Wochenspruch:
Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, daß der auch seinen Bruder liebe. 1.Johannes 4,21
Psalm: Psalm 1
Lesungen
Altes Testament: 2.Mose 20,1-17
Epistel: Römer 14,17-19
Evangelium: Markus 12,28-34
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 161 Liebster Jesu, wir sind hier
Wochenlied: EG 397 oder
EG 493 Herzlich lieb hab ich dich, o Herr oder In Gottes Namen fang ich an
Predigtlied: EG 409 Gott liebt diese Welt
Schlusslied: EG 451, 5 -10 Mein erst Gefühl
Hinführende Gedanken
Ende des 1. Jahrhunderts kommt es in christlichen Gemeinden zu Spannungen. Die ersten Christen waren vor allem Unfreie und arme Menschen: für sie war das Evangelium Befreiung und Zuspruch. Langsam kommen ‚die Anderen’ dazu. Innerhalb der Gemeinden entstehen soziale Ungleichgewichte. Streben nach Prestige und ein Personenkult werden beobachtet. Der Verfasser des Jakobusbriefes entlarvt solches Verhalten als Sünde, weil es sich gegen den gött-lichen Willen richtet. Das Messen nach weltlichem Maß ist für Christen nicht zulässig. Darüber hinaus bildet für den Autor ‚Tun und Reden’ ein Paar, das sich nicht trennen lässt. Sein Rezept: die Überwindung solchen Verhaltens durch den rechten Glauben – Rückbesinnung auf den, der das Maß aller Dinge ist: Gott selbst, auf Grundlage des Nächstenliebegebotes: Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe. (1. Johannes 4,21). Dabei ist die Erzählung beispielhaft überspitzt – eine konkrete ist nicht bewiesen.
Das Verhältnis von Handeln und Reden braucht auch heutzutage immer wieder Korrekturen. Bin ich als Christin in der Familie, auf Arbeit, im Freundeskreis erkennbar? Nach welchen Maßstäben beurteile ich Menschen? Sind unsere Gemeinden für alle Menschen offen oder schließen wir Gruppen aus? Kann Kirche in der Welt sich überhaupt den Maßstäben der Welt entziehen? Das sind Fragen, denen die Predigt nachgehen will.
Der rote Faden ist die Frage nach dem „Maß aller Dinge“. Das Beispiel des Predigttextes, die verkehrte Sitzordnung, wird auf eine alltägliche Situation übertragen, um an die Hörerwirklichkeit anzu-knüpfen. Die Situation des Predigttextes wird in kurzen Sätzen nach-erzählt, um das ‚sündhafte’ Verhalten der Gemeinde deutlich hervor zu heben.
Der Predigttext wird während der Predigt verlesen
Liebe Gemeinde,
was haben Säuglinge, Bananen und neue Fenster gemeinsam?
Richtig, sie alle werden gemessen.
Messbänder, Zollstöcke, Waagen – Messwerkzeuge begegnen uns täglich. Die Maßstäbe dazu werden von der EU geregelt und vom Eichamt kontrolliert. Doch wer legt eigentlich den Maßstab unseres Handelns fest? Und was passiert, wenn er durcheinander gebracht wird?
Dazu zwei kurze Fallbeispiele:
Ein Paar liegt in den letzten Zügen ihrer Hochzeitsvorbereitung. Eines fehlt noch: die Sitzordnung. Nach bestem Wissen und Ge-wissen grübeln sie nächtelang und entschließen sich am Ende für den Maßstab „Verwandtschaft“.
Am Abend der Feier öffnet sich plötzlich die Flügeltür zum Festsaal und der Oberbürgermeister betritt den Raum. Arbeitgeber der Braut. Geladen ist er nicht. Gleichzeitig kommt eine weitere Person herein. Der Onkel des Bräutigams - das Hemd notdürftig in die Hose ge-steckt. Trotz Einladung will niemand ihn dabei haben. Bei steigen-dem Alkoholpegel wird er zunehmend aufdringlich. Wie unange-nehm.
