Das vornehmste Gebot
von Elisabeth Müller (06110 Halle (Saale))
Predigtdatum
:
19.10.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
16. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Epheser 5,15-21
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Wochenspruch:
Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.
(1. Joh 4, 21)
Psalm: Psalm 1
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 20, 1 - 17
Epistel: Römer 14, 17 - 19
Evangelium: Markus 12, 28 - 34
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 168, 1 - 3 Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied: EG 397 oder
EG 494 Herzlich lieb hab ich dich, o Herr
In Gottes Namen fang ich an
Predigtlied: EG 382 oder
EG 387 Ich steh vor dir mit leeren Händen
Mache dich, mein Geist, bereit
Schlusslied: EG 168, 4 - 6 Wenn wir jetzt weitergehen
Hinführung
Der vorgeschlagene Predigttext aus dem Epheserbrief endet mit dem Vers: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.“ (Eph 5, 21) Für den folgenden Predigtvorschlag habe ich mich aber dazu entschieden, den Text mit dem Vers 20 enden zu lassen. Der Vers 20 lässt den Abschnitt auf Gott gerichtet enden. Das Lob Gottes sei der Beschluss des Handelns der Menschen. Im Evangelium werden wir dazu aufgefordert, Gott und unseren Nächsten zu lieben. Dazu bietet uns der Predigttext drei Handlungsmög-lichkeiten: das genaue Hinsehen, das Hinhören/Verstehen und das Danken/Loben. Aus der japanischen Kunst ist das Bild der drei Affen vielen Zuhörenden bekannt. Es sagt in unserem Verständnis genau das Gegenteil: nicht sehen, nicht hören, nicht reden. In diesem Sinne stellt es einen gu-ten Kontrast dar und veranschaulicht, wie schwer es sein kann, der Aufforderung des Paulus zu folgen.
Predigt
Der Predigttext wird während der Predigt verlesen
Liebe Gemeinde,
im Evangelium haben wir gehört, dass wir unseren Nächsten lieben sollen wie uns selbst und dass wir Gott lieben sollen. Im Miteinander der Menschen erleben wir aber immer wie-der, dass in schwierigen Situationen gesagt wird: „Tut mir leid, ich habe nichts gesehen.“, oder: „ Ich habe nichts davon gehört.“. Und immer wieder auch: „Dazu kann und will ich nichts sagen.“ Wir haben dafür das ursprünglich ja-panische Bild der drei Affen, die nebeneinander sitzen, der eine hält sich die Augen zu, der zweite die Ohren und der dritte den Mund: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Galt es im alten Japan als positive Eigenschaft, wenn Men-schen über schlechte Dinge hinwegsehen oder –hören konn-ten, so ist das Bild der drei Affen bei uns heute eher ein Symbol für mangelnde Zivilcourage, dafür, dass man sich lieber aus allem heraus-halten will.
Der Predigttext, den wir heute hören, spricht auch ganz klar gegen die positive Deutung des Bildes der drei Affen. Er steht im Epheserbrief im 5. Kapitel:
Verlesung des Predigttextes Eph 5, 15 - 20
Seht – versteht – singt
Am Beginn dieses Abschnittes aus dem Epheserbrief fordert uns der Apostel Paulus auf zu sehen: Seht darauf, wie ihr euer Leben führt! Damit will er uns sagen, dass wir mit offenen Augen durch die Welt gehen und genau hinsehen sollen. Wir sollen unterscheiden zwischen dem, was gut ist und dem, was nicht gut ist. Wir sollen uns einen klaren Blick bewahren, nicht die Hände vor die Augen legen. Das Sehen ist unglaublich wichtig für den Menschen. Er orientiert sich mit den Augen, kann mit anderen in Kontakt kommen und seine Umwelt wahrnehmen. Im Neuen Testament wird uns immer wieder von Menschen erzählt, die nicht sehen kön-nen und Jesus bitten, ja geradezu drängen, er möge ihnen doch das Augenlicht wieder schenken, sie wieder gesund machen. Deshalb sagt Paulus: Ihr, die ihr sehen könnt, seht sorgfältig, akribisch, genau hin, - eben nicht oberflächlich.
Unsere Gottesdienste sind wenig auf das Sehen ausgerich-tet. Andere können das viel besser. Sehen wir uns nur allein die Werbung an oder manche Zeitung: wenig Text, viel Bild. Mit einem schnellen Blick habe ich das Wichtigste erfasst und die Botschaft verstanden. Bilder sind speziell auf das Sehen ausgerichtet. Mir wird schnell suggeriert, dass ich zugreifen soll und damit garantiert nichts falsch mache. Damit wird mir die Entscheidung zu einer Sache leicht gemacht.
Aber Paulus sagt: Seht genau hin, lasst euch nichts vormachen, unterscheidet zwischen weise und unweise. Nicht Augen zu und durch.
Nein, Ihr habt durch euer sorgfältiges Hinsehen die Chance, zu wählen und euch für das wirklich Gute zu entscheiden. Das muss nicht schnell gehen.
