Menü

Das Scherflein der Witwe

von Markus Blume (06536 Südharz)

Predigtdatum : 07.08.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : 8. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Markus 12,41-44
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch: Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (Epheser 5,8b.9)

Psalm: 48,2–3a.9–15

Lesungen

Reihe I: Jesaja 2,1-5
Reihe II: Johannes 9,1-7
Reihe III: 1. Korinther 6,9-14(15-18)19-20
Reihe IV: Markus 12,41-44
Reihe V: Matthäus 5,13-16
Reihe VI: Epheser 5,8b-14

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 166 Tut mir auf die schöne Pforte
Wochenlied: EG 262 Sonne der Gerechtigkeit
Predigtlied: EG 420 Brich mit dem Hungrigen dein Brot
Schlusslied: EG 58,7.11-14 (Nun lasst uns gehn und treten) Gelobt sei deine Treue

Predigttext: Markus 12, 41-44

41 Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein.
42 Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller.

43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben.
44 Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Predigt

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder!

„Über Geld spricht man nicht – Geld hat man!“ – das ist ein „Grundsatz“, der wahrscheinlich recht gut bekannt ist und der auch von vielen Zeitgenossen eingehalten wird. Mit diesem Grundsatz wollen wir heute brechen – wir reden über Geld, wir reden sogar über viel und wenig Geld. Aber – wir wollen dabei nicht stehen bleiben.

Wenden wir uns der Szenerie zu, die unser heutiger Predigttext uns darbietet.

Das Geschehen spielt sich am und im Tempel zu Jerusalem ab. Hier am Hause Gottes, am Ort des Gebets, in dessen Nähe die Menschen kommen, um Gott nahe zu sein.

Jesus und seine Freunde gehen in den Tempel hinein. Die Freunde staunen über die Größe und Schönheit des heiligen Hauses. Diese Pracht und deren Unterhaltung kostet höchstwahrscheinlich eine Menge Geld. Kein Wunder, dass hier Opferstöcke stehen. Priester nehmen das Geld der Spender. Rufen die Summe aus. Und wenn es richtig viel ist, wird ein Tusch auf der Posaune gespielt. Nicht alles Geld wird für das Gebäude und die Bezahlung der Tempeldiener und Priester gesammelt. Ein gewisser Teil ist auch für die Versorgung von Waisen und Witwen, also die Armen vorgesehen.

Vielleicht rechnen die Freude in Gedanken Summen zusammen, wie auch wir es unter Umständen tun, wenn wir ein besonders prachtvolles Gotteshaus betreten. Doch Jesus geht ganz anders an die Sache heran. Er setzt sich einfach hin und beobachtet die Menschen. Er sieht die Menschen kommen und gehen: Junge und Alte, Reiche und Arme, Männer und Frauen. Der Gotteskasten, an dem viele Reiche und eine arme Witwe vorbeikommen, ist einer von insgesamt dreizehn Geldsammelkästen am Tempel zu Jerusalem. Münzen klimpern, raschelnde Scheine gab es ja noch nicht. Und plötzlich spricht Jesus seine Freunde an: „Habt ihr das gesehen? Zwei kleine Kupfermünzen hat diese Frau in den Opferkasten geworfen. Das ist mehr wert als all das andere, was da gegeben wurde, denn diese Frau gab alles, was sie besaß.“

Ganz ehrlich, ich wäre in dieser Situation gern unmittelbar dabei gewesen. Vielleicht hätte ich genauso verwundert geschaut, wie es sehr wahrscheinlich die Freunde Jesu taten. Vielleicht hätte ich eine Diskussion darüber angefangen, was denn nun gerade diese zwei kleinen Münzen gebracht haben und ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, dass die Witwe ein Brot für sich gekauft hätte. Vielleicht also hätte ich so gedacht und gesprochen, wie wir es heute in unserer Zeit gewohnt sind. Doch Jesus zeigt wieder einmal sehr deutlich, dass er einen anderen Blick, dass er andere Maßstäbe hat als wir. Er sieht in das Herz der Witwe. Er sieht sie in ihrer Gesamtheit als Mensch.