Mit einem Mal geschäftiges Treiben am Brauttisch – ein Stuhl wird herangerückt – „Herr Oberbürgermeister – wie schön, dass Sie da sind! Nehmen Sie am Brauttisch Platz.“ Währenddessen versucht die Mutter des Bräutigams ihren Bruder unauffällig an einen Tisch in der Ecke zu zerren. „Benimm dich!“ raunt sie ihm beim Weggehen ins Ohr.
Eine skurrile Situation. Konstruiert, doch wer kennt das nicht: Platz schaffen für einen wichtigen Gast und das unangenehme Auftauchen von Menschen, die einem peinlich sind.
Der heutige Predigttext erzählt Ähnliches.
Lesen des Predigttextes
Jakobus war nicht amüsiert. Mit feurigen Worten hält er seinen Zuhörern eine Mahnrede, einer Gerichtsverhandlung gleich. Auf der Anklagebank: die falschen Christen. Ihr Vergehen: Handeln nach falschen Maßstäben.
Am Ende des ersten Jahrhunderts stattet ein edler Gast einer christ-lichen Gemeinde einen Besuch ab. Offen ist, ob er Teil der Gemein-de ist. Er betritt den Raum. Man kann ihm den Reichtum ansehen. Ein goldener Ring blitzt am Finger. Diesem angesehenen Gast wird der beste Platz angeboten. „Setze dich bequem hierher.“ Wie emsige Bienen schwirren die Gemeindeglieder um ihn herum. Das gute Kissen wird ein letztes Mal aufgeschüttelt.
Wunderlich ist dieses Verhalten nicht. Mit Sicherheit war die Ge-meinde stolz auf ihren Gast. Vielleicht rechneten sie mit einer Spende? Oder sie fürchteten sich vor den Konsequenzen einer Missachtung? Ihr Handlungsmaßstab war das weltliche Ansehen des Gastes.
Zur gleichen Zeit betrat ein zweiter Mann die Synagoge. In Lumpen gekleidet, dreckig, barfuss. Seine Anwesenheit ist in höchstem Maße peinlich. Für ihn gab es keinen fürstlichen Empfang. Er erntet Ab-lehnung. „Stehe du dort oder setze dich unten an meinen Fußsche-mel.“ Heutzutage sind Sitzkissen modern. Zur damaligen Zeit galt der Fußschemel als Platz der totalen Erniedrigung. Der Gipfel der entehrenden Behandlung ist die Bezeichnung „mein“ Schemel – der Sprecher lässt den Armen zu seinen Füßen Platz nehmen und erhöht sich so über ihn.
Dabei ist unklar, warum nur dieser Platz zur Verfügung stand. War der Raum überfüllt? Die Gemeinde hatte kein Problem für den reichen Mann einen bequemen Sitz zu finden!
Nein, offensichtlich spiegelt die Platzanweisung den Maßstab wider, nach dem die Gemeinde Menschen beurteilt: Wer den Maßstäben der Welt entspricht, ist geachtet. Allen Anderen wird „Unehre angetan“.
„Was für ein unchristliches Verhalten“, denke ich im ersten Au-genblick. Die, die ihren Nächsten lieben sollten, lassen sich vom Gold blenden. So einfach ist es allerdings nicht und ich frage mich: Besuche ich nicht gern Gemeindeglieder, die sich für die Kirchen-gemeinde engagieren? Würde ich nicht gern einen bedeutenden Gast am Tisch sitzen haben? Würde ich den Onkel nicht auch in die hin-terste Ecke setzen? Werden Menschen nicht täglich an ihrem so-zialen Stand, ihrem Bildungsgrad oder ihrer Herkunft gemessen? Das rechte Tun und das rechte Handeln sind nicht immer leicht zusammen zu bringen.
Harte Worte, genauso hart wie Jakobus' Kritik. „Wenn ihr aber die Person anseht, so begeht ihr Sünde und werdet vom Gesetz als Über-treter überführt.“ Dieses Urteil trifft die Gemeinde, schließlich wird ihr keine Bagatelle, sondern sündhaftes Verhalten, vorgeworfen. Indem sie dem Reichen einen guten und dem Armen einen schlech-ten Platz anbieten, legen sie den Wert der Person fest. Nach welt-lichen Maßstäben.