Im Gottesdienst und in der Bibel werden aus diesem Grund immer wieder Sprachbilder verwandt. Wir sind eingeladen, sie uns vor unserem inneren Auge anzuschauen und mit den realen Bildern zu vergleichen. Wir sollen mit wachen Augen das Wahre in den Bildern sehen und unterscheiden zwischen vorgespielter und wirklicher Wahrheit. Dabei setzt Paulus dem Sehen noch die Aufforderung hinzu: „Kauft die Zeit aus!“ – nehmt dem Bösen und Schweren die Schärfe, in dem ihr sie in das rechte Licht rückt bzw. mit dem rechten Blick anschaut. Wir sollen uns nicht überwältigen lassen von dem, was in bunten und schrillen Bildern rasch an uns vo-rüberzieht, sondern dem wachen Auges entgegentreten und versuchen, es zu verstehen.
Im Verstehen liegt der zweite Gegenentwurf des Paulus zum Bild der drei Affen. Der zweite Affe hält sich die Ohren zu, er will nicht hören. Aber Paulus spricht vom Verstehen des Willen des Herrn. Unmittelbar damit verbunden ist das Hören auf sein Wort. Im Sehen auf das, was Gott uns in seiner Schöpfung schenkt und im Hören auf das, was er sagt, können wir verstehen, was er für uns erdacht und bestimmt hat.
Mit dem Hören ist es bei uns oft wie mit dem Sehen. Wir hören nur flüchtig hin und haben eigentlich schon im Kopf, was wir zu hören meinen. Je lauter die Töne sind, umso schwerer ist es wirklich zu hören. Die Worte erreichen unsere Ohren als Lärm. Bei den leisen Tönen müssen wir genauer hinhören und detaillierter verstehen. Meist fällt es uns schwer, zu zuhören. Wir sind voller Gedanken und Ideen, die wir selber anderen mitteilen wollen. Oder wir haben eigene Probleme, die uns besetzt halten. So er-reichen uns die Worte der anderen nur äußerlich, wir hören sie nicht wirklich und haben Mühe, sie zu verstehen.
Auf der Suche nach dem Willen des Herrn müssen wir genau hinsehen und hinhören, nur so haben wir die Möglichkeit, ihn zu finden. Für das Hören müssen wir uns Zeit nehmen, damit wir Zwischentöne wahrnehmen und Antworten auf Fragen finden können. Manche von uns kennen sicher das Wort von Antoine de Saint-Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Ich denke, dieses Wort trifft ebenso für das Hören zu. „Man hört nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Ohren nicht hörbar.“ Wenn wir dazu aufgefordert werden, einander zu lieben, dann geht das gar nicht ohne auf-einander zu hören und acht zu haben. Die anderen im Blick haben und auf das hören, was sie bewegt, so kann Nähe und Gemeinschaft entstehen. Mit dem Herzen hören, lässt uns im Miteinander der Menschen Gottes Willen erkennen.
Der dritte Affe in der japanischen Karikatur hält sich den Mund zu, ein Symbol für das Schweigen. Paulus dagegen sagt: „Ermuntert euch mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern und singt.“ Redet von dem, was ihr gesehen und gehört habt.
Nicht jedem wird zum Singen zumute sein. Man sieht und hört nicht nur Schönes oder Erfreuliches. Da gibt es Bedrückendes, Schweres, denken wir nur an die Orte auf der Welt, wo Hass und Krieg das Zusammenleben bestimmen. Oder die vielen Menschen bei uns, die allein und einsam sind. Auch das Leben mit einer Krankheit oder in einer zerstrittenen Familie verschließt oft unseren Mund. Wie sollen wir angesichts dessen singen und loben. Viel eher möchten wir klagen oder weinen.
Paulus wusste darum. Auch zur Zeit der ersten Christen in Ephesus gab es immer wieder Grund zur Klage. Es gab Dinge, die die Menschen belastet und in Verzweiflung ge-trieben haben. Darum fordert er uns auf, uns gegenseitig zu ermuntern. Betet miteinander. Seht und hört miteinander. Erzählt euch, was ihr gesehen und gehört habt und seid darüber miteinander und mit Gott im Gespräch!
Das ist eine Aufforderung, die wir uns immer wieder neu zu Herzen nehmen sollten. Wie oft bleiben wir mit unseren Gedanken und unserem Erlebten allein. Oft fällt es uns schwer, über eigene Dinge offen zu reden. Wie oft sind wir gehemmt, über unseren Glauben vor oder mit anderen zu sprechen. Schnell sagen wir dann, dass solche Themen doch Privatsache sind. Nein. „Ermuntert euch gegenseitig, singt und dankt.“, sagt Paulus.
Das verständige Sehen und Hören wird uns den Sinn der Dinge zeigen, wird uns verstehen lassen, warum etwas geschieht. Wir werden erkennen, dass Gott in allem ist, im Leichten und Schönen, dem, was uns singen lässt, und ebenso auch im Schweren und Bedrückenden, was eher unseren Mund verschließt. Er ist in allem bei uns.
Wenn wir genau hinsehen und –hören, können wir Gottes Liebe erkennen. Das schenkt uns Dankbarkeit. Wir können Gott danken für all das, was er uns täglich schenkt. Wir können danken dafür, dass er in allem bei uns ist. Wenn wir ihm danken, kann das Zeichen unserer Liebe zu Gott sein. Wir reden mit ihm, nehmen ihn und seine wunderbaren Werke wahr und loben ihn für das, was er für uns getan hat.
Das Lob Gottes ist die letzte Aufforderung des Paulus an uns in dem Text aus dem Epheserbrief. Es erleichtert uns das Sehen und Hören der Welt und lässt uns mit Gott und miteinander im Gespräch sein.
Amen
Verfasserin: Gemeindepädagogin Elisabeth Müller
An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)
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