Was die Witwe in den Gotteskasten gegeben hat, war herzlich wenig, gewiss, aber es ist von Herzen gekommen. Mit großer Selbstverständlichkeit ließ die Witwe ihre Münzen in den Gotteskasten fallen. Mehr hatte sie nicht, aber sie hätte immer noch die beiden Scherflein teilen und eines für sich zurückbehalten können. Sie hat aber auch das nicht behalten. Sie zählte nicht. Sie teilte nicht auf in die Kategorien Behalten und Geben. Sie fasste keinen Gedanken, was sie vielleicht noch brauchen würde. Nein, sie hat alles gegeben, und von sich und ihrem Tun machte sie kein großes Aufheben. 

Die Reichen hatten mehr. Sie konnten zählen, wägen, entscheiden: Das eine in den Kasten, das andere in der eigenen Tasche behalten. Und immer noch landeten beeindruckende Beträge in den Opferkästen. Wir wissen es ja auch: Dicke Summen richten nun mal mehr aus und beeindrucken mehr. 

Doch Jesus geht es um etwas anderes. Er zeigt an dem Beispiel der Witwe auf, dass es vor Gottes Auge nicht darauf ankommt, eine große Leistung zu vollbringen und daraus einen Anspruch im Ansehen vor Gott abzuleiten. Die Witwe verlässt sich ohne große Worte auf Gott und vertraut darauf, dass er ihr auch weiterhin Lebensmöglichkeit lässt.

Und so ist auch für uns daraus zu entnehmen: Vor Gott gilt nicht, wie viel wir besitzen und somit geben können. Sondern vor Gott gilt, dass wir Menschen und somit seine Geschöpfe sind. Vor Gott gilt nicht, was wir von uns halten oder ob wir glauben, besser zu sein als Andere, sondern dass er uns ohne Bedingung annimmt und liebt. Gott erwartet von uns nicht Anstrengungen, um den Glauben zu beweisen, sondern er erwartet nichts mehr - aber auch nichts weniger - als unser Vertrauen.

Genau dieses Vertrauen lebt und verkörpert die arme Witwe. Eine Frau, die eigentlich nichts geben kann. Sie hat nur das allernötigste.

Solche Frauen verstecken sich in der Regel. Männer in vergleichbarer Situation übrigens auch. Sie schämen sich, weil sie nichts haben. Wohlstand gilt als Zeichen der eigenen Tüchtigkeit. Wer nichts hat - war der oder die etwa zu bequem, zu faul, nicht clever oder gerissen genug? Wer nichts hat, hält sich möglichst im Hintergrund. Es soll ja keiner merken, wie es ihm geht. Wer nichts hat, kann sich nicht beteiligen am Leben. Hat kein Geld für Urlaub, kein Geld für modische Kleidung, kein Geld für die dritten Zähne. Die Kinder können nicht in einen Sportverein, können nicht mithalten mit den anderen, deren teuren Turnschuhen, Markenklamotten und neuesten Handys. Wer nichts hat, tröstet sich oft mit reichlich Alkohol. Dabei hilft es rein gar nicht, Talsperre zu spielen und sich volllaufen zu lassen, denn Sorgen sind hervorragende Schwimmer. Arme sind häufiger auch noch krank, weil sie sich aufgegeben haben und keine Vorsorge betreiben können. Man sieht es ihnen an, dass sie arm sind.

Die Witwe, die Jesus beobachtet, die ist anders. Sie will sich beteiligen. Sie will spüren, wie gut es tut, wenn man für andere etwas gibt. Deshalb gibt sie, was sie kann: Zwei kleine Münzen. Das ist, was sie für einen Tag zum Leben bräuchte. Die Bibel erzählt: Das ist alles, was sie hat. Aber sie will trotzdem beteiligt sein. Sie zeigt mit ihrer Spende: Dieser Tempel ist auch mein Tempel. Nicht bloß der Tempel der Wohlhabenden. Ich trage auch dazu bei, dass er unterhalten werden kann. Sie hält sich nicht raus. Ihre Armut hat sie nicht passiv gemacht. Vielleicht ist sie sogar ein bisschen stolz, dass sie auch etwas geben kann. Ein bisschen glücklich.

Unter Umständen fasst in unseren Köpfen, liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder, jetzt folgender Gedanken Fuß: Ist das nicht schlicht leichtsinnig und leichtfertig, was sie tut? Wie kann sie alles weggeben, was sie hat? Morgen wird sie womöglich betteln müssen – und für den Tempel haben ihre zwei kleinen Münzen eigentlich doch gar nichts gebracht. Jedoch - solche Sorgen macht die Frau sich anscheinend nicht. Sie denkt offensichtlich nicht an morgen. Denn die Sorgen um das Morgen sind es ja, die das Herz oft eng machen und hin und wieder geizig. „Wir haben nichts abzugeben, wir müssen sehen, wie wir selber durchkommen.“ So denken und reden alle, die sich Sorgen machen. Und viele von diesen sehen gar nicht, wie gut es ihnen eigentlich geht. Sie sehen nur ihre Sorgen – und haben nichts übrig für die Hilfsbedürftigen. Kein Geld und auch kein Mitgefühl. Und obendrein weisen solche Menschen darauf hin, wie – in ihren Augen ungerechtfertigt – gut es anderen geht.

