Aus seinen Quellen, euch zum Heil!
(4) Es kommt der Tag, da könnt ihr sprechen:
Danket Gott, ruft an seinen Namen!
Bekannt macht allen Völkern seine Taten/
Verkündet: erhaben ist sein Name!
(5) Lobsinget Gott, der Wunderbares tat,
in aller Welt soll man es hören!
(6) Jubelt und jauchzt, die ihr in Zion wohnt/
groß ist der Heilige Israels in eurer Mitte!
Liebe Gemeinde!
Lobsinget Gott! – Cantate Domino! – In vielen Gemeinden singen heute, am Sonntag Kantate, Kirchenchöre und Kantoreien oder Kinderchöre das Lob Gottes.
Die Freude am Singen kann überspringen, wo wir sehen und hören, wie die, die für uns und mit uns zum Lobe Gottes singen, mit ganzem Herzen dabei sind.
Mit ganzem Herzen dabei sein – sich mit ganzer Seele in ein Lied, in das Singen hineingeben, dazu ermuntern uns die Worte aus dem Jesajabuch: Lobsingt, jubelt und jauchzt. -
Es gehört zu unserer Gottesdiensttradition, dass wir im Gottesdienst miteinander singen. Der Gottesdienst ist, abgesehen von Chören und Bands, einer der wenigen Orte, wo jede Frau, jeder Mann, jedes Kind an jedem Sonntag singen kann.
Ansonsten ist das Singen in den letzten Jahrzehnten ziemlich aus der Mode gekommen. Nur ganz selten wird bei Festen oder Familienfeiern noch miteinander gesungen.
Damit könnte es zusammenhängen, dass Kinder, die im Kinderchor oder in der Schule noch begeistert gesungen haben, wenn sie ins Konfirmandenalter kommen, sich genieren ein Lied mitzusingen. Es bleibt dann oft so, dass das Singen, professionellen Sängerinnen und Sängern oder den Chören überlassen wird.
Wir, die Gemeinden, haben den Auftrag und die Chance, dabei mitzuwirken, dass das Singen als elementare Lebensäußerung wieder entdeckt werden kann. Singen ist, wenn wir ganz dabei sind, etwas sehr Vitales. Wir selbst können dabei spüren, wir sind lebendig. Beim Singen werden Lebenskräfte mobilisiert und selbst, wo wir mit Handicaps leben müssen, beim Singen kann das in den Hintergrund treten und wir können einstimmen in die Melodie des Lebens. Das ist eine Erfahrung, die gerade ältere Menschen bestätigen können, dass wir, wie alt oder gebrechlich wir auch sein mögen, beim Singen neu aufleben können.
Nicht von ungefähr kommt es, dass das Singen auch in therapeutischen Einrichtungen als Therapieform neu entdeckt worden ist. Es gibt in unserem Gesangbuch den Kanon: die Gott suchen, denen wird das Herz aufleben. Ein wenig abgewandelt könnte der Text auch lauten: die Gott loben, denen wird das Herz aufleben. Aufleben ein schönes Wort, - aufleben, das bedeutet: wieder hoffen können.
Wie jung oder alt wir auch sein mögen, wir erleben mit anderen und auch mit uns selbst so Vieles, was uns geknickt macht – wir brauchen alle, was uns wieder aufleben lässt.
Die Worte aus dem Jesajabuch, die wir als Predigttext gehört haben, sind die Worte eines alten Hoffnungsliedes. Der Prophet Jesaja hat die schwere Aufgabe, seinen Zeitgenossen unbequeme Wahrheiten sagen zu müssen, ja mehr noch kommendes Unheil, Krieg und Verbannung ansagen zu müssen und es zu deuten als Folge von Gottvergessenheit. Die Gottvergessenheit zur Zeit des Propheten hat dazu geführt, dass menschliche Machtgier und Willkür die soziale Gerechtigkeit und die Rechtssicherheit zerstört haben. Die Schere zwischen einer reichen Oberschicht und denen, die um ihren Besitz gebracht worden sind und um ihr Recht betrogen werden, klafft weit auseinander. Solche Zustände höhlen ein Land aus, zerstören den gesellschaftlichen Zusammenhalt und machen das Land zur leichten Beute für die Machtgier von Herrschern benachbarter Staaten.
Die Worte des Propheten sind möglicherweise von vielen nicht ernst genommen worden. Prophetische Kritik stößt leider immer noch allzu oft auf taube Ohren. Bei denen, die auf Jesaja hörten, werden seine Worte Angst ausgelöst haben.
Aber Jesajas Auftrag ging weiter, auch wenn er schonungslos die Missstände um ihn herum beim Namen nennt und für die nahe Zukunft Unheil anzusagen hat, so hat er doch auch eine Vision von einer fernen Zukunft zu verkünden, in der Wölfe bei Lämmern wohnen und Panther bei Böcken lagern, das heißt eine Zukunft, in der Machtgier und Willkür überwunden sind.
Es ist die Vision eines Friedens, die mit den Worten beginnt: Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.
Ein Schüler des Propheten oder die Gruppe, in der die Worte des Propheten aufbewahrt worden, sind hat dieser Vision die Worte unseres Predigttextes angefügt und damit deutlich gemacht: was auch geschieht, diese Vision zeigt uns die Zukunft, die Gott uns geben will.
