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Das Wort von der Versöhnung

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 27.06.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Timotheus 1,12-17
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Wochenspruch:

Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Lukas 19,10)

Psalm: 103,1-5.8-13 (EG 742)

Lesungen

Altes Testament:
Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32
Epistel:
1. Timotheus 1,12-17
Evangelium:
Lukas 15,1-3.11b-32

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 289
Nun lob, mein Seel, den Herren
Wochenlied:
EG 232
oder EG 353
Allein zu dir, Herr Jesu Christ
Jesus nimmt die Sünder an
Predigtlied:
EG 353
Jesus nimmt die Sünder an
Schlusslied:
EG 331,11
Herr, erbarm, erbarme dich

12 Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt eingesetzt, 13 mich, der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. 14 Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist. 15 Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin. 16 Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir als Erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben. 17 Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen.

(Zum Beginn des Gottesdienstes bekommen alle Gottesdienstbesucher einen Schotterstein in die Hand.)

Liebe Gemeinde,
alle Gottesdienste beginnen mit einem Weg. Auch heute. Sie haben sich auf den Weg zur Ihrer Kirche gemacht. Vielleicht haben Sie den Frühstückstisch unaufgeräumt stehen gelassen, als Sie losgegangen sind, um jetzt hier zu sein. Vielleicht sind nicht einmal die Betten schon gemacht. Mit einigen Griffen ist alles zusammen, was es für den Weg zur Kirche braucht - je nach Wetterlage einen Schirm, selbst das Gesangbuch ist nicht unbedingt nötig, die Bibel sowieso nicht. Gut, an die Kollekte sollte man schon zu Hause denken - und eine Brille ist gut für die, deren Augen nicht so mitspielen. Alles in allem ist der Weg zum Gottesdienst ein Weg mit leichtem Gepäck.
Was von dem gilt, was wir äußerlich mitzubringen haben, ist die eine Seite. Innerlich, auf unsere Seele und unsere Gedanken hin betrachtet, sieht das möglicherweise anders aus.
Wir bringen in jeden Gottesdienst unsere Erfahrungen mit. Was uns nicht alles beschäftigt: Wie wird das mit den Kindern gehen? In wenigen Tagen stehen Zeugnisse ins Haus - und nicht jeder sieht völlig sorgenfrei, was da kommen wird. Was wird aus dem Sommer und den Urlaubesplänen werden - in Zeiten, in denen das Geld bei vielen knapper wird? Können wir uns noch leisten, was wir gerne erleben würden? Viele - und nicht nur Männer - sind in diesen Tagen mit Gedanken an den Fußball beschäftigt und andere warten schon ein wenig darauf, dass am 4. Juli endlich die Köpfe wieder zur fußballfreien Zone werden.
Jede und jeder von uns bringt so seine Mitbringsel in den Gottesdienst mit. Es können schöne Erfahrungen und gute Gedanken sein, über die wir gerne sprechen und die uns gut zu Gesicht stehen. Aber wir alle wissen nur zu gut: Wir bringen auch anderes mit in den Gottesdienst, über das wir nicht so leicht reden können und das uns oft genug den Mund verschließen will.
Unser Predigtwort aus dem 1. Timotheus-Brief spricht von dem, was uns zu sagen meistens schwer fällt.
Was wir hier hören, klingt wie ein Sack voller Selbstanklagen, Schuld-Eingeständnisse des eigenen Lebens. Es sind keine Kleinigkeiten, die der Apostel nennt - so nach dem Motto: jeder hat kleine Fehler, ich eben auch.
Es geht um handfeste und schlimme Geschichten. Weil er Jesus für einen Gotteslästerer gehalten hat und die Christen der ersten Gemeinde für gefährliche Spinner, deshalb hat Paulus sie bekämpft. Weil er sein Bild von Gott absolut gesetzt hat und alle abweichenden Meinungen für Abfall vom wahren Glauben, hat er die Gemeinde verfolgt, nicht nur so ein bisschen: Er hat Menschenleben auf dem Gewissen.
So steht er mit seinem Wort vor uns und sagt: Ich komme als jemand, der weiß: Das, was ich mit dem besten Gewissen auf der Welt getan habe, das hat mich zum Sünder gemacht. Ich bin Sünder, nicht nur so ein bisschen, kein kleiner Sünder - was das Sündersein angeht, da bin ich Spitze!
Es geht nicht um das, was so landläufig unter „Sünde“ verstanden wird: zu tief ins Glas schauen, zu viel in sich hineinfuttern, obwohl es der schlanken Linie nicht gut tut, sich zu sehr mit der Frau oder dem Mann im Bekanntenkreis einlassen, obwohl man doch selbst längst gebunden ist, zu schnell mit dem Auto unterwegs sein, und dabei auch noch in eine Radarfalle zu geraten, dem Staat mit den Steuern erfolgreich ein Schnippchen schlagen. Mit diesem moralingesäuerten Sündendenken hat es Paulus nicht.