Die Frau mit den zwei Scherflein macht sich offenbar keine Sorgen. Oder vielleicht doch? Aber das Geben ist ihr wichtiger. Es ist ihr wichtiger, dass sie sich darüber freuen kann, sich beteiligt an einer guten Sache zu beteiligen.

„Wie kann man so offensichtlich sorglos leben?“, fragen wir uns vielleicht. Eine Antwort habe ich auf diese Frage auch nicht. Ich kann nur vermuten, denn ich glaube, sie vertraut auf Gott. Er hat sie bisher versorgt. Nicht mit viel – aber immerhin hat es immer zum Leben gereicht. Sie durfte erfahren, dass es immer irgendwie gereicht hat. Vielleicht auch, dass zur rechten Zeit Hilfe kam. Vielleicht sogar durch einen Beitrag, der aus jenem Opferkasten kam. Wer geben kann, der kann auch Hilfe annehmen, so denke ich. Leichter als der, der immer meint: Ich brauche nichts und niemanden. Die arme Witwe gibt, weil sie etwas geben kann. Und weil sie mithelfen möchte, dass das soziale Gefüge ihrer Welt intakt bleibt. Dass es Hilfe gibt, wo Hilfe gebraucht wird. Gemeinhin nennen wir das wohl Hingabe.

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder, wir sollten uns diese Witwe als Vorbild erwählen. Denn mit Ehrlichkeit betrachtet, sind wir ganz offensichtlich nicht arm, sind wir wohl näher bei den Wohlhabenden dort im Tempel zu finden, als bei der armen Witwe. Doch von dieser Frau lernen wir: Geben tut gut. Geben macht Freude. Geben macht stolz. Geben bringt Vertrauen mit sich. Wer geben kann, kann sich aufrichten. Und es muss ja nicht immer zwangsläufig Geld sein. Wir können auch Zeit geben, Mitgefühl, Fürsorge, Arbeitskraft. Wer gibt, kann wahrscheinlich auch leichter nehmen, wenn es nötig ist.

Das alles lernen wir von jener Witwe, wohl wissend, dass manches Lernen uns schwer fällt. Doch wie sagt es ein weiterer sprichwörtlicher Grundsatz: „Nur Übung macht den Meister“. Also lasst uns gemeinsam der Lebenseinstellung dieser Witwe folgen und so zu einem größeren Vertrauen zu Gott, unserem himmlischen Vater finden.              

Amen.

Fürbittgebet    

Gerechter und liebevoller Gott! Du hast alle Menschen nach deinem Ebenbild geschaffen, aber wir haben uns oft einander entfremdet, weil wir sehr oft nur noch das anerkennen, was wir mit unseren Augen zu sehen glauben. Du hast uns mit einem Herzen geschaffen, das dir vertraut und aus deiner Liebe lebt, aber wir haben uns von dir abgewandt.

Nun stehen wir vor den Trümmern einer friedlosen Welt, einer zerstrittenen Menschheit und eines verlorenen Glaubens und Vertrauens. Wir bekennen vor dir, dass auch wir an diesem Zustand nicht schuldlos sind.

Dabei hast du Jesus Christus in diese eigentlich so wunderbare und doch so armselig gewordenen Welt gesandt, damit deine Liebe in ihr und bei uns wieder sichtbar werden kann. Wir bitten dich um seinen Beistand für unser Leben, so dass wir die Kraft erhalten, unseren Egoismus durch Hilfsbereitschaft zu ersetzen, wirklich voller Freude und Vertrauen Teilen und Geben zu können, ohne uns unseren Sorgen Untertan zu machen.

Lass uns begreifen, dass guten und frommen Worten auch wahrhaftige Taten folgen müssen. Bewege uns dazu, menschenunwürdige Verhältnisse durch unsere Mithilfe zu ändern.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Markus Blume, Dorfstraße 10, 06536 Südharz


Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).