Mitten in den zuweilen bedrückenden Realitäten, dürfen Israeliten damals, dürfen wir heute hören: Es kommt ein Tag, da wirst du sprechen: Ich dank dir, Gott, denn du hast mir gezürnt/ doch wandte sich dein Zorn und du hast mich getröstet. Fürwahr, Gott ist mein Heil / vertrauen kann ich, brauche nichts zu fürchten. Gott ist meine Stärke und mein Loblied / er wurde mir zum Heil.
Gott ist meine Stärke und mein Loblied und ist mein Heil – das ist wörtlich übernommen aus dem Lied des Mose nach dem Durchzug des Volkes Israel durchs Schilfmeer, und in diesem Lied des Mose erklingt das älteste Lied, das uns die Bibel überliefert, das Lied der Miriam.
Indem der Verfasser unseres Predigttextes, diese Worte aus dem 2. Buch Mose in sein Lied aufgenommen hat, nimmt er Bezug darauf, dass der Prophet Jesaja in seiner Vision sagt:
Und der Herr wird zu der Zeit zum zweiten Mal seine Hand ausstrecken, dass er den Rest seines Volkes loskaufe.
Das Lied der Hoffnung, das wir im 12. Kapitel des Jesajabuches hören, nimmt also ganz deutlich Bezug auf diese Urgeschichte von Befreiung und verbindet das uralte Befreiungslied Israels mit der Hoffnung auf die Zukunft.
Seit altersher wird auch die Osterbotschaft verbunden mit jener Geschichte von der Befreiung Israels am Schilfmeer. Dass das 12. Kapitel des Jesajabuchs mit diesem Hoffnungslied als Predigttext für den Sonntag Kantate ausgewählt worden ist, lässt erkennen: das Lied von Miriam und Mose, das Befreiungslied Israels, wird zum Lied der Hoffnung in bedrückender Gegenwart und schließlich zum Osterlied. Von Ostern her erkennen Christinnen und Christen in Jesus von Nazareth den, auf dem der Geist des Herrn ruht, den Gesalbten, das heiß den Christus Gottes.
Die Osterbotschaft gibt uns Grund einzustimmen in dieses uralte und doch immer wieder neue Lied der Hoffnung mit dem wir das Unfassbare, Unglaubliche in die Welt hineinsingen können: Danket dem Herrn, ruft an seinen Namen. Bekannt macht allen Völkern seine Taten. Lobsinget Gott, der Wunderbares tat. In aller Welt soll man es hören. – Christ ist erstanden von der Marter alle - Singt Lob und Dank mit freiem Klang unserm Herrn zu allen Zeiten – Jubelt und jauchzt!
Mitten in den zuweilen bedrückenden Realitäten in dieser Welt begegnet uns dieses Lied der Hoffnung und ermuntert uns einzustimmen mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen und wo wir das tun, geschieht es: die Gott loben, denen wird das Herz aufleben. Wir werden mit hinein genommen, erleben an uns, das befreiende Wirken Gottes.
Die aus dem Lied des Mose übernommenen Worte im 2. Vers unseres Predigttextes können uns bewusst machen: wenn wir Gottes Lob singen, dann geschieht mehr, als dass wir Töne singen, unsere Stimme erklingen lassen, Worte mit Musik verbinden, Texte zu Musik werden lassen. Es heißt da: Gott ist mein Loblied und ist mein Heil. – Gott ist mein Loblied – das bedeutet, das Geschehen, von dem ich singe, das wunderbare Tun Gottes, von dem ich singe, ist nicht nur erinnerte Vergangenheit oder erhoffte Zukunft, sondern befreiende Gegenwart.
Gott ist mein Loblied – das heißt doch: im Singen seines Lobes bin ich mit ihm, ist Gott mir verbunden, geschieht etwas in mir, an mir, mit mir, - wird spürbar: Gott ist es, der mich aufleben lässt. – Führwahr, Gott ist mein Heil / vertrauen kann ich, brauche nichts zu fürchten. Gott ist meine Stärke und mein Loblied und ist mein Heil.-
In dieses Lied einzustimmen, dazu ermuntert uns der Predigttext. Wenn wir uns bewusst machen, in welchen Zusammenhang die Worte des Hoffnungsliedes im Jesajabuch hingestellt sind, dann können wir erkennen: unser Singen dient nicht dazu, die Probleme um uns herum vergessen zu machen.
Im Gegenteil, das Vertrauen, von dem wir singen, in dem wir singen, gibt uns die Kraft, furchtlos Missstände, die wir erkennen, beim Namen zu nennen und vor Realitäten, die uns Angst machen, die uns klein machen, die uns bedrängen und bedrücken können, weder zu kapitulieren, noch zu resignieren. Mit dem Singen von Gotteslob lassen wir die Menschen, die mit uns leben hören, dass wir festhalten an der Vision des Propheten Jesaja von einer Welt, wo Willkür und Machtgier überwunden sind durch ihn, auf dem der Geist des Herrn ruht – der auferweckt ist von Toten – uns zur Hoffnung.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus! Amen!
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