Die Bibel bezeichnet als Sünder Menschen, die den Kontakt verloren haben - zu Gott, zu ihren Mitmenschen und Mitgeschöpfen und zu sich selbst. Sünde meint den Bruch, der in einem Leben dadurch entsteht, dass Gott uns fremd ist, nur ein Wort, nur ein Begriff - aber es ist keine Verbindung da. Das allerdings ist Grundüberzeugung der Bibel: Wo die Beziehung zu Gott zerbrochen ist, da brechen auch die anderen Beziehungen - zu den Menschen, zu den Dingen, zu mir selbst. Wer die Mitte seines Lebens nicht mehr in Gott findet - so denkt die Bibel - der wird zwangsläufig „verrückt“ - anderes rückt in diese Mitte und wird zum Gott.
So von Sünde zu reden, klingt das anders, als wenn wir sagen:
* ich habe das mit dem Glauben nicht so ernst genommen;
* ich bin oftmals gleichgültig gewesen;
* ich mache auch einmal einen schrägen Witz über den Glauben, über Gott und sein Bodenpersonal;
* ich bleibe anderen Liebe und Geduld schuldig;
* ich lebe nur ein Bruchteil von dem, was ich mit Worten vom Glauben sage.
Warum aber redet der Apostel so von seiner Sünde? Wäre es nicht besser zu schweigen? Muss man denn so sein inneres Seelenleben und seine Verirrungen nach außen kehren? Und was soll das uns heute - an diesem Tag, in diesem Gottesdienst?
Wenn Paulus so sein Sündersein betont, dann deshalb, damit wir verstehen, was Evangelium ist! Evangelium ist: Mit mir als Sünder will Jesus Christus seinen Weg gehen. Mit mir als Sünder will Jesus Christus eine neue Geschichte anfangen. Es gibt einen Ort in dieser Welt, da werde ich nicht auf meine Vergangenheit festgenagelt, da werde ich nicht durch meine alten Geschichten festgelegt. Gott ist dieser „Ort“, wie er uns in Jesus Christus und in seinem Wort entgegenkommt. Unser Wort ist keine Einladung zum Wettstreit: Wer ist der größte Sünder - es ist eine Einladung zu dem, der den abgerissenen Kontakt wieder herstellen will, der sich über alle Schranken und Barrieren hinweg uns wieder zuwendet, damit wir nicht abgetrennt von ihm leben, sondern mit ihm.
So will uns dieses Wort heute helfen, dass wir den Gottesdienst als den Ort wahrnehmen, an dem wir nicht nur unser Sonntagsgesicht herzeigen dürfen. Vielmehr können und dürfen wir uns und Gott eingestehen:
* es gibt Worte, die uns verklagen,
* es gibt Verhaltensweisen, die uns anklagen,
* es gibt Menschen, mit denen wir in tiefem Zerwürfnis leben,
* es gibt Schuld, die uns fertig macht.
Das alles gibt es, und es lastet manchmal auf uns, so wie die Steine, die Sie jetzt schon die ganze Zeit in Händen haben, lasten und drücken und mit scharfen Kanten sogar schmerzen können.
Wenn Gottesdienst mehr ist als ein wenig religiöse Folklore, dann ist er der Ort, wo ich radikal - bis an die Wurzeln meiner Existenz - ehrlich werden darf: Ich muss nicht vor Gott und der Gemeinde mit geschönten Bildern Eindruck machen. Ich muss nicht vor Gott und der Gemeinde frisierten Bilanzen vorzeigen mit denen ich gut aussehe. Ich darf ganz ehrlich sein.
Ehrlich kann ich aber nur sein, wenn eines klar ist: Was ich eingestehe, wird nicht gegen mich verwandt. Genau das ist das Thema unseres Predigtwortes. Wir haben mit dem zu tun, der Spezialist in Sachen Entsorgung von Sünde ist! Unser Predigtwort sagt - zum Auswendiglernen: „Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um Sünder selig zu machen.“ Wenn es das Wesen von Sünde ist, dass sie einsam macht, dass sie uns von Gott, unseren Mitmenschen und uns selbst entfremdet, dass sie uns in uns selbst verkrümmt werden lässt, dann ist die Begegnung mit Christus eine Einladung:
Lass dich herausholen aus deinen Selbstanklagen!
Lass dich herausholen aus dem „Das kann ich nie mehr in Ordnung bringen“!
Lass dich herausholen aus dem „Das wird immer zwischen mir und Gott stehen.“!
Lass dich herausholen aus dem „Das kann mir nie verziehen werden.“ !
Lass dich herausholen aus dem „Für mich gibt es keinen neuen Anfang mehr.“!
In der Begegnung mit Christus fängt eine Bewegung an: Weil Christus sich zu mir stellt, werde ich aus meiner Isolation geholt. Weil Christus mir offen entgegenkommt, kann ich mich öffnen. Weil Christus mir vertraut, kann ich Gott, den Menschen und sogar mir selbst wieder trauen. Das meint das Wort „selig“: Ich kann wieder so leben, dass sich mein Leben entfalten kann - auf Gott hin, zu den Nächsten hin und mir selbst zum Glück.
Was so in einem Gottesdienst, in der Begegnung zwischen Gott und mir anfangen kann, das wird keine Sache bloß zwischen mir und Gott bleiben. Es wird weiterwirken in meine Beziehungen hinein. Anfangen aber kann es dadurch, dass wir es wagen, uns mit all dem, was uns belastet und verklagt, Christus zu öffnen.
Ich möchte Sie jetzt einladen, dass Sie die Steine ablegen am Altar und so erfahren: ich darf entlastet meinen Weg bleiben. Was sie hier in der Kirche tun, ist kein einmaliger Akt. Sie dürfen das immer wieder in Ihrem Leben tun – Lasten Ihres Lebens bei Gott ablegen. So können Sie Schritte tun hin zu der Vergewisserung: Nichts darf mich von der Liebe Gottes scheiden! Amen.

Während der Steine-Aktion: Musik

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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