Solches Richten ist nicht erlaubt. Die Menschen, die seit der Taufe zu Jesus Christus gehören, müssen nach seinen Maßstäben handeln. „Hat Gott nicht erwählt die Armen in der Welt, die im Glauben reich sind und Erben des Reiches, das er verheißen hat denen, die ihn lieb haben.“ Gott ist das Maß aller Dinge. Und er handelt, bewertet und urteilt anders. Die, die für die Welt uninteressant sind, weil sie nichts in den Taschen und keine Schuhe an den Füssen haben, sind für ihn interessant. Und das, was den Menschen für die Welt interessant macht, wird gering geachtet.
Nicht derjenige ist erwählt, der goldene Ringe am Finger trägt, sondern der von Gott erwählt wurde. Reichtum bemisst sich allein am Glauben.
Um das Verhalten der Gemeinde endgültig ad absurdum zu führen, verweist Jakobus schließlich auf das böse Handeln der vermeintlich angesehenen Personen: sie ziehen Gemeindemitglieder vor Gericht und lästern dem Namen Jesu.
Liebe Gemeinde, Gott ist das Maß aller Dinge. Er achtet jeden Menschen, ohne auf äußere Dinge zu achten. Damit ist jeder Mensch wertvoll, egal ob er in Lumpen oder Seide gehüllt ist. „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen; ... ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ So schreibt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater. Deshalb ist Jakobus' Kritik gerechtfer-tigt, denn wenn die Gemeinde sich zu Christus bekennt, wenn dieser, wie er schreibt, ihr Herr der Herrlichkeit ist, dann ist es Sünde nach anderen Maßstäben zu handeln.
Also:„Redet und handelt so wie solche, die durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen.“ Für Jakobus ist das eigene Handeln Spiegel des Glaubens: Diese Position hat ihm von Martin Luther harsche Kritik eingebracht hat, widerspricht sie doch dem Bekennt-nis, dass der Mensch gerade ohne Werke vor Gott gerecht wird.
Und es stimmt: die Forderung, dass Christen Täter, und nicht nur Hörer des Wortes sein sollen, ist eine gewaltige Herausforderung. Wenn nicht sogar eine Überforderung. Welch ungeheure Aufgabe mutet Jakobus mir zu. Kann ich wirklich jeden Menschen gleich behandeln? Kann ich wirklich in jedem Menschen ein geliebtes Geschöpf erkennen, auch wenn sein/ ihr Verhalten mir peinlich aufstößt?
Ich bin mir sicher dieses Ziel oft zu verfehlen. Umso wichtiger ist es, einen Jakobus an der Seite zu haben – einen kritischen Zeitgenossen, der den Finger in die Wunde legt und mich dazu ermahnt, keine Kuschelchristin zu sein, sondern den Maßstab meiner Entscheidun-gen ab und zu zu hinterfragen.
Jakobus scheint das Unmögliche von mir zu fordern. Doch ungeach-tet dessen: Was wäre mein Glaube ohne die Hoffnung, dass Gott jegliches Verhalten ändern kann? Jakobus ermutigt mich, meine Lebenspraxis zu reflektieren. Wo stimmt sie noch mit meinem Glauben überein und an welchen Stellen ist sie bloßes Lippenbe-kenntnis? Und wo kann mein Glaube Früchte tragen, weil er die Maßstäbe der Welt bewusst durchbricht?
Die Liebe Gottes ist dabei der Motor, der alles gelingen lässt, der mir hilft, allein dem Maß aller Dinge, also Gott, zu folgen. Denn, so schreibt Paulus in seinem 2. Brief an die Gemeinde in Korinth: „Gott hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes.“ Liebe Gemeinde, wenn das keine durch und durch Erfolg versprechende Zusage ist.
Amen.
Verfasserin: Tina Bäske
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